Neustart für US-iranische Beziehungen?
14. Dezember 2016Es ist der erste Vertrag des Irans mit Boeing seit mehr als 40 Jahren: Teheran kauft 80 Passagierjets für 16,6 Milliarden US-Dollar. "Das ist eine gute Nachricht für die Iraner. Aber auch für die Europäer", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Fereydon Khavand von der Universität Paris im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Nun kann auch Airbus seinen Vertrag mit dem Iran abschließen, ohne sich um Druck aus den USA sorgen zu müssen."
Und tatsächlich: Drei Tage nach dem Iran-Deal von Boeing berichten iranische Medien, dass in den kommenden zwei Wochen der schon lange verhandelte Vertrag zwischen Airbus und Iran-Air unter Dach und Fach sein soll. Airbus habe die Finanzierung für 17 Flugzeuge zugesagt. Bestellt hat der Iran insgesamt 106 Maschinen von Airbus.
1500 Flugunfälle in den letzten 37 Jahren
Nach Angaben des Chefs der iranischen Luftfahrtbehörde braucht das Land in den nächsten zehn Jahren 400 neue Passagierflugzeuge. Damit soll die marode Flugzeugflotte modernisiert werden. Seit 1979 konnte der Iran keine neuen Flugzeuge kaufen. Nach der islamischen Revolution von 1979 und der Besetzung der US-Botschaft in Teheran steht der Iran unter einem Handelsembargo der Vereinigten Staaten. Nicht einmal die Lieferung von Ersatzteilen war erlaubt. Weil aber auch in den Flugzeugen des europäischen Unternehmens Airbus amerikanische Technik steckt, war der Kauf von neuen Airbus-Maschinen verboten.
Einige wenige brauchbare Flugzeuge wurden für Langstrecken-Flüge außerhalb des Landes eingesetzt. Kurzstrecken-Flüge haben sich aber zum Albtraum vieler Iraner entwickelt. In den letzten 37 Jahren kam es zu mehr als 1500 Flugunfällen - meistens mit dramatischen Folgen. Zuletzt im August 2014: Bei einem Flugunglück in der Hauptstadt Teheran sind mindestens 38 Menschen gestorben. Die Maschine stürzte kurz nach dem Start in unmittelbarer Nähe des Flughafens ab - nur 500 Meter entfernt von einem belebten Markt und einer befahrenen Straße.
Die Unglücksmaschine war eine Turboprop AN140. Die wird im Iran mit ukrainischer Technologie gebaut - mit einer Lizenz aus Kiew. Bis jetzt wurden sieben Maschinen dieses Typs produziert, vier davon sind abgestürzt. Der reformorientierte Präsident Hassan Rohani hatte im Wahlkampf versprochen, eine Lösung für dieses Problem zu finden. Im Rahmen der Verhandlungen über das iranische Atomprogramm kam die US-Regierung dem Iran entgegen und erlaubte dem Land den Kauf neuer Passagierflugzeuge.
Geschäfte im Schatten des Sanktionsgesetzes
Nach dem erfolgreichen Atomabkommen mit der Gruppe 5+1 verhandelte der Iran mit Boeing und Airbus gleichzeitig. Bereits Anfang 2016 wurde ein Deal mit Airbus vereinbart. Der brauchte aber die Zustimmung des US-Finanzministeriums, weil mindestens zehn Prozent der Technik aus den USA kommen.
Die Mitteilung auf der Boeing-Webseite, dass der Iran-Deal in den nächsten zehn Jahren 100.000 neue Arbeitsplätze in den USA schaffen soll, ärgert die Hardliner im Iran: "Unsere jungen Leute brauchen Arbeitsplätze. Die Regierung muss die Arbeitslosigkeit im Iran bekämpfen. Wir haben größere Probleme, als neue Flugzeuge zu kaufen", schimpft Hossein Shariatmadari, Chefredakteur der konservativen Zeitung Keyhan und Berater des religiösen Führers Ayatollah Khamenei.
Was die Hardliner besonders wütend macht: Der Boeing-Deal kam zustande, nachdem der Senat in Washington das Sanktionsgesetz gegen den Iran um weitere zehn Jahre verlängert hat. Die Begründung: Versäumnisse Teherans im Bereich der Menschenrechte und die Unterstützung des Terrorismus. Die Einmischung des Irans im Irak sowie Teherans Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien sollten bestraft werden. Gleichzeitig beschuldigt Israel den Iran, Passagierflugzeuge für Waffenlieferungen an die Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon zu benutzen.
Widersprüchliche Äußerungen von Trump
"Der Senat wollte einen Schritt weiter sein als der nächste Präsident. Die Verlängerung der Sanktionen gegen den Iran verunsichert die europäischen Partner und macht die Geschäfte mit dem Iran komplizierter", erläutert Mehrdad Emadi im Gespräch mit der DW. Der Ökonom stammt aus dem Iran, arbeitet in London für das Beratungsunternehmen Betamatrix und berät auch die EU-Kommission.
Das ist Wasser auf den Mühlen der Atomdeal-Gegner im Iran: Am 13. Dezember schreibt Keyhan-Chefredakteur Hossein Shariatmadari in einem Leitartikel: "Die Amerikaner haben uns reingelegt, wir haben das Atomprogramm umsonst aufgegeben." Die Regierung Rohani wird als "Versager" bezeichnet. Keyhan wirft ihr eine bewusste Täuschung der Bevölkerung vor. Die Hardliner fragen, warum man ausgerechnet jetzt mit Boeing Geschäfte mache, "von denen allein die Amerikaner profitieren". Die 1500 Flugunfälle in den letzten 37 Jahren erwähnen sie dabei nicht.
Wie der künftige US-Präsident Donald Trump zu Geschäften mit dem Iran stehe, könne niemand wissen, meint Fereydon Khavand von der Universität Paris. Das Verhältnis zum Iran sei vielseitig und kompliziert. "Der Vertrag mit Boeing wurde unter Barack Obama unterzeichnet. Also gehen die neuen Arbeitsplätze auf sein Konto." Trumps Äußerungen im Wahlkampf waren widersprüchlich. Einerseits hat er angekündigt, den Atomdeal mit dem Iran sofort platzen zu lassen. Andererseits hat er sich beschwert, dass nach der Aufhebung der Sanktionen nur die Europäer Flugzeuge an den Iran verkauften. Doch auch das hat sich inzwischen geändert.