Neue Signale in Irans Außenpolitik
9. September 2013Der neue iranische Präsident Hassan Rohani hatte im Wahlkampf und auch in seiner Antrittsrede vor dem Parlament der Lösung der Wirtschaftsprobleme des Landes oberste Priorität eingeräumt. Gleichzeitig kündigte er an, sich um ein besseres Verhältnis zum Westen bemühen zu wollen, dessen Sanktionen sich lähmend auf die Wirtschaft des Gottesstaates auswirken.
Neben dem Atomstreit war ein Haupthindernis auf dem Weg zu verbesserten Beziehungen die anti-israelische Rhetorik des Vorgängers Rohanis, Ahmadineschad. Dieser hatte sich durch seine Ausfälle gegen Israel und die Verleugnung des Holocausts als historisches Faktum auf UN-Vollversammlungen regelmäßig ins Abseits manövriert.
Dieses Paria-Image will die neue iranische Führung jetzt offenbar abschütteln und neue, versöhnliche Signale aussenden. Vergangene Woche (04.09.2013) sorgte eine angebliche Twitter-Botschaft Rohanis für Aufsehen, in der er "allen Juden, und insbesondere den Juden im Iran“ ein "gesegnetes jüdisches Neujahrsfest" Rosh Hashanah wünschte. Später allerdings dementierte der höchste Berater Rohanis die Meldung und die Existenz eines Twitter-Accounts von Rohani.
"Holocaust niemals bestritten"
Nicht dementiert wurden jedoch die Neujahrswünsche an die Juden, die der neue Außenminister Dschawad Sarif am folgenden Tag in sozialen Netzwerken und gegenüber dem Nachrichtenportal Tasnim aussandte. Er verband die Grüße mit der Feststellung, dass der "Iran den Holocaust niemals bestritten" habe, sondern das "Massaker an den Juden durch die Nationalsozialisten" verurteile.
Als ein weiteres Zeichen für die neue verbindliche Linie Teherans sehen Beobachter auch, dass die Atomverhandlungen mit dem Westen künftig in die Zuständigkeit des Außenministeriums und damit von Dschawad Sarif fallen. Bislang war dafür der Nationale Sicherheitsrat unter Saeed Dschalili zuständig.
"Die Entscheidung Rohanis, das Atomdossier dem Außenministerium zu übergeben, zeigt, dass die neue Regierung einen neuen Weg im Atomkonflikt mit dem Westen einschlagen möchte", sagte Reza Taghizadeh, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität von Glasgow, zur Deutschen Welle. In der Vergangenheit hätten bei den Atomgesprächen stets die Sicherheitsinteressen des Iran im Vordergrund gestanden. Die neue Regierung unter Rohani werde dagegen ihren Fokus bei den Verhandlungen in erster Linie auf politische und wirtschaftliche Fragen legen, so Taghizadeh.
Iran will Ergebnisse erzielen
Noch im September will die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton mit Sarif am Rande der UN-Vollversammlung zusammentreffen, um die Chancen für neue Fünf-plus-eins-Verhandlungen zu erörtern. Dabei ist allen Beteiligten klar: Ein amerikanischer Militärschlag gegen das Regime in Syrien würde alle diplomatischen Pläne durcheinanderwirbeln.
Sarif war unter den beiden Ex-Präsidenten Rafsandschani und Chatami Vize-Außenminister und anschließend von 2002 bis 2007 UN-Botschafter. In seiner Zeit bei den UN in New York traf er mehrmals zu inoffiziellen Treffen mit US-Diplomaten zusammen, um Chancen für eine Normalisierung der bilateralen Beziehungen auszuloten.
Der Wechsel in der Federführung bei den festgefahrenen Atomverhandlungen biete Chancen für einen Neuanfang, meint Reza Taghizadeh: "Die Verhandlungen werden nicht einfach werden, denn der Iran will sein Atomprogramm als solches nicht aufgeben." Aber die neue Regierung sei entschlossen, durch Diplomatie eine Lockerung der Sanktionen zu erreichen. "Das lässt hoffen, dass die Gespräche erfolgreicher als in der Vergangenheit sein werden", so der in Glasgow lehrende Politologe.
"Jetzt geht es um das Überleben des Systems"
Der neue Außenminister Sarif gelte als jemand, "der es versteht, die außenpolitischen Vorstellungen des obersten geistlichen Führers Ayatollah Ali Chamenei in einer diplomatischen Sprache zu verpacken", so der in Berlin lebende politische Experte Mehran Barati im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Frage ist natürlich, was genau die Vorstellungen Chameneis sind, der in der Atompolitik des Iran nach wie vor das letzte Wort hat.
Mehran Barati ist hier optimistisch: Die katastrophale wirtschaftliche Lage habe die Führer der Islamischen Republik dazu bewogen, einen neuen Weg im Atomstreit einzuschlagen, um das Überleben des Systems zu sichern. Bislang habe der Iran mit einem Atomprogramm versucht, seinen Status als eine regionale Hegemonialmacht auszubauen. "Es scheint, als habe der Iran nun umgedacht", so Barati. "Die Chancen, dass Rohani und Sarif es schaffen, eine friedliche Beilegung des Atomkonflikts zu erreichen, sind damit gestiegen."