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Neue Ära der Zusammenarbeit?

Gero Schließ, Washington20. Juli 2015

US-Präsident Obama empfängt seinen Amtskollegen Buhari, um über den Kampf gegen Boko Haram zu beraten. Nigerias neues Staatsoberhaupt will sich als verlässlicher Partner präsentieren. Von Gero Schließ, Washington.

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Beim G7-Gipfel in Schloss Elmau: Barack Obama und Muhammadu Buhari - Foto: picture-alliance/AP Photo/C. Kaster
Bild: picture-alliance/AP Photo/C. Kaster

"Nigeria ist potenziell Washingtons wichtigster afrikanischer Verbündeter", sagt Peter Pham vom Atlantic Council der Deutschen Welle. Doch er schränkt gleich ein: "Ich sage potenziell, denn das Potenzial ist noch nicht realisiert worden."

Das hat auch mit dem gegenwärtig "verheerenden" Image Nigerias in den USA zu tun, meint Richard Joseph, Afrika-Experte der Washingtoner Brookings Institution. In der Wahrnehmung der Amerikaner sei das Land "weitgehend korrupt und chaotisch". In die Schlagzeilen gerät es vor allem durch die nicht enden wollende Attentatsserie der Terrorgruppe Boko Haram.

Nigeria: Selbstmordanschlag in Zabarmari - Foto: Stringer/AFP/Getty Images
Zunehmender Boko-Haram-Terror: Seit Anfang Juni kamen mehr als 700 Menschen ums LebenBild: Stringer/AFP/Getty Images

Vertrauen schaffen

Der neue nigerianische Präsident Muhammadu Buhari hat nun an diesem Montag bei seinem Besuch im Weißen Haus die Chance, dieses Image zu korrigieren. Peter Pham vom Atlantic Council sieht in Buharis Treffen mit Präsident Obama "den ersten Schritt zur Erneuerung der Beziehungen zwischen den USA und Nigeria". Das Verhältnis war unter Buharis schillerndem Vorgänger Goodluck Jonathan schweren Belastungen ausgesetzt.

Im Mittelpunkt des Treffens dürfte der Kampf gegen Boko Haram stehen. In Washington schrillen die Alarmglocken, seit sich die Terrorgruppe öffentlich mit dem Islamischen Staat verbündet und ihre Anschläge nach Tschad und Niger ausgeweitet hat. Boko Haram stelle "eine immer größere Bedrohung für die regionale Sicherheit dar", so Pham.

Ermutigende Schritte

Aus Washingtoner Sicht könnte der neue Präsident der richtige Mann sein, um Boko Haram in die Schranken zu weisen. Schon in den ersten Wochen seiner Amtszeit geizte der Ex-General nicht mit harten Entscheidungen. Vor wenigen Tagen tauschte er die gesamte militärische Führung aus. Zuvor hatte er die Kommandozentrale für den Kampf gegen die sunnitische Terrorgruppe näher an das Operationsgebiet von Boko Haram in den Nordosten Nigerias verlegt.

Amtseinführung von Nigeria Präsident Muhammadu Buhari - Foto: Reuters/A. Sotunde
Deutliches Signal: Nigerias Präsident Buhari hat sechs Wochen nach Amtsantritt das eigene Gehalt halbiertBild: Reuters/A. Sotunde

Doch noch reißt die Attentatsserie nicht ab. Auf jeden Anschlag folgen Zusicherungen aus Washington, Nigeria beim Kampf gegen Boko Haram zu unterstützen.

Militärführung ausgetauscht

Dafür müsse Buhari bei seinem Besuch aber zunächst wieder Vertrauen aufbauen, sagt Richard Joseph, das stehe "ganz oben auf seiner Liste". Denn Nigerias Militär habe bei seinen Verbündeten in den USA, Europa und selbst bei seinen Nachbarn "wegen seiner Unfähigkeit" viel Vertrauen verloren. Das ging so weit, dass Washington letztes Jahr die Ausbildung eines nigerianischen Batallions durch die US-Armee stoppte, erinnert sich Peter Pham vom Atlantic Council. Buhari sei ein Karriereoffizier. Er könne die Reformen der nigerianischen Sicherheitskräfte umsetzen und das Vertrauen zurückgewinnen. Mit der Entlassung der alten militärischen Führung habe er bereits ein "potenzielles Hindernis" für die Zusammenarbeit mit den USA aus dem Wege geräumt, so Pham. Menschenrechtsorganisation werfen fast allen von ihnen Verletzungen der Menschenrechte vor. "Wenn das Vertrauen wieder da ist", sagt Richard Joseph, "ist eine vertiefe Zusammenarbeit der Geheimdienste und Militärs und nicht zuletzt auch die Ausbildung und Training der Soldaten möglich."

