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Neue Führung mindestens so radikal wie die alte

Mahmoud Tawfik24. März 2004

Nach der Liquidierung Scheich Jassins führt Khaled Maschal die Organisation - zusammen mit Abdel Asis Rantisi. Eine weitere Eskalation der Gewalt ist zu befürchten.

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Abdel Asis Rantisi: das neue Gesicht der HamasBild: AP

"Die Einheit der Palästinenser und die Fortsetzung des Widerstandes werden meine Ziele für die Zukunft sein." In wenigen - allerdings hoch bedeutsamen - Worten fasst Abdel Asis Al-Rantisi seine Zukunftspläne zusammen. Der Kinderarzt ist der neue Führer der Hamas-Sektion im Gaza-Streifen und damit Nachfolger von Achmed Scheich Jassin. Damit vollzieht sich in der Organisation ein bedeutender Machtwechsel, der auf weitere Eskalation hindeutet.

Hochburg Gaza

Rantisi ist formell nur für den Gaza-Streifen zuständig. Der im libanesischen Beirut beheimatete Khaled Mischaal, der Ariel Scharons Ermordung propagiert, bleibt weiterhin Führer der Gesamtorganisation. Doch Gaza ist die eigentliche Hochburg der Hamas - sie besitzt dort am meisten Einfluss und die größte Anhängerschaft. Außerdem ist Rantisi ein Mann, dessen offener Radikalismus schon seit längerem bekannt ist und sich auch kürzlich wieder zeigte, als er mit Blick auf Israel erklärte: "Sie ermorden nicht nur Scheich Ahmed Jassin, sie machen alles kaputt. Wir sagen diesen Mördern, diesen Terroristen: Der Krieg ist eröffnet."

Khaled Maschal
Khaled MaschalBild: AP

Was das bedeutet, lässt sich an anderen Äußerungen Rantisis ablesen. Es gäbe keine unschuldigen Israelis, sagte er vor knapp zwei Jahren, denn die Israelis besetzten palästinensisches Land und brächten palästinensische Kinder und Zivilisten um. Er nimmt die Israelis also in Kollektivhaft für die Politik ihrer Regierung.

Liquidierungsversuch überlebt

Rantisi wird schon seit längerem für die meisten Hamas-Anschläge verantwortlich gemacht. Er war auch 1987 zusammen mit Scheich Jassin einer der Gründer der Organisation. Der 56-jährige Kinderarzt ist auch aufmerksamen Zuschauern und Zuhörern in der westlichen Welt geläufig - denn er wird wegen seiner guten Englischkenntnisse gerne von westlichen Journalisten interviewt. Seltener jedoch, seit Israel auch ihn im vergangenen Jahr zu beseitigen versuchte. Seitdem muss er sich die meiste Zeit im Untergrund aufhalten.

Was Rantisi 23. März in gewohnt fließendem Englisch der Weltpresse verkündete - die Einheit der Palästinenser und die Fortsetzung des Wiederstandes - scheint auch der Stimmung der palästinensischen Straße zu entsprechen, wie sie der palästinensische Politikprofessor Ali Al Jarbawi sieht. Dieser wittert die Gefahr einer Esklation gar nicht so sehr im Machtwechsel innerhalb der Hamas - Al-Rantisi spielte dort ja schon vorher eine wichtige Rolle -, sondern in der Wut, die sich innerhalb der Bevölkerung breitmache: "Die palästinensische Basis bewegt sich nach dem Tod von Scheich Jassin auf eine Radikalisierung hin. Es wird eine neue Annäherung zwischen der traditionellen Position der Hamas und der allgemeinen Stimmung der palästinensichen Bevölkerung geben."

Schulterschluss des Widerstands

Ein Schulterschluss, den auch Rantisi ausdrücklich ankündigte. Er strecke seine Hand aus, sagte er, um sich mit allen Kräften innerhalb der palästinensischen Bevölkerung im "Widerstand" zu vereinen. Damit propagiert er eine konfrontativ gegen Israel gerichtete Einheit, von der sich die palästinensische Autonomiebehörde nur schwer wird distanzieren können - zumal der israelische Generalstabschef Mosche Jaloon jetzt auch noch andeutete, dass nicht nur die Hamas-Führer einer nach dem anderen ausgeschaltet werden sollen, sondern auch Jassir Arafat.