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Olympia: Beachvolleyballer trotz Vergewaltigung am Start

Jonathan Crane aus Paris
29. Juli 2024

Steven Van de Velde, Beachvolleyballer aus den Niederlanden, wurde 2016 wegen Vergewaltigung eines Kindes verurteilt. Bei Olympia 2024 in Paris ist er dennoch am Start - und sorgt für Kontroversen.

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Beachvolleyballer Steven Van de Velde bei den Olympischen Spielen in Paris
Beachvolleyballer Steven Van de Velde bekommt vom niederländischen Verband eine zweite Chance, die ihm viele andere nicht gegeben hättenBild: Marcus Brandt/dpa/picture alliance

Es sei "inakzeptabel, dass Steven Van de Velde nach Frankreich kommen durfte, um an den Olympischen Spielen teilzunehmen", sagt Sarah McGrath gegenüber der DW. McGrath ist Geschäftsführerin von "Women for Women France". Die Organisation unterstützt Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt. "Trotz der Aufrufe von Gruppen, die sich für Vergewaltigungsopfer einsetzen, mit dieser Teilnahme fortzufahren, zeigt eine Haltung des Anspruchs und einen völligen Mangel an Sorge um den Schaden, den das Überlebenden von Vergewaltigungen zufügen wird", sagt sie.

Steven Van de Velde, in Paris für die Niederlande im Beachvolleyball am Start, wurde 2016 wegen Vergewaltigung einer 12-jährigen Britin zu einer Haftstrafe verurteilt. Er hatte das Mädchen 2014 als damals 19-Jähriger auf Facebook kennengelernt. Van de Velde bekam vier Jahre, verbüßte aber nur zwölf Monate davon in Großbritannien, bevor er in die Niederlande zurückverlegt wurde. In seiner Heimat ließ man ihn nach nur einem Monat frei, da das Verbrechen dort als weniger schwerwiegend angesehen wurde.

Kontrolle und Sorgfaltspflicht

Heute ist Van de Velde 29 Jahre alt und bei den Olympischen Spielen in Paris dabei. Allerdings werden seine Auftritte stets von lauten Buh-Rufen aus dem Publikum im Stade Tour Eiffel, direkt unter dem Eiffelturm, begleitet. Schon vor Paris war seine Teilnahme heiß diskutiert worden, eine Petition, in der sein Ausschluss von den Spielen gefordert wird, hat fast 100.000 Unterschriften erreicht.

Das Niederländische Olympische Komitee erklärte dazu vor Olympia in einer speziell veröffentlichten Erklärung, dass die Rückkehr des Spielers dank eines "speziellen Behandlungsprogramms" möglich war und dass Van de Velde "alle strengen Risikobewertungsschwellen, Kontrollen und Sorgfaltspflichten" erfüllt habe.

Er wohnt nicht mit den anderen Athleten im olympischen Dorf, um ein "sicheres sportliches Umfeld für alle Teilnehmer" zu gewährleisten, und wurde von den normalerweise obligatorischen Medienaufträgen befreit.

Steven Van de Velde und Mathew Immers in einer Spielpause
Weil Steven Van de Velde (l.) nicht mit den Medien sprechen darf, muss Mathew Immers (r.) alle Interviews führenBild: David Davies/empics/picture alliance

Diese muss stattdessen Matthew Immers absolvieren, Van de Veldes 23-jähriger Teamkollege, der nach dem ersten Spiel gegenüber Reporterinnen und Reportern erklärte, dass beide von der Aufmerksamkeit, die der Vorfall ausgelöst hat, "enttäuscht" seien.

"Was in der Vergangenheit liegt, liegt in der Vergangenheit", sagte Immers. "Er hat seine Strafe bekommen und jetzt ist er wirklich nett. Für mich ist das ein großes Beispiel dafür, dass er daran gewachsen ist und viel gelernt hat. Natürlich ist das, was in der Vergangenheit passiert ist, nicht gut."

Kein Ausschluss durch das IOC

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat sich bisher nicht eingemischt und erklärt, es sei Sache des niederländischen NOKs, die Sportlerinnen und Sportler für Olympia auszuwählen. Dabei das IOC nach seinen eigenen Regeln das letzte Wort darüber, wer an den Spielen teilnimmt.

Auf die Frage der DW, ob sich das IOC mit der Idee, dass ein verurteilter Vergewaltiger an den Olympischen Spielen teilnimmt, wohl fühle und glücklich sei, sagte der Sprecher der Organisation, Mark Adams bei der täglichen Pressekonferenz am Samstag: "Es als angenehm und glücklich zu bezeichnen, wäre nicht korrekt."

Adams fügte allerdings hinzu: "Dieses Verbrechen ist vor zehn Jahren geschehen. Es hat eine Menge Rehabilitierung stattgefunden, und es gibt auch sehr strenge Sicherheitsvorkehrungen. Wir glauben, dass die Erklärung, die sie [das Niederländische Olympische Komitee] uns gegeben haben, korrekt ist, und wir werden die Situation so weiterführen, wie sie ist."

Für McGrath haben die Sportbehörden nicht verstanden, "was für ein schweres Verbrechen die Vergewaltigung eines Kindes ist", und sie stellte ihre Führung und deren Urteilsvermögen in Frage. "Das Internationale Olympische Komitee muss eine Untersuchung darüber einleiten, wie es dazu kommen konnte, und dies als Weckruf nutzen", sagte sie.

"Opfer müssen lebenslanges Trauma ertragen"

Einige argumentieren, dass Van de Velde eine zweite Chance verdient hat, nachdem er seine Zeit abgesessen und sich einer "professionellen Beratung" unterzogen hat. In einem Interview mit dem niederländischen öffentlich-rechtlichen Sender NOS im Jahr 2018 bezeichnete er den Vorfall als den "größten Fehler" seines Lebens.

Das NOK der Niederlande behauptet, es bestehe keine Gefahr eines Rückfalls in sein früheres Verhalten. John van Vliet, einer der Pressesprecher des niederländischen Olympia-Teams, forderte von Reporterinnen und Reportern nach dem ersten Spiel von Van de Velde und Immers gegen ein italienisches Duo, der Vorfall sollte bei den Olympischen Spielen nicht thematisiert werden. "Die allgemeine Frage der sexuellen Verurteilungen ist definitiv ein viel größeres Thema als der Sport", sagte er. "Aber in seinem Fall haben wir es mit einer Person zu tun, die verurteilt wurde, ihre Strafe abgesessen hat und danach alles getan hat, um wieder an Wettkämpfen teilnehmen zu können."

McGrath weist solche Haltungen jedoch als "fehlgeleitet" zurück. "Van de Velde wurde nicht wegen Autodiebstahls verurteilt, sondern wegen Vergewaltigung eines Kindes", sagte sie. "Ein Kind, das durch die Vergewaltigung so verzweifelt war, dass es sich selbst verletzte."

Van de Veldes Teilnahme zeige den Überlebenden einmal mehr, dass die Karriere und der Ruf eines Mannes wichtiger sind als ihr Trauma. "Die Opfer müssen ein Leben lang ein Trauma ertragen, aber die Täter können eine erfolgreiche Karriere als Repräsentanten ihres Landes machen."

Immerhin drückte Matthew Immers seine Sorge um Van de Veldes Opfer aus, als er von der DW gefragt wurde, wie sie sich wohl fühle, wenn sie ihren früheren Vergewaltiger bei einem Wettkampf sehe. "Das ist mit Sicherheit nicht schön", sagte er.

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.