Sanktionen gegen Belarus
23. März 2012Nach der international kritisierten Hinrichtung zweier Männer in Belarus hat die EU ihre Sanktionen gegen das Regime von Präsident Alexander Lukaschenko verschärft. Die Außenminister der 27 EU-Staaten setzten bei ihrem Treffen an diesem Freitag (23.03.2012) in Brüssel weitere Personen, darunter hohe Justizbeamte und Unternehmer auf die Sanktionsliste. Einreiseverbote und Vermögenssperren gelten bereits für mehr als 200 belarussische Vertreter, die mit der Unterdrückung von Opposition und Zivilgesellschaft im Land zu tun haben sollen. "Wir können nicht zusehen, wenn in Europa Menschen unterdrückt werden und ganze Familien darunter leiden müssen", sagte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle in Brüssel. Deshalb sei es notwendig, die Sanktionspolitik fortzusetzen.
Kritik an Hinrichtungen
Belarussische Staatsmedien hatten am vergangenen Wochenende die Hinrichtung von Wladislaw Kowaljow und Dmitri Konowalow bekanntgegeben. Die beiden 26-Jährigen sollen im April 2011 in der Minsker U-Bahn einen Bombenanschlag verübt haben, bei dem 15 Menschen getötet und etwa 300 verletzt worden waren. Bürgerrechtler und Prozessbeobachter zweifeln an der Schuld der Männer.
Mit der Exekution der vermeintlichen Attentäter wurden die schwierigen Beziehungen zwischen Brüssel und Minsk weiter belastet. Deutliche Kritik übte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, Ruprecht Polenz: "Weißrussland ist das einzige Land in Europa, das die Todesstrafe noch vollstreckt. Dem Urteil ist ein rechtsstaatswidriges Willkürverfahren mit schweren Mängeln vorangegangen."
Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, betonte, der Prozess habe in keiner Weise rechtsstaatlichen Standards entsprochen. Es sei davon auszugehen, dass die beiden Männer nicht die Täter gewesen seien. Einer von ihnen habe vor Gericht angegeben, nur unter Folter ein Geständnis abgelegt zu haben. "Präsident Lukaschenko muss es sich selber zuschreiben, wenn er solche offensichtlichen Verstöße gegen die Menschlichkeit und gegen die Menschenrechte begeht, dass die Beziehungen zwischen Weißrussland und den europäischen Ländern auf einem sehr tiefen Punkt sind", sagte Löning der DW.
Sanktionen sollen nur das Regime treffen
Ihren bislang tiefsten Punkt hatten die Beziehungen zwischen Brüssel und Minsk bereits Ende Februar erreicht. Aus Protest gegen EU-Sanktionen kündigte Minsk an, seine Botschafter für die EU und Polen zurückzubeordern und die Botschafter von EU und Polen auszuweisen. Daraufhin zog die EU all ihre Botschafter aus Belarus zu Konsultationen ab.
Als Zeichen an die Bevölkerung stellten die EU-Außenminister bei ihrem Treffen Erleichterungen bei der Ausstellung von Einreisevisa in Aussicht. Die EU will damit zeigen, dass sich die Sanktionen nur gegen Vertreter des Regimes richten. Die Bevölkerung, die unter Lukaschenko am meisten leide, solle unter den Sanktionen nicht zusätzlich leiden, sagte Polenz der DW. "Wir wollen die weißrussische Bevölkerung nicht in Haftung nehmen für das, was Lukaschenko ihr antut." Im Gegenteil, man wolle den Belarussen die Tür öffnen und die Visa-Regelungen weiter erleichtern. "Wir wollen jungen Weißrussen die Möglichkeit geben, in Europa zu studieren und ihre Ausbildung zu machen", so Polenz.
Löning betont ebenfalls, die EU-Sanktionen seien nur gegen die Verantwortlichen für die Repressionen in Belarus gerichtet. Den Menschen aber wolle man signalisieren: "Wir stehen an eurer Seite, wir sind da, um euch zu helfen, euch zu befreien von diesem Diktator. Es bleibt die Forderung an den Präsidenten von Belarus, seinem Volk endlich das zuzugestehen, was ihm zusteht, nämlich ein freies Volk zu sein und so leben zu können, wie es die Nachbarvölker auch tun - in einem demokratischen und rechtsstaatlichen Weißrussland", so der deutsche Menschenrechtsbeauftragte Löning.
"Minsk wird für Moskau zur Belastung"
Die Europäer könnten aber die richtigen Entscheidungen in Minsk nicht ersetzen, meint Polenz. Die Einflussmöglichkeiten der EU seien begrenzt. Nicht zuletzt deswegen bestehen Befürchtungen, dass Sanktionen und eine zunehmende Isolierung das Land - das ohnehin an Russlands Gas- und Öltropf hängt - weiter in die Arme Moskaus treiben könnten. "Das sollen die Sanktionen natürlich nicht", unterstreicht Polenz. Die EU gebe immer zwei Botschaften: "Erstens wollen wir, dass das Land anders regiert wird. Und zweitens laden wir es ein, mit Europa zusammenzuarbeiten, sich auf Europa hin zu entwickeln."
Für Moskau werde Minsk zunehmend zur Belastung - ökonomisch, politisch und moralisch, meint Polenz. Belarus zahle nur ein Drittel des Gaspreises, den Russland beispielsweise von der Ukraine verlange. Und Kritik an dem Urteil und der Vollstreckung der Todesstrafe habe es auch in russischen Medien gegeben, sagte Polenz: "Es ist deshalb zu wünschen, dass Russland - jenseits aller Interessen, Weißrussland wieder stärker an sich zu binden - sich auch darüber Gedanken macht, welches Weißrussland man an sich binden möchte. Und ob man ein Land in jeder Verfassung und jeder Form, wie es regiert wird, als unmittelbaren Freund und Alliierten haben möchte."