Neue Wege bei den Burschenschaften
23. Mai 2013Der Burschentag ist einer der wichtigsten Termine für deutsche Verbindungsbrüder: Einmal jählich wird auf der Wartburg über die Ausrichtung der Burschenschaft debattiert. Mit dabei sind rund 400 Burschen und sogenannte "Alte Herren" - also Ehemalige, die die Verbindung nach ihrer aktiven Zeit lebenslang finanziell unterstützen, den Jüngeren beim Start ins Berufsleben helfen oder Vorträge halten.
Zusammensitzen, gefördert werden, unmäßig trinken, deftig essen, ungezwungen feiern - das klingt für viele Abiturienten erst einmal gut. In einer fremden Stadt finden Erstsemester so auch gleich sozialen Anschluss. Und nicht zuletzt unterhalten die Burschenschaften in vielen deutschen Städten prunkvolle Verbindungshäuser, in denen Mitglieder nur wenig Miete zahlen.
Weniger gut klingen jedoch die Schlagzeilen, die die Burschenschaften vor genau einem Jahr machten: Der Dachverband der Deutschen Burschenschaft soll damals über den Ausschluss von Studenten mit Migrationshintergrund beraten haben. Der Vorschlag ging unter dem Schlagwort "Ariernachweis" in die Presseberichterstattung ein. Später distanzierten sich die Burschenschaften zwar von dieser Terminologie, die unverhohlen ans Dritte Reich erinnert. Der Gedanke dahinter war allerdings längst nicht vom Tisch. Haften blieb der erneute Vorwurf der rechtsradikalen Gesinnung, und über 25 aktive Bünde sind im letzten Jahr aus der Deutschen Burschenschaft ausgetreten. Mit umso mehr Spannung war der diesjährige Burschentag erwartet worden.
Spagat zwischen Tradition und Moderne
Die heutigen Burschenschaften stehen immernoch in der Tradition der sogenannten Urburschenschaft, die sich 1815 in Jena gründete. Ziel der Gründung war es, sich politisch zu engagieren und vor allem die Etablierung eines deutschen Staates zu unterstützen. Die Verbindungsfarben dieser Urburschenschaft waren schwarz, rot und gold - und die wurden später zu den Nationalfarben. Der Vaterlandsbegriff und die damit verbundene Identifikation mit der deutschen Herkunft sind auch heute noch wichtige Bestandteile des Verbindungslebens.
Der offen praktizierte Patriotismus in den Burschenschaften zieht immer wieder Studenten mit rechtsradikalen oder nationalistischen Gedankengut an. In der Vergangenheit gab es verstärkt umstrittene Äußerungen von Burschenschaftlern, wie die des ehemaligen Chefredakteurs der "Burschenschaftlichen Blätter", Norbert Weidner, der den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als Landesverräter bezeichnete.
Die Politologin Alexandra Kurth sieht die Verbindung von Tradition und Moderne in Burschenschaften als schwierig an. "Diese studentischen Organisationsformen sind teilweise aus den Ständegesellschaften heraus entstanden. Sie sind im Kern Organisationen, in denen es meistens darum ging, Privilegien von einer Minderheit in der Gesellschaft zu sichern - nämlich von akademisch gebildeten, weißen Männern." Durch den Wandel der Gesellschaft hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit, durch internationalen Austausch und durch die Förderung von Migranten sehen sich die Burschenschaften in ihrer Existenz bedroht. Man könnte von einer Sinnkrise sprechen; die Deutsche Burschenschaft ist in sich tief gespalten.
Zukunftsvisionen ausarbeiten
Die Bonner Burschenschaft Marchia hat gemeinsam mit 40 anderen Burschenschaften, die nicht dem Verband "Deutschen Burschenschaft" angehören, bereits im März 2013 über die Gründung eines neuen Dachverbandes diskutiert. Doch erst einmal müssen die vielfältigen Burschenschaften eine gemeinsame Basis finden.
Von den Aufnahmekriterien bis hin zur Auslegung der Grundprinzipien gibt es viele Unterschiede. "Wir wollen uns verstärkt auf hochschulpolitische und soziale Themen konzentrieren. Wir werden etwas ausarbeiten, dass sich Burschenschaften vor Ort wieder für soziale Aspekte engagieren", sagt Peter Gelbach, der Vorsitzende des Altherrenvereins der Bonner Marchia, "und dass wir Burschenschaften uns wieder mehr als Erziehungs- und Wertegemeinschaft sehen und nicht als politische Gemeinschaft."
Doch ohne die Aufarbeitung des eigenen politischen Erbes - auch zu Zeiten des Nationalsozialismus - werden es die Burschenschaften schwer haben, ihr Imageproblem dauerhaft zu bewältigen.