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Nächstes Angriffsziel Damaskus?

15. April 2003

Die amerikanischen Drohungen bringen Syriens Präsident Assad in eine schwierige Lage. Rainer Sollich kommentiert.

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Nach dem militärischen Sieg der Amerikaner und Briten im Irak gibt es wachsende Befürchtungen über ein mögliches Vorgehen gegen das Nachbarland Syrien. Grund dafür sind harsche Warnungen an das Regime in Damaskus, die vor allem aus Washington kommen. Syrien wird vorgeworfen, Chemiewaffen zu besitzen, Vertreter des gestürzten irakischen Regimes zu beherbergen und zu dessen Unterstützung freiwillige Kämpfer entsandt zu haben. Zudem betrachten die USA Syrien schon länger als Sponsor von Terrorgruppen in Nahost. Droht ein weiterer Krieg?

Trotz der harschen Warnungen und ihrem drohenden Unterton: Derzeit sieht es nicht danach aus, dass die USA Syrien militärisch attackieren werden. Solange die Situation im Irak instabil bleibt, wäre dies sowohl militärisch wie auch politisch ein zu hohes Risiko. Langfristig jedoch muss Präsident Baschar el Assad sehr wohl ein härteres Vorgehen der USA befürchten. Der Krieg im Irak hat gezeigt, dass die US-Regierung ihre Ziele mit größter Entschlossenheit verfolgt - unabhängig von allen Widerständen innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft, und sogar unabhängig von Bedenken ihrer Verbündeten. Und eine weitere bittere Lehre: Die USA sind prinzipiell auch dann zu einem Waffengang bereit, wenn sie noch gar keine Beweise für dessen Begründung vorlegen können, also im Fall Irak: Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen.

Ähnlichen Vorwürfen sieht sich nun auch Syrien ausgesetzt. Dabei soll es um Chemiewaffen gehen. Weitere Vorwürfe der Amerikaner und Briten lauten: Damaskus gewähre geflohenen Spitzenvertretern des Saddam-Regimes Unterschlupf und habe zu dessen Unterstützung in den vergangenen Wochen sogar freiwillige Kämpfer in den Irak entsandt. Diese Vorwürfe sind unabhängig kaum zu überprüfen. Aber trotz der britischen Versicherung, es gebe im Bezug auf Syrien keinerlei Angriffspläne, ist die Botschaft eindeutig: Wenn Assad nicht besser mit Amerikanern und Briten kooperiert oder sogar ihren Zielen in der Region ausdrücklich zuwider handelt , dann könnte langfristig auch das syrische Regime ernsthaft ins Visier der Amerikaner geraten.

Natürlich geht es den USA im Nahen Osten nicht nur um die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen und um die Vision von Frieden und Demokratie. Es geht ihnen auch um Ölreserven, um die Absicherung geostrategischer Interessen und um die Sicherheit ihres verlässlichsten Verbündeten in der Region - um Israel. Aber das alles hängt miteinander zusammen - und der springende Punkt ist: Syrien steht allen diesen Interessen im Wege. Das Regime ist kein Freund von demokratischen Aufbruchsvisionen, es bekämpft amerikanische Hegemonialansprüche in der Region. Es ist ein erklärter Gegner Israels und unterstützt massiv anti-israelische, gewaltbereite Gruppen.

Ein Krieg gegen Syrien ohne zwingende Beweise für dessen
Rechtfertigung und ohne ausreichende internationale Unterstützung wäre genauso falsch wie es der Krieg gegen den Irak war. Da die US-Regierung genau dies aber anders sieht und das Risiko eines regionalen Flächenbrandes seit dem Fall Bagdads noch weniger ernst nehmen dürfte als zuvor, stehen Syriens Präsident Assad vermutlich schwere Zeiten bevor. Wenn er sich langfristig an der Macht halten
will, muss er vorsichtig sein. Er darf es sich einerseits nicht
komplett mit den USA verscherzen. Allerdings muss er andererseits auch aufpassen, nicht die eigene Bevölkerung und politische Elite seines Landes zu verprellen. Denn diese ist mehrheitlich eher anti-amerikanisch und vor allem stark anti-israelisch eingestellt.

Es mag sein, dass die USA Syrien nur durch den Aufbau einer Drohkulisse zu mehr Kooperation zwingen wollen, ohne Gewaltanwendung ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Im besten Fall könnte dies tatsächlich zu einer Mäßigung der syrischen Politik etwa gegenüber Israel führen. Doch diese Strategie ist gefährlich. Sie könnte nämlich auch anti-amerikanische und anti-israelische Stimmungen in der arabischen Welt weiter hochkochen lassen. Das Beste, was die USA jetzt für eine friedliche Zukunft in Nahost tun können, ist parallel zum Wiederaufbau im Irak einen neuen Friedensprozess zwischen Palästinensern und Israelis voranzutreiben. Auch das Problem der israelisch besetzten Golanhöhen muss gelöst werden. Für beides muss Washington aber auch endlich mehr Druck auf Israel ausüben.