Neue Impulse für Ökumene in Deutschland
11. Mai 2014In Deutschland öffnen sich Bartholomaios, dem Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Tür und Tor: Bundespräsident und Bundeskanzlerin empfangen ihn, er erhält die Ehrendoktorwürde der Uni München und den "Tutzinger Löwen" für Toleranz und Weltoffenheit. Und er ist zu Gast bei den großen christlichen Kirchen. Von deutschen Katholiken und Protestanten wird der orthodoxe Patriarch hoch geschätzt. Er sei ein wichtiger "Impulsgeber für vieles, was zwischen den Kirchen passiert", sagt Martin Illert, der Orthodoxie-Referent der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD).
Reibungspunkte zwischen den Glaubensrichtungen in Ost und West gibt es zwar: Da ist der globale Anspruch des Papstes in Rom, der den Orthodoxen nicht schmeckt. Oder die Berufung von Frauen ins evangelische Priesteramt, die in der Ostkirche auf Befremden stößt. "Aber viel stärker als die Konflikte auf weltökumenischer Ebene steht für uns im Mittelpunkt, wie man das Gemeinsame stärken kann", so Oberkirchenrat Illert.
Zusammenarbeit zwischen den Kirchen
Und das betrifft ganz praktische Fragen: Wie ermöglicht man Paaren unterschiedlicher Konfessionen, angemessen kirchlich zu heiraten? "Es gibt keine ökumenische Trauung - das ist Problem Nummer eins", gibt Illert zu bedenken, "sondern nur eine evangelische oder eine orthodoxe Trauung. Wie können wir das Beste daraus machen?" Gemeinsam mit der orthodoxen Bischofskonferenz hat die EKD Empfehlungen gegeben, wie beispielsweise ein evangelischer Geistlicher im Rahmen einer orthodoxen Trauung eine Lesung halten kann - oder umgekehrt. Auch die Seelsorge ist ein Thema: Was, wenn ein orthodoxer Gläubiger im Sterben liegt, aber nur ein katholischer oder evangelischer Geistlicher schnell genug kommen kann?
Gerade in größeren deutschen Städten bestehen seit Jahren gute Kontakte über Konfessionsgrenzen hinweg. "Es gibt viele katholische und evangelische Gemeinden, die orthodoxen Gemeinden ein Gastrecht in ihren Kirchen gewähren", sagt Johannes Oeldemann, Direktor des Paderborner Möhler-Instituts für Ökumenik, "denn nicht alle orthodoxen Gemeinden verfügen über eigene Kirchenräume, um Gottesdienste zu feiern. Dadurch entstehen natürlich Berührungspunkte und persönliche Begegnungen zwischen den Christen."
Ökumene und Ökologie
Die griechisch-orthodoxe Metropolie in Deutschland zählt heute mehr als 100 Gemeinden mit 450.000 Gläubigen. Im vergangenen Jahr feierte sie ihr 50-jähriges Bestehen - der eigentliche Anlass für den Besuch des Patriarchen. Die zunächst für 2013 geplante Visite war wegen Terminproblemen im Zusammenhang mit dem Bundestagswahlkampf verschoben worden.
Bartholomaios wird von Katholiken und Protestanten aber nicht nur für sein ökumenisches Engagement geschätzt - auch mit seinem Leib- und Magenthema, dem Umweltschutz, stößt er auf offene Ohren. So hat ihn die EKD eingeladen, im Berliner Dom eine öffentliche Rede über "Ökologische Ethik aus orthodoxer Sicht" zu halten.
Bei aller Wertschätzung, die ihm die großen westlichen Kirchen entgegenbringen, hat Bartholomaios I. innerhalb der Orthodoxie mit Gegenwind zu kämpfen. Zwar ist der Patriarch von Konstantinopel traditionell Ehrenoberhaupt der Ostkirche, doch wird diese hervorgehobene Position immer wieder vom Moskauer Patriarchen in Frage gestellt. Denn die russisch-orthodoxe Kirche ist nicht nur die zahlenmäßig größte sondern auch die politisch einflussreichste in der orthodoxen Welt - und tritt entsprechend selbstbewusst gegenüber Konstantinopel auf.
Innerorthodoxe Spannungen
Diese Rivalität erschwert auch den Dialog mit den Westkirchen. "Es ist manchmal einfacher, nur mit Vertretern der russischen Kirche oder der griechischen Kirche zu sprechen", sagt Oeldemann, "dann findet man schneller einen Konsens." Dennoch müssten sich Katholiken und Protestanten "hüten, die Orthodoxie irgendwie auseinanderzudividieren." Vielmehr habe die Erfahrung gezeigt, dass ökumenische Gespräche gerade für die Orthodoxen eine Chance seien, zueinander zu finden, so Oeldemann.
Und so wird mit Spannung das für 2016 geplante panorthodoxe Konzil erwartet, die erste Synode aller Kirchenoberhäupter seit der Spaltung in Ost- und Westkirche im Jahre 1054. Dass die Orthodoxie danach mit einer Stimme spricht, glaubt Oeldemann allerdings nicht.
Politisch brisant
Einen noch schwierigeren Stand hat Bartholomaios im eigenen Land, der Türkei: Seit Jahren ringt er mit den Behörden um die Rückgabe konfiszierten Kircheneigentums und um die Wiedereröffnung des 1971 geschlossenen Priesterseminars, in dem er selbst noch seine Ausbildung erhielt. Der türkische Staat stößt sich vor allem an seinem Anspruch, Oberhaupt der orthodoxen Weltkirche zu sein.
So hat der Deutschland-Besuch des Patriarchen gewisse politische Brisanz - nicht nur wegen der Treffen mit deutschen Spitzenpolitikern. Denn die EKD will laut Illert auch "gerne und bewusst das Signal senden, dass der Ökumenische Patriarch für uns nicht der Vertreter einer Kirche irgendwo in der Türkei, sondern der Repräsentant einer weltweiten Orthodoxie ist".