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Opfer bleiben

Peter Philipp24. März 2003

Auf die Gefahr hin, hier eine Binsenweisheit zu verbreiten: Krieg ist und bleibt ein dreckiges Geschäft. Ein Kommentar zur Irak-Berichterstattung von Peter Philipp.

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Krieg bleibt auch für den gefährlich, der mit überlegener personeller und materieller Stärke ins Feld zieht. Und natürlich wird auch der Überlegene Opfer erleiden und werden diese Opfer – im einzelnen betrachtet – kläglich und jämmerlich aussehen und der Gegenseite zu propagandistischen Zwecken dienen. Kriegs-entscheidend aber sind solche Opfer nicht.

Wenn im irakischen Fernsehen – und von dort über die Bildschirme der Welt – die Verhöre verschüchterter amerikanischer Kriegsgefangener verbreitet werden, dann mag das in Teilen der arabischen Welt Hochgefühle eines ersten Sieges über die Supermacht auslösen. Dann mag dies auch in westlichen Medien einen Meinungsumschwung auslösen – dass nämlich die ersten Erfolgsmeldungen der Amerikaner und Briten wohl doch nichts anderes waren als Zweckpropaganda und dass der Verlauf des Krieges doch anders aussieht als in den ersten Tagen dargestellt.

Es ändert aber nichts an der grundlegenden Tatsache, dass Krieg nun einmal ein schmutziges Geschäft ist und in der Regel alle Seiten darunter zu leiden haben.

Die Kriegführenden in Washington wie in London wissen das. Was verwundert ist, dass in manchen Medien ein so rascher Meinungsumschwung stattfinden konnte: Erst die massive Kritik am amerikanischen Vorgehen, dann – ab Kriegsbeginn – die fast bewundernde Beschreibung eines sich vermeintlich anbahnenden Blitzkrieges und nun – nach den ersten technischen Pannen und – vor allem – nach den ersten eigenen Opfern die fast überhebliche Feststellung, Amerikaner und Briten hätten die Welt wohl doch irregeführt.

Und das, obwohl diesmal Journalisten mit "vor Ort" sind. Nach mehreren eher virtuellen Kriegen sind Korrespondenten jetzt mit bei den Truppen im Irak. Sie filmen den Vorstoß von Panzerkolonnen in nicht erkennbare Wüstengegenden, sie bringen sich keuchend vor feindlichem Feuer in Deckung und sie zeigen gelegentlich zerschossene Mauern oder sich ergebende irakische Soldaten. Momentaufnahmen von verschiedenen Orten des Geschehens. Zum Teil unter Lebensgefahr aufgenommen, aber ohne jegliche Aussagekraft über den wirklichen Stand der Dinge in diesem Krieg.

Zumal diese Berichte ja auch noch unter der Zensur der Militärs stehen. Und auf der Gegenseite sitzen diesmal noch rund 50 Korrespondenten in Bagdad und können berichten. Natürlich nur, was die Behörden wollen. Was nicht gezeigt werden soll, geht nicht über den Äther.

Was aus der Kriegsregion kommt, sind deswegen bestenfalls kleine Mosaikstückchen des großen Bildes, das aber immer noch sehr große Lücken aufweist und dessen Einzelteile von den Militärs immer wieder aufs Neue durcheinandergeworfen werden. Die fehlenden Stücke zu ergänzen durch mögliche Varianten – das ist die Aufgabe der Redaktionen. Diese aber scheinen immer mehr Opfer ihrer selbst zu werden und das Auf und Ab des Kriegsgeschehens selbst schon als wegweisend zu betrachten.

Dabei gilt natürlich immer mehr und eindringlicher: In der Regel weiß man, wann ein Krieg ausbricht, die dann folgenden Schritte und Entwicklungen sind aber von niemandem klar und bindend voraussagbar. Nicht von den Militärs, nicht von den Politikern, erst recht nicht von den Journalisten. Nur eins müssten sie alle wissen - so wenig diese Erkenntnis nach Ausbruch der Kämpfe noch nützt: Krieg ist und bleibt ein dreckiges Geschäft