Neben der Bekämpfung von Boko Haram wird es beim US-Besuch des nigerianischen Präsidenten wohl auch um Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit gehen. Nigeria ist zwar auf dem Papier die größte Volkswirtschaft und der wichtigste Ölproduzent Afrikas. Doch "die Lücke zwischen Nigerias wirtschaftlichem Versprechen und der Realität ist riesengroß", stellt Joseph unumwunden fest. Nigeria hat einen enormen Nachholbedarf bei der Entwicklung der Infrastruktur - von der Stromerzeugung bis zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Die USA und auch Länder wie Deutschland, Großbritannien, Japan und China hätten "großes Interesse, dass Nigeria hier sein wirtschaftliches Potenzial ausschöpft".

Poster von Nigerias Präsident Mohammadu Buhari vor Militärparade - Foto: Getty Images/AFP/P. Utomi Ekpei
Wegen ineffektiver Terrorbekämpfung hat Buhari die komplette Militärführung entlassenBild: Getty Images/AFP/P. Utomi Ekpei

Strukturelle Herausforderungen

Die Energieengpässe sind ein massives Entwicklungshemmnis in Nigeria. In Washington kursieren Berichte, wonach die Stromerzeugung in den letzten Monaten weiter abgesunken sein soll. Und das trotz Obamas Initiative "Power Africa", mit der er vor zwei Jahren sieben Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt hat, um die Zahl der Stromanschlüsse auf dem afrikanischen Kontinent zu verdoppeln.

Potenzial biete auch die Landwirtschaft, sagt Richard Joseph. "Es gibt so viel ungenutztes Land in Nigeria. Die Produktivität und Modernisierung der Landwirtschaft muss erhöht werden." Angesichts der fortschreitenden Verstädterung Nigerias sei das dringend geboten.

Korruptionsbekämpfung und Menschenrechte

In Washington hat man mit Wohlwollen registriert, dass Präsident Buhari der grassierenden Korruption den Kampf angesagt hat. Das hat auch Unterstaatssekretär Anthony Blinken jüngst bei einem Besuch in Abuja hervorgehoben. Blinken traf in der nigerianischen Hauptstadt auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und betonte, im Kampf gegen die Korruption sehe er eine "vitale Rolle für Bürger und Zivilgesellschaft". Sie könnten dabei helfen, dort Probleme zu lösen, "wo die Regierung dazu alleine nicht in der Lage ist".

Peter Pham, Atlantic Council - Foto: Atlantic Council
Peter Pham: "Erster Schritt zur Erneuerung der Beziehungen"Bild: Atlantic Council

Besorgt ist die Obama-Regierung aber nicht nur über die Korruption, sondern auch über die Menschenrechtssituation in Nigeria. Die Daily Post Nigeria zitiert aus einem Gespräch der US-Unterstaatssekretärin für Afrika, Linda Thomas-Greenfield, in dem sie die Diskriminierung Homosexueller in Nigeria kritisiert: "Neben Uganda hat Nigeria die schlimmsten Gesetze für die schwule Community", sagte sie laut der Zeitung. Die USA, so Thomas-Greenfeld, würden weiter Druck auf die Regierung ausüben, "um diese Gesetze zu ändern und Menschenrechte für alle Nigerianer zu gewährleisten".

Peter Pham, Afrika-Experte des Atlantic Council, unterstützt die Haltung der US-Regierung, warnt aber auch vor Illusionen: "Die USA sollten realistisch sein, weil diese Art von Politik bedauerlicherweise ziemlich populär ist in Nigeria. Wir müssen eingestehen, dass wir wahrscheinlich nicht alles erreichen, was wir gerne wollen."