Reformationsgeschichte auf neue Weise erzählen
15. Juli 2013"Es wär' alles nicht so schwer, wenn es etwas leichter wär." Diese Binsenweisheit trifft sehr gut auf das katholisch-evangelische Verhältnis und den ausgesprochen zähen Prozess der Annäherung beider Konfessionen zu – und konkret auf die Frage, wie der 500. Jahrestag der Spaltung gemeinsam angemessen begangen werden kann. Die evangelischen Kirchen bereiten schon seit 2008 dieses Jubiläum inhaltlich und logistisch vor, damit dann 2017 alles gut ablaufen und nachwirken soll.
Zur Erinnerung: Am 31. Oktober 1517 hatte der katholische Mönch Martin Luther in Wittenberg 95 Thesen veröffentlicht. Die sollten Diskussionsgrundlage für eine Reform der abendländischen Kirche sein, führten jedoch zu deren Spaltung. Entstanden ist daraufhin letztlich die evangelische Kirche. Über die Jahrhunderte folgten Anfeindungen, religiös motivierte Gewalt, Religionskriege und gegenseitige Verdammungen. Erst die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte sichtbare Schritte des Aufeinanderzugehens. Die katholisch-evangelische Ökumene nahm Fahrt auf, ohne allerdings etliche gravierende unterschiedliche Lehrmeinungen beseitigen zu können.
Keinen Grund zum Feiern
Heute lassen Vertreter der katholischen Kirche auf nationaler wie internationaler Ebene keinen Zweifel daran, dass 500 Jahre Reformation für sie kein Grund zum Feiern sind. So betont Bischof Gerhard Feige, Vorsitzender der Ökumene-Kommission der katholischen Deutschen Bischofskonferenz: "Wir sind schon seit einiger Zeit eingeladen worden mitzufeiern, aber wir stellen auch die Frage: Was wird da eigentlich gefeiert? Wir verbinden ja auch Tragisches mit der ganzen Entwicklung, die durch die Reformation ausgelöst worden ist. Welchen Charakter werden die Veranstaltungen annehmen und worin könnte ein gemeinsamer Zugang bestehen?"
Neuer Schritt zur Annäherung
Nun soll ein Dokument mit dem bezeichnenden Titel: "Vom Konflikt zur Gemeinschaft" dazu beitragen, solche Vorbehalte abzubauen. Der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen und der Lutherische Weltbund haben drei Jahre lang gemeinsam daran gearbeitet.
Es handelt sich dabei - das betonen die Autoren - nicht um eine für beide Seiten lehramtlich verbindliche Erklärung, sondern um ein Studiendokument, das die Geschichte der Reformation auf "neue Weise" erzählt. Im 100-seitigen Text heißt es, er solle zur "Heilung" schmerzvoller Erinnerungen beitragen und die Einheit fördern. Im Licht der Ökumene könnten "Katholiken heute Martin Luthers Reformanliegen würdigen und sie mit größerer Offenheit betrachten, als dies früher möglich schien".
In fünf Teilen wird die Reformationsgeschichte gemeinsam dargestellt. Das Dokument legt Wert darauf festzuhalten, dass erstmals ein ökumenisches "Gedenken" ansteht und hinterfragt den Begriff "Jubiläum".
Weiter betont das Papier, dass die katholische Luther-Forschung inzwischen auch anerkenne, dass es nicht Luthers Absicht war, die Kirche zu spalten, sondern zu reformieren. Erinnert wird zudem an die ökumenische Öffnung der katholischen Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Vor allem aber präsentiert das Dokument einen historischen Aufriss der Reformation und der katholischen Antwort darauf. Die zentralen Themen der Theologie Luthers werden dargestellt "im Licht der lutherisch/römisch-katholischen Dialoge" der vergangenen Jahrzehnte. Dabei werden die erreichten Gemeinsamkeiten und die verbleibenden Unterschiede herausgearbeitet.
Zum Schluss geht es um das Bekennen von gegenseitigem Fehlverhalten, um Schuld und Sünde. Beide Seiten hätten allen Grund zu bedauern, wie im 16. Jahrhundert die Debatten geführt worden sind.
Lob und Kritik
Dass die Vertreter der beiden großen Kirchen im Land der Reformation dieses Papier begrüßen würden, war nicht überraschend. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, erwartet von dem neuen Dokument zum Reformationsgedenken Impulse, die auch die Kirchen hierzulande in der Ökumene weiterbringen können. Es wecke große Erwartungen.
Neben dem obligatorischen Lob, kritisiert Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, aber auch, dass die Errungenschaften der Reformation nicht genügend gewürdigt werden.
Der in Wien lehrende evangelische Theologieprofessor Ulrich Körtner ist zwar der Ansicht, dass der lutherisch-katholische Text sich um eine gemeinsame Darstellung der Theologie Martin Luthers und eine gemeinsame Erzählung der Reformation bemüht. Dies geschehe allerdings um den Preis einer "weichgespülten Lesart" reformatorischer Theologie. Alle historischen Konflikte würden zu "unglücklichen Missverständnissen und menschlichen Versäumnissen" abgeschwächt.
Nikolaus Schneiders Kritik geht aber auch in Richtung Lutheraner: Sie seien nicht die einzige Kirche, die im Zuge der Reformation entstanden ist - das hätte von vornherein berücksichtigt werden müssen. Er habe keine Probleme damit, wenn der Lutherische Weltbund stellvertretend für die anderen reformatorischen Kirchen rede und verhandele, "aber dann müsste man überlegen, wie die anderen im Vorfeld bereits mit einbezogen werden. Es wird dem erreichten Stand von innerprotestantischer Ökumene nach meiner Einschätzung nicht gerecht, wenn man so vorgeht."
Zum Dokument scheint es also noch einiges an Gesprächsbedarf zu geben. Ob und wie sich das alles auf das Gedenken und Feiern des 500-jährigen Reformationsjubiläums in vier Jahren auswirkt, lässt sich jedoch nicht sagen. Fest steht unterdessen nur, dass es das Dokument "Vom Konflikt zur Gemeinschaft" als Diskussionsgrundlage gibt – ein Programm ist es noch nicht.