Obama, Merkel und Industrie 4.0
25. April 2016Unter denkbar größten Sicherheitsvorkehrungen hat zum ersten Mal ein US-Präsident die weltgrößte Industriemesse besucht. In Begleitung von Kanzlerin Angela Merkel absolvierte Barack Obama am Montag (25.04.2016) einen knapp zweistündigen Rundgang durch drei der insgesamt 17 Messehallen. Beide verschafften sich - offenbar bestens gelaunt und viel nachfragend - einen Eindruck über neueste Technologien für die vernetzte Produktion zum einen an Ständen von US-Unternehmen und Forschungseinrichtungen als auch bei deutschen Firmen, die einen starken Bezug zum US-Markt haben. Zum Auftakt gab Obama noch einmal, wie schon zur Eröffnungsfeier am Sonntagabend, den Chefverkäufer.
Man zeige im US-Pavillon "stolz das starke Engagement für Innovationen in Amerika". Die Firmen seien Vorreiter, sie veränderten "wie wir heute leben, arbeiten und lernen", so der Präsident: "Für mich nochmal eine gute Gelegenheit, allen zu sagen: Kommen sie zu uns, kaufen sie 'Made in America'."
"Freunde, die stark sind"
Immerhin schob Obama noch nach, sicher werde er von "Angela" im deutschen Pavillon nicht das Gleiche hören. Nun gibt es auf der Hannover Messe keinen "deutschen Pavillon", aber das war für die Kanzlerin auch nicht so wichtig. Ihr ging es darum, die Gemeinsamkeiten zu betonen. "Wir begrüßen sie hier als Freunde. Freunde, die stark sind", so Merkel. Man könne voneinander lernen, und enger zusammen rücken, um gemeinsam "Innovationen und Neuland" zu gestalten. Die Hannover Messe sei immer ein Höhepunkt der Industriebranche, "aber in diesem Jahr wird man Weltspitze in geballter Form sehen können".
Das ist in der Tat so: 5200 Aussteller - und damit deutlich mehr als vor einem Jahr - aus 75 Ländern sind am Start. An rund 100 Beispielen wird gezeigt, wie vernetzte Produktion schon heute funktioniert. Der Wettlauf um die besten Lösungen ist in vollem Gange, die Frage ist, ob Deutsche oder Amerikaner die Nase vorn haben werden. Messechef Jochen Köckler sieht beide eher als Partner denn als Konkurrenten. Die USA seien der größte Exportmarkt für die deutschen Maschinenbauer, meint er.
Wer hat die Nase vorn?
Daneben gebe es bei den Technologien aber auch Konkurrenz untereinander, so Köckler. "Es geht um die Frage: Wo stehen die Fabriken der Zukunft?" In Deutschland sei das, was man Industrie 4.0 nennt, sehr stark getrieben von der Kompetenz der Ingenieure, die Industriesoftware einsetzen. In den USA kenne man mit Google, Facebook und Co andere Geschäftsmodelle, "wo gar keine Maschine mehr dabei ist, sondern das Internet für ein Geschäftsmodell genutzt wird", sagte Köckler im Gespräch mit der DW. "Klar gibt es ein Wettrennen, wer beim Ausrüsten der Fabriken der Zukunft die Nase vorn hat. Sind es die Amerikaner oder die Deutschen oder - hoffentlich und wahrscheinlich - gibt es ein Zusammenwachsen beider Ansätze."
Das sieht Klaus Mittelbach ähnlich. Er ist Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes der deutschen Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) und weist darauf hin, dass das US-Internet-Konsortium und die deutsche Plattform Industrie 4.0 bereits gut zusammenarbeiten. "Wir haben gemeinsame Plattformen, wo man das schon an den Logos erkennen kann." Jetzt gelte es, die Dinge gemeinsam voran zu bringen. "Getrenntes Agieren war in der Vergangenheit. Alleine kann das keiner mehr."
Die Zukunft ist schon da
Viel ist in Hannover auch in diesem Jahr wieder von einer Revolution die Rede, die da gerade stattfindet. Allerdings muss man schon genau hinschauen, was sich im Vergleich zur Hannover Messe vor einem Jahr getan hat. "In diesem Jahr sieht man erstmals Produkte, die man praktisch sofort mit nach Hause nehmen und in seine Fertigung einbauen kann", sagt Thilo Brodtmann, Geschäftsführer des Maschinenbauverbandes VDMA. Man sei einen Schritt weiter gekommen, Industrie 4.0 in die Firmen hinein zu bringen. 20 Prozent der deutschen Maschinenbauer seien ganz vorne mit dabei, "mit eigenen Projekten und Entwicklungen. Deutschland marschiert mit dem Thema Industrie 4.0 weltweit an der Spitze", ist sich Brodtmann sicher.
Marschieren wollte auch die Kanzlerin, nachdem die Reden gehalten waren: Mit einem englischen Sprichwort startete sie mit Obama den Rundgang: "And now I learned: The proof of the pudding is the eating. Let's start", sagte sie unter dem Gelächter des Publikums, und auch Obama musste schmunzeln. Der Rundgang selbst brachte die beiden nebst Gefolge vorbei an deutschen Mittelständlern, Konzernen und jungen Unternehmen. Die einen glänzten mit einer Schnellladesäule für E-Autos, an denen man in fünf Minuten Strom für 40 Kilometer bekäme. Andere zeigten eine Miniatur-3-D-Kamera, die demnächst in Smartphones eingebaut werde. Bei Siemens verwies Chef Joe Kaeser auf die 100-jährige Tradition des US-Geschäfts und beschenkte Merkel wie Obama mit einem Golfschläger. Was den Präsidenten freute, machte die Kanzlerin eher verlegen. Das Angebot Obamas, er werde "Angela beibringen, wie man spielt", konterte die Kanzlerin mit einem "Ich muss noch arbeiten."