Synagoge Speyer
9. November 2011"Wir sind wieder hier und möchten uns vor niemandem verstecken", sagt Daniel Nemirovski. Der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde der Rheinpfalz, die 650 Juden aus Speyer und der Umgebung betreut, führt zur neuen Synagoge. Hier auf dem Weidenberg, unweit des Hauptbahnhofs, existierte bis 1991 das katholische St. Guido-Stift. Nachdem es geschlossen wurde, ereilte 1996 die angrenzende Kirche das gleiche Schicksal. Im gleichen Jahr gründeten neu zugewanderte Juden einen Kulturverein. Für Juden in Speyer baute der Frankfurter Architekt Alfred Jacoby die verwaiste Kirche um zu einer Synagoge. Er findet es "besonders reizvoll", jüdisches Leben hier "hineinzustellen". "Mein Entwurf nimmt Bezug auf die christliche Geschichte Speyers."
Koscherer Weg für Nachfahren der Priester
Aber diese Geschichte stellte die jüdische Kultusgemeinde vor ein theologisches Problem. "Wir vermuteten, dass hier früher Begräbnisse stattfanden", erläutert Nemirovski. "Früher war es bei Christen üblich, ihre Toten direkt neben der Kirche zu begraben", sagt Rabbiner Zeev-Wolf Rubins, der die Speyerer Kultusgemeinde betreut. "Ich machte mir große Sorgen um die 'Cohanim'." Diese jüdischen Nachfahren der Priester im Tempel von Jerusalem müssen rein bleiben und Abstand von Verstorbenen halten. Daher dürfen sie keinen Friedhof betreten, auch keinen jüdischen. Sie selbst werden in abgesonderten Feldern begraben.
Nach sorgfältiger Prüfung wurde der Weg, der zur Synagoge hinunterführt, für koscher erklärt, weil die Räumung der Gräber nachgewiesen werden konnte. "Ein großer Fels trennt einen anderen Weg von jeglichen menschlichen Überresten", fügt Rabbiner Rubins hinzu.
Schwieriges Gemeindleben
Bisher beteten die wenigen Speyerer Juden, die der Kultusgemeinde angehören, in einem städtischen Bürohaus. "Wir trafen uns dort zweimal im Monat, am Freitagabend und am Samstagmorgen. An zwei Samstagen fand das Gebet in Ludwigshafen", berichtet Vize-Vorstandsvorsitzender Georgij Aschkenasi. "Nur wenige der fast 80 Mitglieder kommen zum Gottesdienst, denn viele Männer bei uns sind alt und krank. Rabbiner Rubins besucht sie jeden Donnerstag und an manchen jüdischen Feiertagen." Durch die neue Synagoge erhofft sich Aschkenasi einen stabilen Minjan, das sind zehn mündige jüdische Männer für einen orthodoxen Gottesdienst. Denn die meisten Mitglieder der Gemeinde Rheinpfalz wohnen außerhalb von Speyer.
Streit um das "Haus der Friedens“
Auch der Verein 'Jüdische Gemeinde Speyer' würde gern seine Gottesdienste in der neuen Synagoge abhalten. Dessen Vorsitzende, Juliana Korovai, erinnert daran, dass ihr Verein schon 1998 ein ähnliches Synagogenbau-Projekt vorantreiben wollte:
"Wir hoffen sehr, dass diese Synagoge für uns offen bleibt", sagt sie. "Wir haben schon Differenzen in religiösen Sachen. Die Gemeinde ist uns nicht religiös genug". Peter Waldmann, Landesvorsitzende der Jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz, spricht hingegen von "Korovais Luftgemeinde", die er niemals besuchen durfte. Geschäftsführer Nemirovski betont allerdings, die Synagoge sei für alle Juden offen, die zum Gebet kommen - und an den Gemeindeaktivitäten teilnehmen möchten, auch Nichtjuden. Als Zeichen der Versöhnung soll das neue jüdische Gotteshaus "Beith Shalom" heißen. Diese hebräischen Worte bedeuten soviel wie "Haus des Friedens". Allerdings: Eigene Räumlichkeiten will Nemirovski dem Verein in der neuen Synagoge nicht geben.
Weltkulturerbe mit jüdischen Spuren
Die Stadt Speyer setzt sich seit Jahren für den Erhalten der außerordentlichen Spuren jüdischer Geschichte ein. Das 2010 eingeweihte Jüdische Museum neben dem restaurierten mittelalterlichen "Judenhof" ist bereits eine Touristenattraktion. Die Stadt trägt auch ein Drittel der Baukosten der neuen Synagoge von insgesamt dreieinhalb Millionen Euro. Die jüdische Kultusgemeinde, die ihre Verwaltung ins neue Gebäude verlegt, und das Land Rheinland-Pfalz übernehmen ebenfalls jeweils ein Drittel.
Doch nicht nur diese neue Synagoge lässt die Juden Speyers hoffnungsfroh in die Zukunft blicken. Da ist außerdem die besondere jüdische Geschichte, die sich in der Ruine der 1938 von den Nationalsozialisten zerstörten alten Synagoge widerspiegelt. Da ist das komplett erhaltene jüdische Ritualbad, die Mikwe, das schon bald wieder seine ursprüngliche Funktion wieder bekommen soll. Beide stammen aus dem 12. Jahrhundert. Im Herbst 2012 sollen sich Speyer, Mainz und Worms, die im Mittelalter die wichtigsten Zentren jüdischen Lebens in Deutschland waren, mit ihrem jüdischen Erbe für das UNESCO-Welterbe bewerben. Das macht alle Speyerer ein wenig stolz und sie hoffen, dass diese Initiative nicht von einem inner-jüdische Streit gefährdet wird.
Autor: Igal Avidan
Redaktion: Klaus Krämer