Oranje im WM-Finale
6. Juli 2010Die Niederlande stehen zum dritten Mal nach 1974 und 1978 im Endspiel einer Fußball-Weltmeisterschaft. Die Mannschaft von Trainer Bert van Marwijk gewann in Kapstadt das erste WM-Halbfinale gegen Uruguay mit 3:2 (1:1). Erneut verbreitete das Oranje-Team wenig Glanz, am Ende stand aber das ersehnte Ergebnis, der Einzug ins Finale.
Zwei Sonntagsschüsse
Die erste Halbzeit war arm an Höhepunkten. Die Niederländer gaben den Ton an, ohne sich wirklich zwingende Torchancen zu erarbeiten. Die Mannschaft Uruguays stand in der Verteidigung massiv. Nicht umsonst ging das Oranje-Team durch einen Fernschuss in Führung. Kapitän Giovanni van Bronckhorst war offenbar die vielen erfolglosen Bemühungen seiner Offensivkollegen leid, nahm sich in der 18. Minute einfach ein Herz und zog ab. Ein Schuss aus 25 Metern wie ein Strich. Der Ball landete genau im Winkel des uruguayischen Tors. Da konnte sich der Torwart der Südamerikaner, Fernando Muslera, strecken wie er wollte. 1:0 für die Niederlande. Auf der Ehrentribüne jubelten die Edelfans ausgelassen: Kronprinz Willem Alexander und Prinzessin Maxima hielt es nicht mehr auf ihren Sitzen.
Wer allerdings gedacht hatte, der Führungstreffer würde den Niederländern Sicherheit geben, sah sich getäuscht. Das Spiel plätscherte müde dahin. Bis zur 41. Minute. Diego Forlán, der Superstar Uruguays, dachte sich wohl: Was van Bronckhorst kann, kann ich schon lange. Aus 25 Metern schoss er, mehr aus Verlegenheit, Richtung Tor des Oranje-Teams. Torhüter Maarten Stekelenburg verschätzte sich gründlich. Der Ball flog an seinen Fäusten vorbei zum 1:1 ins Netz. Forláns viertes Tor bei dieser WM.
Doppelschlag durch Sneijder und Robben
Auch in der zweiten Halbzeit bot sich den 62.000 Zuschauern in Kapstadt zunächst ein unverändertes Bild: Uruguay verteidigte, die Niederländer stürmten meist plan- und ideenlos. Es dauerte bis zur 68. Minute, ehe das Oranje-Team wirklich gefährlich vor dem Tor der Südamerikaner auftauchte: Erst scheiterte der eingewechselte Rafael van der Vaart an Torwart Muslera, dann schoss Bayern Münchens Stürmerstar Arjen Robben über das Tor.
Der Doppelchance folgte wenig später jedoch der Doppelschlag. In der 70. Minute schoss Wesley Sneijder aus 16 Metern flach ins rechte Eck zum 2:1. Muslera war die Sicht verdeckt. Für Sneijder war es bereits der fünfte WM-Treffer. Und es kam noch schlimmer für die Südamerikaner. Nach einer Flanke von Dirk Kuyt erzielte Robben per Kopf aus zehn Metern das 3:1. Die Entscheidung schien gefallen zu sein. Doch dann gelang Maxi Pereira in der Nachspielzeit der zweite Treffer für Uruguay. Die Niederländer mussten noch eine bange letzte Minute überstehen, ehe sie sich gegenseitig um den Hals fallen konnten. "Am Ende haben wir ein bisschen Glück gehabt", räumte Rafael van der Vaart ein. "Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Angst gehabt." Ganz so dramatisch sah Mark van Bommel die Partie nicht. Die Leistung der Niederländer, so der Bayern-Profi "war nicht super, aber wir sind im Finale." Auch Nationaltrainer Bert van Marwijk konnte sein Glück kaum fassen: "Das letzte Endspiel liegt 32 Jahre zurück. Es ist unglaublich, was wir erreicht haben."
Drittes WM-Finale
Zum dritten Mal greifen die Niederländer nach der WM-Krone. Bei ihren ersten beiden Anläufen verloren sie jeweils gegen den WM-Gastgeber: 1974 gegen Deutschland (1:2), 1978 gegen Argentinien (1:3 nach Verlängerung). Der Gegner des Oranje-Teams im Finale am Sonntag (11.07.2010) in Johannesburg wird an diesem Mittwoch (07.07.2010) im anderen Halbfinale ermittelt: zwischen Europameister Spanien und Deutschland.
Uruguays Trainer Oscar Tabarez präsentierte sich nach dem Abpfiff als fairer Verlierer. "Die Niederlage ist gerecht", sagte Tabarez, "wir akzeptieren sie." Seiner Mannschaft bleibt der Trost, bereits mit dem Einzug ins Halbfinale den größten Erfolg seit der WM 1970 erreicht zu haben. Damals wurden die Südamerikaner Vierter. Noch immer können sie in Südafrika besser abschneiden – wenn sie am Samstag in Port Elizabeth das "kleine Finale" um Platz drei gewinnen.
Autor: Stefan Nestler
Redaktion: Andreas Ziemons