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Olympia in Paris: Freiwasser-Schwimmen in der Seine?

Johan Brockschmidt
16. Juli 2024

Ist das Wasser sauber genug? Ist die Strömung zu stark? Wie sieht Plan B aus? Das Hin und Her um den Pariser Fluss Seine als Olympia-Austragungsort bereitet den Freiwasserschwimmern Probleme.

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Triathletinnen im Wasser der Seine - bei einem Wettkampf im Sommer 2023
Triathletinnen im Wasser der Seine - bei einem Wettkampf im Sommer 2023 Bild: Aurelien Meunier/Getty Images

Ein Langstrecken-Schwimmen auf der malerischen Seine mit Blick auf den Eiffelturm. In der Theorie klingt das Ambiente ideal. Doch für viele Aktive ist es ein Planungsalbtraum. "Es ist zum Verzweifeln für die Athleten und die Betreuer, die das alles vorbereiten sollen", sagte der deutsche Schwimm-Bundestrainer Bernd Berkhahn im Vorfeld der Olympischen Spiele in Paris (26. Juli bis 11. August). Das aktuell größte Hindernis: die noch sehr hohe Strömungsgeschwindigkeit des Flusses.

"Es ist kein Problem, mit der Strömung zu schwimmen, der Rückweg ist das Problem", erläutert Florian Wellbrock, Olympiasieger 2021 in Tokio über die 10-Kilometer-Distanz, im DW-Gespräch. "Bei den aktuellen Bedingungen ist es in der Seine unmöglich, einen Wettkampf auszutragen."

Gegen den Strom

Die geplante Strecke des Schwimm-Marathons führt vom Start- und Zielort an der Pont Alexandre III. zur Pont de Alma. Die Distanz zwischen beiden Brücken im Zentrum von Paris, zwischen denen hin- und hergeschwommen werden soll, beträgt rund einen Kilometer.

Der einzige olympische Wettbewerb im Freiwasser- oder Marathon-Schwimmen geht bei Frauen und Männern über die 10-Kilometer-Distanz. Findet er tatsächlich in der Seine statt, wäre die halbe Strecke, also fünf Kilometer, gegen die Strömung zu absolvieren. Legt man die Siegerzeiten von Tokio zugrunde - 1:48 Stunden bei den Männern, 1:59 Stunden bei den Frauen - schwämmen die Athletinnen und Athleten etwa 50 bis 60 Minuten lang im Gegenstrom. 

Florian Wellbrock präsentiert 2021 bei der Siegerehrung seine Goldmedaille von Tokio
Nach Gold in Tokio (Bild) will Florian Wellbrock in Paris seinen zweiten Olympiasieg holenBild: Leonhard Foeger/REUTERS

Aktuell fließt der Fluss mit einer Geschwindigkeit von 1,2 Metern pro Sekunde. Ein Freiwasserschwimmer bewegt sich im Schnitt - ohne Gegenströmung - pro Sekunde ungefähr um 1,6 Meter weiter. Gegen die Strömung käme er bei der jetzigen Geschwindigkeit des Wassers also nur 40 Zentimeter pro Sekunde vorwärts. Bei den Langstreckenschwimmerinnen wären es bei einer "normalen" Durchschnittsgeschwindigkeit von 1,4 Metern pro Sekunde sogar nur 20 Zentimeter.

Wasserqualität besser als vor einem Jahr

Lange Zeit war auch die mangelnde Wasserqualität der Seine ein großes Problem. Im Sommer 2023 wurde ein Weltcuprennen abgesagt, das eigentlich als Olympia-Testlauf geplant war. Die Seine war damals zu stark mit Darmbakterien belastet. In diesem Punkt gibt es allerdings Hoffnung. Ein Sprecher der Stadt Paris sagte zwei Wochen vor dem Beginn der Sommerspiele, die Seine sei nun an "elf oder zehn" der vergangenen zwölf Tage sauber genug gewesen, um dort Schwimmwettbewerbe auszutragen.

