1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Neuseeland: Bizarrer Einreisestreit beigelegt

1. Februar 2022

Ausgerechnet die Taliban hatten ihr Zuflucht geboten: Die Journalistin Charlotte Bellis darf nun doch in ihre Heimat Neuseeland einreisen. Restriktive Corona-Regeln hatten das der Schwangeren bislang unmöglich gemacht.

https://p.dw.com/p/46ME9
Afghanistan | Charlotte Bellis und Jim Huylebroek
Will zurück nach Neuseeland, Charlotte Bellis mit ihrem Lebensgefährten Jim Huylebroek in KabulBild: Charlotte Bellis/AP Photo/picture alliance

Vorausgegangen war der Einreiseerlaubnis ein öffentlich ausgetragener Streit zwischen der 35-jährigen Journalistin und den Behörden ihres Heimatlandes. Nach eigenen Angaben hat Charlotte Bellis 59 Dokumente an die neuseeländischen Behörden geschickt, inklusive Impfnachweisen und Nachweisen über die Schwangerschaft – aber sie hätten ihren Antrag auf Rückkehr im Notfall zunächst abgelehnt.

"Ermessensspielraum" genutzt

Der für COVID-19-Angelegenheiten zuständige Minister Chris Hipkins betonte ausdrücklich, dass es im Rückehrsystem Platz für Menschen in besonderen Notlagen gebe. Bellis habe aber zu einem bestimmten Termin zurückkehren wollen. Die Anforderung, dass bei einer Notfallrückkehr die Einreise binnen zwei Wochen erfolgen müsse, habe Bellis nicht beachtet. Bei ihrem Antrag habe sie angegeben, nicht vor Ende Februar einreisen zu wollen.

Nachdem Bellis öffentlich über ihre Schwierigkeiten berichtet und auch Anwälte eingeschaltet hatte, wurde sie nach eigenen Angaben von den neuseeländischen Behörden kontaktiert. Die für das Quarantänesystem bei der Einreise zuständigen Behörden teilten mit, sie hätten Bellis geraten, einen weiteren Antrag zu stellen. Dabei habe man einen "Ermessensspielraum" genutzt, um die Einreise zu gewähren.

Wie Charlotte Bellis mitteilte, wird sie im März nach Neuseeland zurückkehren, um dort ihre Tochter zur Welt zu bringen. Neuseelands Vize-Regierungschef Grant Robertson betonte, Bellis habe die Genehmigung nach einer Überprüfung ihres Falls erhalten - nicht wegen der großen medialen Aufmerksamkeit, die dieser erregt habe.

Ausgerechnet - die Taliban frauenfreundlich?

Die Journalistin Bellis hatte lange für arabischen Nachrichtensender Al-Jazeera aus Afghanistan berichtet und war nach der Machtübernahme der Taliban zur Sendezentrale nach Katar ausgereist. Dort wurde bekannt, dass sie schwanger ist.

Da Schwangerschaften für unverheiratete Frauen in Katar verboten sind, habe sie ihre Rückkehr nach Neuseeland vorbereitet, hatte Bellis mittgeteilt. Nach der Ablehnung ihres Antrags habe sie sich in ihrer Not an ranghohe Taliban-Vertreter gewandt, da ihr Partner, der Vater des ungeborenen Kindes, ein belgischer Fotograf, in Afghanistan arbeite. Außerdem sei Afghanistan das einzige Land, für das sie  beide ein Visum hätten. Die Taliban hätten ihr daraufhin angeboten, zur Entbindung in das Land zu kommen. Sie hätten "überraschend positiv" reagiert: "Sag den Leuten einfach, dass du verheiratet bist, und wenn es eskaliert, ruf uns an", hätten die Islamisten sie beruhigt.

In einem Meinungsbeitrag für die Zeitung "New Zealand Herald" schrieb Bellis: "Wenn die Taliban einer schwangeren, unverheirateten Frau einen sicheren Zufluchtsort anbieten, wissen Sie, dass die Lage verkorkst ist."

Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern
Premierministerin Jacinda Ardern gilt eigentlich als Feministin: Als erste Regierungschefin brachte sie ihr Baby mit in die UN-GeneralversammlungBild: Robert Kitchin/Pool Photo via AP/picture alliance

Bellis hatte im vergangenen Jahr für Al-Jazeera über die Machtübernahme der Taliban berichtet und dabei internationale Aufmerksamkeit erlangt, als sie Taliban-Führer über ihre Behandlung von Frauen und Kindern interviewte. Nach Erkenntnissen von Menschenrechtlern hat die Taliban-Herrschaft katastrophale Auswirkungen auf das Leben von Mädchen und Frauen. Die radikalislamischen Machthaber haben die Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten sowie die Bewegungsfreiheit der weiblichen Bevölkerung massiv eingeschränkt.

Neuseeland stemmt sich mit Abschottung gegen das Virus

Neuseeland verfolgt eine restriktive Corona-Politik bei einer im internationalen Vergleich sehr geringen Fallzahl. Unter rund fünf Millionen Einwohnern gab es laut WHO bislang rund 15.600 registrierte Fälle, 52 Menschen starben in Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung.

Der Inselstaat hat sich seit März 2020 weitgehend von der Außenwelt abgeschottet. Pläne, die Einreise für zurückkehrende Staatsangehörige zu erleichtern, hatte die Regierung angesichts der Ausbreitung der hochinfektiösen Omikron-Variante vor kurzem aufgegeben. Stattdessen sind die Grenzen für alle wieder dicht, die keine Buchung in einer staatlichen Quarantäneeinrichtung, kurz MIQ, nachweisen können. Tausende Neuseeländer, die zurückkehren wollen, konkurrieren um die begrenzten MIQ-Plätze. Ausnahmen gibt es nur für Notfälle.

qu/ehl (afp, ap)