1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neue Terrordrohung gegen Deutschland

20. September 2009

Angesichts der jüngsten islamistischen Terrordrohungen sind in Deutschland die Sicherheitsvorkehrungen deutlich verstärkt worden. Experten und Politiker betonen den Ernst der Lage, warnen aber vor Panikmache.

https://p.dw.com/p/Jkco
Polizisten mit Maschinenpistole und Schutzweste
Mit Schutzweste und Maschinenpistole auf PatrouilleBild: picture-alliance / dpa

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage ist ein an Deutschland gerichtetes Video der Terrororganisation El Kaida im Internet aufgetaucht. Die deutschen Sicherheitskräfte nehmen die beiden neuen Drohvideos gegen Deutschland nach Angaben von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ernst. "Wir müssen diese Drohungen ernst nehmen. Sie sind durch Hinweise von Nachrichtendiensten bestätigt", sagte Schäuble der Montagsausgabe der "Leipziger Volkszeitung" (21.09.2009). "Deswegen haben wir seit geraumer Zeit mit Bund und Ländern, ohne zu sehr zu dramatisieren, die Wachsamkeit hochgefahren." Die Bundesregierung werde "das Menschenmögliche tun", um Attentate zu verhindern, versicherte Schäuble. Laut BKA ist in der Botschaft aber keine konkrete Anschlagsdrohung enthalten. In dem neuen Video sei ein Standbild des in Bonn aufgewachsenen Islamisten Bekkay Harrach mit verhülltem Gesicht zu sehen.

Deutschland wird mit "bösem Erwachen" gedroht

Erst am Freitag war ein Drohvideo des deutschen Islamisten marokkanischer Herkunft bekannt geworden. Darin hatte Harrach Deutschland mit einem "bösen Erwachen" gedroht, sollten sich die Wähler bei der Bundestagswahl am 27. September nicht für einen Politikwechsel entscheiden.

Ein Polizist mit Schutzweste am Frankfurter Flughafen (Foto: AP)
Flughäfen und Bahnhöfe gelten als besonders gefährdetBild: AP

Wegen erhöhter Terrorgefahr im Umfeld der Bundestagswahl waren die Sicherheitsvorkehrungen am Freitag deutlich vestärkt worden. An Flughäfen und Bahnhöfen patroullieren Bundespolizisten mit Schutzwesten und Maschinenpistolen. In den kommenden Tagen sollen die Maßnahmen von Bund und Ländern weiter ausgeweitet werden. Die Planungen für den verstärkten Polizeieinsatz habe es aber schon vor dem neuen Drohvideo vom Freitag gegeben, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Die Bundestagswahl biete einen besonderen Ansatz für "propagandistische und operative Handlungen terroristischer Gruppierungen". Demnach bestätige das Video die Bundesregierung in ihrer Einschätzung, dass Deutschland vom islamistischen Terrorismus bedroht sei.

"Video soll Schrecken verbreiten"

Mehrere Innenpolitik- und Terrorismus-Experten stuften die Videobotschaft vom Freitag als sehr ernstzunehmend ein. "Wir haben so etwas immer für denkbar gehalten und jetzt trifft das ein", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz. Eine erhöhte Wachsamkeit sei geboten. Zugleich gehe es aber nicht um Panikmache. "Wir werden das Menschenmögliche tun, um solche Warnungen letztlich ins Leere laufen zu lassen." Der SPD-Innenexperte erklärte weiter, durch solche Drohungen lasse sich die deutsche Politik in ihrer Afghanistan-Politik in keiner Weise beeinflussen. "Wir lassen uns nicht hinbomben in eine bestimmte Richtung".

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann betonte im Deutschlandfunk, mit solchen Videos solle "Politik gemacht werden, da soll Schrecken in der deutschen Bevölkerung verbreitet werden". Man könne nicht jeden Quadratmeter in Deutschland rund um die Uhr überwachen, sagte Herrmann, sondern müsse Schwerpunkte bei den Sicherheitsvorkehrungen setzen. Aufgrund des bisherigen Agierens der Islamisten seien das zum Beispiel Bahnhöfe. Dort sei die Bundespolizei verstärkt präsent. Er betonte, dass es keine konkreten Drohungen gegen bestimmte Ziele gebe, auch nicht gegen das Oktoberfest, das am Samstag in München begonnen hat.

Experte: Konkrete Angaben setzen El Kaida unter Druck

Polizisten auf Streife beim Münchner Oktoberfest (Foto: dpa)
Verstärkter Polizeieinsatz beim Münchner OktoberfestBild: picture-alliance / dpa

Der Terror-Experte Georg Thamm warnte, man dürfe das Augenmerk nicht nur auf mögliche Anschläge in Deutschland legen, am stärksten gefährdet seien nach wie vor Deutsche im Ausland, insbesondere Bundeswehrsoldaten und deutsche Entwicklungshelfer in der Hindukusch-Region.

Der Terrorismus-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik sagte in Berlin, es sei "äußerst beunruhigend", dass in dem Video vom Freitag ein konkreter Zeitrahmen genannt werde. Das habe es in vorherigen Botschaften noch nicht gegeben. Mit dieser präzisen Ankündigung, so Steinberg, setze Bekkay Harrach El Kaida unter Druck und auch die eigene Ehre aufs Spiel. "Wenn kein Anschlag folgt, dann werden solche Terrorvideos gar nicht mehr ernst genommen."

Der mutmaßliche El Kaida-Terrorist Bekkay Harrach (Foto: AP)
Ungewöhnliches Auftreten im jüngsten Drohvideo: Bekkay HarrachBild: AP

Zeitrahmen für Anschlagsdrohung

In dem Video vom Freitag fordert der aus Bonn stammende Islamist Bekkay Harrach den sofortigen Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan. Den Muslimen in Deutschland rät der 32-jährige in dem Video, sich zwei Wochen nach der Wahl aus der Öffentlichkeit fernzuhalten. Der Deutsche marokkanischer Herkunft trat seit Anfang 2009 bereits in zwei früheren gegen Deutschland gerichteten Videos auf.

Über den aktuellen Aufenthaltsort von Harrach, der sich selbst "Abu Talha, der Deutsche" nennt, gibt es keine gesicherten Angaben. Zuletzt wurde er im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet vermutet. In dem Video war er in Anzug und Krawatte aufgetreten - für einen mutmaßlichen El-Kaida-Terroristen recht ungewöhnlich. Nach Meinung des Terrorismus-Experten Steinberg will Harrach damit suggerieren, dass er sich möglicherweise nicht mehr in Pakistan aufhalte, sondern auf dem Weg nach Deutschland oder sogar schon dort sei. (fg/kis/hf/dpa/afp/rtr/ap)