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Norwegischer Strom im deutschen Netz

Dirk Kaufmann
26. Mai 2021

Der Probebetrieb war erfolgreich: Heute wurde Nordlink, eines der längsten See-Stromkabel der Welt zwischen Deutschland und Norwegen, offiziell eingeweiht. 3,6 Millionen Haushalte bekommen klimaneutrale Energie.

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Bau der Stromtrasse NordLink
Verlegung des Seekabels NordLinkBild: Carsten Rehder/dpa/picture alliance

Zum Glück ist eine Stromleitung kein Konzertsaal. Und auch kein Tiefbahnhof oder Flughafen. Bei Großprojekten wie diesen in Hamburg, Stuttgart und Berlin haben sich deutsche Bauherren in den vergangenen Jahren mächtig blamiert und viel von ihrem vielleicht einmal guten Ruf verspielt.

Es geht aber auch anders: An diesem Donnerstag wurde im schleswig-holsteinischen Wilster die Stromleitung Nordlink zwischen Norwegen und Deutschland eingeweiht - pünktlich. Vor einem halben Jahr war die Verbindung fertiggestellt und ein Probebetrieb aufgenommen worden, der inzwischen erfolgreich abgeschlossen ist.

Infografik Karte Verlauf Stromleitung NordLink DE

Geballte Politprominenz

Zur Eröffnungsfeier in Wilster hatten sich nicht nur die Fachminister aus beiden Ländern angesagt. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre norwegischen Amtskollegin, Premierministerin Erna Solberg, nahmen digital an der Zeremonie teil. Merkel mahnte dabei mehr Tempo beim Ausbau der Stromnetze an. "Nordlink alleine löst Deutschlands Energie- und Netzprobleme nicht." Norddeutschland müsse besser mit Süddeutschland verbunden werden. Dann erst könne Nordlink seine ganze Kraft entfalten. "Daran müssen wir sehr viel schneller arbeiten." Beim Leitungsausbau "wird man in nächster Zeit noch einmal über Beschleunigungen nachdenken müssen." Es sei zu überlegen, ob Gerichtsinstanzen eingespart werden können und die Bevölkerung schneller mit einbezogen werden kann.

Norwegen | Einweihung Seekabel NordLink in Oslo
Digitale Eröffnungszeremonie mit Norwegens Premierministerin Erna Solberg und Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: Gorm Kallestad/NTB/AFP/Getty Images

Das Win-win-Kabel

Die neue Stromautobahn verbindet die Strommärkte Norwegens und Deutschlands. Die Kunden beider Länder sollen vom Kabel profitieren: Wenn deutsche Windkraftanlagen und Solarzellen wetterbedingt nur wenig Strom produzieren, wird über Nordlink Energie aus norwegischer Wasserkraft importiert.

Dies gelte besonders für Zeiten, in denen der Zustrom in die Wasserreservoirs Norwegens hoch sei. In Trockenzeiten wiederum könnten die Skandinavier Strom aus deutschen Wind- und Solarenergieüberschüssen importieren.

Der für Nordlink zuständige Manager des norwegischen Übertragungsnetzbetreibers Statnett, Gunnar G. Løvås, versprach zu Beginn des Probebetriebes im Dezember: "Nordlink wird uns helfen, unsere Klimaziele zu erreichen und sowohl auf der norwegischen als auch auf der deutschen Seite des Kabels Mehrwert zu schaffen."

Kabel für die deutsch-norwegische Strombrücke NordLink
Jede Menge Kabel im Kabel: Querschnitt des Seekabels für die NordLink-TrasseBild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Im Boden, unter Wasser und in der Luft

Die insgesamt 623 Kilometer lange Trasse verläuft über 516 Kilometer als Seekabel durchs Wattenmeer und am Grund der Nordsee. Auf deutscher Seite erreicht das Seekabel das Festland am Deich nördlich von Büsum. Von dort geht es weiter als 54 Kilometer langes Erdkabel unter dem Nord-Ostsee-Kanal hindurch nach Nortorf bei Wilster im Kreis Steinburg.

In diesem schleswig-holsteinischen Dort befindet sich eine der beiden sogenannten Konverterstationen. Dort wird die Energie von Gleichstrom in Wechselstrom umgewandelt beziehungsweise - je nach Marktlage - auch andersherum. Die andere Station liegt im norwegischen Tonstad. Sie ist über eine 53 Kilometer lange Hochspannungsfreileitung mit dem Seekabel verbunden.

Pressebild TenneT TSO GmbH | Seekabelverlegung NordLink
Ein Seekabel zu legen ist aufwendig und teuer - und nur eine Leitung durch die Nordsee reicht auch nichtBild: Nexans/Anders Martinsen

Das Kabel, es gilt weltweit als eine der längsten Verbindungen dieser Art, hat eine Kapazität von 1400 Megawatt und könne damit rund 3,6 Millionen Haushalte mit klimaneutraler Energie versorgen. Das entspricht einem großen Teil der Privathaushalte von Hamburg und Schleswig-Holstein.

Nordlink, NorNed, BritNed und COBRAcable

Das Nordlink-Kabel ist kein Solitär, es gibt bereits einige sogenannte HÜGs (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung) in der Nordsee. Eine davon ist Norned, die die Stromnetze Norwegens und der Niederlande verbindet. Das Seekabel, es unterquert die Nordsee zwischen Feda in Norwegen und Eemshaven im Norden der Niederlande, ist 580 Kilometer lang.

Eine weitere HÜG verbindet die Niederlande mit Großbritannien. Ein 260 Kilometer langes Gleichstromkabel ist auf dem Meeresboden zwischen Maasvlakte bei Rotterdam und der Isle of Grain in der südostenglischen Grafschaft Kent verlegt worden. Ihr Betrieb wurde 2011 aufgenommen, drei Jahre nach dem Norned-Kabel.

Seit dem September 2019 fließt auch zwischen Dänemark und den Niederlanden Strom. Und zwar auf dem Meeresboden in der Deutschen Bucht zwischen dem dänischen Endrup nahe Esbjerg und Eemshaven in den Niederlanden. Dieses Kabel mit der Bezeichnung COBRAcable ist ungefähr 325 Kilometer lang.

Pressebild TenneT TSO GmbH | Kabelverlegeschiff Nexans Skagerrak
Das Kabelverlegeschiff Nexans Skagerrak verlegt die ersten Meter des Nordlinkkabels an der norwegischen KüsteBild: TenneT TSO GmbH

Hochfliegende Pläne

Zweck des Baus ist unter anderem die Koppelung der Strommärkte Dänemarks und der Niederlande sowie die bessere Einbindung erneuerbarer Energien in das Stromsystem. Insbesondere soll den Niederlanden der Import von Windstrom aus Dänemark ermöglicht werden.

Durch die Direktverbindung Dänemarks mit den Niederlanden soll zudem das norddeutsche Stromnetz entlastet werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, in der Zukunft Offshore-Windparks in der Nordsee an dieses Kabel anzuschließen.

Das würde auch den Bau neuer Offshore-Windparks ermöglichen. So planen, wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, die Unternehmen RWE und BASF einen der größten Windparks der Welt in der Nordsee zu errichten. Anvisierter Nutzungsbeginn: 2030. Dieses Vier-Milliarden-Euro-Projekt wird zeigen, ob ein Windpark zur Kategorie "Seekabel" oder eher in der Klasse "Konzerthaus" oder "Flughafen" gehört.