Um keine Zweifel an der Wasserqualität aufkommen zu lassen, sprang die französische Sportministerin Amelie Oudea-Castera in die Seine. Die Pariser Bürgermeisterin Anne HIdalgo tat es ihr gleich und badete nun auch im Fluss.

Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo schwimmt in der Seine.
Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo badet in der Seine, um die Wasserqualität zu beweisen. Bild: Lafargue Raphael/ABACA/picture alliance

Die französischen Behörden hatten rund 1,4 Milliarden Euro in neue Kläranlagen und Abwassersysteme investiert. Sollte an den Wettkampftagen die Wasserqualität nicht ausreichend sein, könnten die Rennen um einige Tage verschoben werden.

Ruderstrecke als Alternative

Ursprünglich sei den Schwimmern erklärt worden, es gäbe keinen alternativen Austragungsort zur Seine, sagte Bundestrainer Berkhahn. Den gibt es nun offenbar doch: Die Ruder-Regattastrecke in Vaires-sur-Marne, rund 20 Kilometer vor den Toren von Paris. "Die Kommunikation war wie eine Achterbahnfahrt mit vielen Höhen und Tiefen", so Schwimm-Star Wellbrock. Er freue sich, dass es eine Alternative zur Seine gebe und der Wettkampf nun auf jeden Fall ausgetragen werden könne.

Florian Wellbrock beim Freiwasser-Rennen über 10 Kilometer bei den Olympischen Spielen in Tokio im Wasser des Odaiba Marine Park
Bei Freiwasser-Rennen in mehr oder weniger stehenden Gewässern - wie 2021 in Tokio - sind die Bedingungen leichterBild: picture alliance/dpa

Bundestrainer Berkhahn weist jedoch darauf hin, dass ein Rennen im Fluss und ein Rennen auf einer Regattastrecke zwei "komplett unterschiedliche Dinge" seien. Die Wassertemperatur sei anders, auch der Wind und die Begrenzung. "Für die Sportler ist es unsäglich, dass man nicht weiß, was da kommen wird und wie man sich jetzt mental auf das Rennen einstellen muss."

Der deutsche Olympia-Starter Oliver Klemet würde - wenn er die Wahl hätte - die Ruderstrecke dem Fluss Seine vorziehen. "Wenn wir den Austragungsort wechseln, ist es einfacher für uns", sagte der 22 Jahre alte Freiwasserschwimmer der DW. "In einem Fluss zu schwimmen, ist viel schwerer als im Meer [wo viele Langstreckenrennen ausgetragen werden - Anm. d. Red.]

Mit Bremshose und Fallschirm

Olympiasieger Wellbrock ist es nach eigenen Worten egal, wo er ins Wasser springt. Eines aber sei klar, sagte der 26 Jahre alte Titelverteidiger: "Dieses Rennen wird das härteste 10-Kilometer-Rennen, das es je gab. Da kommt es sehr auf die Vorbereitung an."

Und die hatte es in sich. Bundestrainer Berkhahn ließ aufgrund der zu erwartenden Umstände in Paris bewusst trainieren, gegen die Strömung anzuschwimmen: "Kraft-Ausdauer ist ein Schwerpunkt im Training. Es wird also mehr mit den Armen geschwommen."

Schwimm-Bundestrainer Bernd Berkhahn
Schwimm-Bundestrainer Bernd Berkhahn hätte sich früher Klarheit gewünscht, ob es in die Seine geht oder ins RegattabeckenBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Um die Gegenströmung zu simulieren, trugen die Athleten sogenannte "Bremshosen". Dabei handelt es sich um Schwimmhosen mit einer netzartigen Oberfläche, die über die eng anliegenden Badehosen gezogen werden und so die Gleitfähigkeit verringern. Alternativ zogen die Schwimmer einen Fallschirm durch das Wasser.

Ob diese Art der Vorbereitung wirklich nötig war, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Denn sollte der Regen nachlassen, würde die Seine langsamer fließen. Der Wettergott hat also wohl das letzte Wort.  

Der Artikel wurde nach dem Seine-Bad von Bürgermeisterin Hidalgo am 17. Juli aktualisiert.