Kämpfe in Syrien: Assad bekommt Hilfe aus Russland und Irak
2. Dezember 2024Der bedrängte syrische Präsident Baschar al-Assad kann mit Hilfe rechnen. Aktivisten zufolge sind schiitische Milizen aus dem Irak nach Ostsyrien eingereist, um dort an der Seite syrischer Regierungstruppen gegen die Rebellen zu kämpfen. Diese hatten in der vergangenen Woche ihre Offensive gegen die Stadt Aleppo begonnen, das syrische Militär verdrängt und die Stadt eingenommen. Rund 200 der proiranischen Kämpfer aus dem Irak sollen die Grenze bereits überquert haben.
Auch auf Unterstützung durch Russland kann Assad wohl zählen. "Natürlich unterstützen wir weiterhin Baschar al-Assad", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen Agenturangaben zufolge. Bereits am Wochenende hatte die russische zusammen mit der syrischen Luftwaffe Angriffe gegen die Dschihadistenmiliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) geflogen.
Die HTS agiert im Verbund mit der sogenannten Syrischen Nationalen Armee (SNA), einem Zusammenschluss der Türkei verbundener syrischer Oppositionsgruppen. Dass die HTS überhaupt einen derart mächtigen Vorstoß unternehmen konnte, dürfte nicht zuletzt an dem gewählten Zeitpunkt des Angriffs gelegen haben, sagt André Bank, Syrien-Experte beim German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg. Assads engste Partner seien allesamt geschwächt, so Bank zur DW: der Iran und die Hisbollah durch den Krieg mit Israel, Russland durch seinen Angriffskrieg auf die Ukraine.
Der Vorstoß der HTS sei vor allem deshalb so kräftig, weil es der Organisation gelungen sei, sich im Westen Syriens als stärkste Kraft zu etablieren, sagt André Bank. "Die HTS verfolgt keinen globalen Dschihad, sondern konzentriert sich ausschließlich auf Syrien, wo sie sich als selbsternannte 'Erlösungs-' oder Erweckungsregierung etabliert hat. Zugleich hat sich die Gruppe von den massiven Angriffen der vergangenen Jahre erholt." Dazu gehöre auch, dass sie sich habe neu bewaffnen können. "Inzwischen setzt sie neue Drohnen und Raketensysteme ein. Man kann davon ausgehen, dass die über die Türkei geliefert werden."
Ein Land, vier Herrschaftsgebiete
Der Vorstoß der Rebellen richte sich in erster Linie zwar gegen das Assad-Regime, sagt der in London ansässige Journalist und Analyst Manhal Barish im DW-Interview. Er ziele jedoch auch darauf ab, die Präsenz des Iran, der Hisbollah und ihrer verbündeten schiitischen Milizen aus Afghanistan, Pakistan und dem Irak zu schwächen.
Syrien ist derzeit in vier verschiedene Herrschaftsgebiete unterteilt. Der größte Teil des Landes - rund 60 Prozent - wird von Baschar al-Assad kontrolliert. Ein kleiner Zipfel im Nordwesten steht unter Herrschaft der HTS. Nördlich davon hält die Türkei zwei direkt an ihr Staatsterritorium grenzende Gebiete unter ihrer Kontrolle. Der Nordosten hingegen wird mehrheitlich von kurdischen Kräften regiert.
Die Interessen der Türkei
Die Türkei hält größere von ihr kontrollierte Gebiete seit ihrer ersten Intervention im Jahr 2016. Dort kämpft sie vor allem gegen kurdische Kräfte, die in Ankara als terroristische Organisationen gelten. Dass sie nun die Vorstöße der Rebellen unterstützt, dürfte auch daran liegen, dass sie ihren Einfluss auch auf den syrischen Nordosten und die dortigen kurdisch kontrollierten Gebiete ausweiten will.
Daneben, sagt André Bank, gehe es der AKP-Regierung unter Präsident Erdogan darum, im gesamten Norden eine noch größere Pufferzone zu schaffen, um möglichst viele der rund 3,5 Millionen syrischen Flüchtlinge anzusiedeln, die derzeit in der Türkei leben, und die aus Furcht vor Repressalien überwiegend nicht in die von Assad beherrschten Gebiete zurückkehren wollen.
Assads Herrschaft: unter Druck aber noch nicht gefährdet
Offen ist derzeit, inwieweit Russland gewillt und in der Lage ist, seinem Schützling Assad einmal mehr unter die Arme zu greifen. Allerdings dürfte Moskau auch ein starkes eigenes Interesse am Machterhalt des syrischen Diktators haben. Denn nur der ist Garant der russischen Marinebasis bei Tartus und des Luftwaffenstützpunktes Hmeimin, beide an der Mittelmeerküste gelegen.
Dennoch werde Assad stärker als bislang auf die eigenen Kräfte vertrauen müssen, sagt André Bank. Zwar weite sich der Aufstand derzeit aus, so etwa auf Teile der Stadt Hama, rund 125 Kilometer südlich von Aleppo. Doch um Assad wirklich gefährlich zu werden, müsste sich der Aufstand noch sehr viel mehr ausbreiten, etwa auf die Region Daraa ganz im Süden Syriens. Dort hatte der Aufstand des Jahres 2011 einst seinen Ausgang genommen. Unzufriedenheit mit dem Regime gebe es in vielen Teilen des Landes. "Würde die sich zu einem Aufstand entwickeln, könnte es für das Assad-Regime gefährlich werden. Aber das ist noch nicht der Fall."
Zudem, so Bank, seien die islamistischen Rebellen im Unterschied zu dem Assad-Regime international nahezu vollständig isoliert. Doch ernsthaft gefährlich würde der Aufstand dem Regime nur dann, wenn die internationale Unterstützung für Assad tatsächlich weitgehend ausfalle. "Das ist aber völlig offen. Am Wochenende ist der iranische Außenminister zu Gesprächen nach Damaskus gereist. Deren Ergebnisse muss man abwarten."
"Aufzubegehren ist lebensgefährlich"
Hinzu kommt, dass die militanten Islamisten auch bei weiten Teilen der Bevölkerung nicht gut gelitten sind. Viele Syrer haben sich nur darum in das von ihnen kontrollierte Gebiet begeben, weil sie von ihnen weniger Repressalien befürchten als von Seiten des Assad-Regimes. Dabei übten die Rebellen durchaus eine Herrschaft aus, sagte kürzlich der Syrien-Kenner Carsten Wieland im DW-Gespräch. Zwar hätten die Radikal-Islamisten ihre Ideologie etwas gemäßigt. "Aber natürlich geht es ihnen weiterhin um Kontrolle - ganz wesentlich von Frauen, deren Rechte rigoros eingeschränkt werden." Auch Andersdenkende seien gefährdet, sagt der Experte: "Aufzubegehren ist lebensgefährlich".