Niersbach verspricht Antworten
9. November 2015"Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich den Kollegen im Präsidium und anschließend auch den Präsidenten der Landesverbände alle Fragen beantworten kann, Antworten geben kann, die jetzt erwartet werden und die auch die Öffentlichkeit erwartet", sagte Niersbach am Montagvormittag in Frankfurt am Main bei N24: "Und das ist auch richtig so, dass wir uns der ganzen Thematik offensiv stellen."
Niersbach war schon um 9.18 Uhr MEZ in der Verbandszentrale angekommen, um sich auf die außerordentliche Präsidiumssitzung (ab 14.30 Uhr MEZ) und das Treffen mit den Chefs der Landesverbände zwei Stunden später vorzubereiten. Der 64-Jährige musste dabei endlich Antworten auf die zahlreichen ungeklärten Fragen parat haben, der Druck auf Niersbach war immens. Schließlich hatten zahlreiche DFB-Vorstandsmitglieder und viele Politiker laut nach Aufklärung gerufen, Nachfolge-Szenarien, zum Beispiel mit DFB-Vize Rainer Koch oder DFL-Präsident Reinhard Rauball, wurden bereits durchgespielt.
"Ich denke, dass wir in aller Offenheit diskutieren werden", sagte Rauball bei seiner Ankunft vor der DFB-Zentrale. "Ich erwarte eine zwei- bis dreistündige Sitzung. Ja, ich habe Fragen." Nach Angaben eines DFB-Sprechers soll es bereits nach dem ersten Treffen eine Stellungnahme für die Medien geben. Vor der Sitzung gab es keine Anzeichen, dass die Funktionäre Niersbach zum Rücktritt auffordern. "Es gibt Aufklärung, weil wir sie ernst nehmen. Das wird ja manchmal bezweifelt", sagte DFB-Vizepräsident Peter Frymuth.
Zwanziger teilt erneut aus
Niersbachs Amtsvorgänger Theo Zwanziger holte unterdessen erneut zu einem Rundumschlag aus und kündigte die Zusammenarbeit mit den vom DFB bestellten Skandal-Aufklärern auf. Wie Zwanzigers Anwalt am Montag in einem Brief an den DFB mitteilte, begründet der frühere DFB-Präsident dies mit den angeblichen Verbindungen der Kanzlei Freshfields zum ehemaligen FIFA-Funktionär Mohamed bin Hammam und zum Staat Katar. Zwanziger beruft sich in dem Schreiben auf einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Zwanziger wird vom Fußballverband Katars wegen angeblich kritischer Aussagen verklagt. Im Zuge der Ermittlungen um eine dubiose Millionenzahlung vor der WM 2006 in Deutschland hatte Zwanziger den Mitarbeitern der Kanzlei Freshfields vor anderthalb Wochen Dokumente vorgelegt und Fragen beantwortet. Diese Aussagen will Zwanziger nun nicht autorisieren, womit sie für die DFB-Untersuchung nutzlos wären.
Gegen Zwanziger, Niersbach und den früheren DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Zwanziger-Anwalt Hans-Jörg Metz bezeichnete die Vorwürfe gegen seinen Mandaten in diesem Zusammenhang als "Höhepunkt einer Verleumdungskampagne der letzten Tage und Wochen". Es sei geradezu absurd, dass Zwanziger die Steuererklärung mit problematischem Inhalt dem damaligen Generalsekretär Niersbach "untergejubelt" habe.
Metz bezieht sich auf jüngste Medienberichte, die den Schluss nahe legen, dass Zwanziger und der frühere Generalsekretär Horst R. Schmidt den damals neu im Amt befindlichen Generalsekretär Niersbach im Oktober 2007 die längst fertiggestellte Steuererklärung von 2006 - inklusive der dubiosen Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro - unterschreiben ließen. Eben jene Steuererklärung war der Grund für die Razzia am vergangenen Dienstag beim DFB sowie bei Zwanziger, Schmidt und Niersbach. Die Summe der hinterzogenen Steuern könnte sich auf 2,6 Millionen Euro belaufen.
Unterstützung und drängende Fragen
Noch kann Niersbach auf die Unterstützung der Fußball-Bosse zählen. Vor allem der Profibereich stärkte dem früheren Journalisten zuletzt den Rücken. Für Niersbach ging und geht es weiterhin darum, die drängendsten Fragen zu beantworten: Warum lässt die Schlüsselfigur Franz Beckenbauer ihren langjährigen Freund Niersbach im Regen stehen und verweigert die Aufklärung des Skandals? Seit wann weiß Niersbach von der dubiosen Zahlung der 6,7 Millionen Euro, die angeblich an den Weltverband FIFA gegangen sein soll, deren Verwendungszweck aber weiter völlig offen ist? Wohin gingen die 6,7 Millionen Euro am Ende, und war das Sommermärchen vielleicht doch gekauft?
Sollte das Geld - wie von vielen Seiten angedeutet - zum Stimmenkauf nach Asien geflossen sein, wäre der Ruf des DFB schwer beschädigt. Von möglichen Regressforderungen anderer WM-Bewerber ganz abgesehen, wäre die fast schon beschlossene EM-Endrunde 2024 in Deutschland ernsthaft in Gefahr. Trotz der belastenden Situation und anderer Baustellen, wie möglichen Ermittlungen gegen Niersbach durch die FIFA-Ethikkommission, die Einrichtung einer solchen Kommission beim DFB, den Fragen nach den Rollen von Zwanziger, Günter Netzer und dem damaligen Innenminister Otto Schily und der durch den Skandal bedrohten Gemeinnützigkeit des DFB, will Niersbach im Amt bleiben.
asz/ck (sid, dpa)