Kinderschutz im Netz
6. März 2013Ende Februar stellte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder den neuen "KinderServer" vor. Dieses Programm soll dabei helfen, bestimmte Web-Inhalte für Kinder unzugänglich zu machen. Ganz einfach soll man den Computer zu Hause so einstellen können, dass tatsächlich nur noch Websites besucht werden können, die von speziellen Kinderportalen wie "FragFINN" oder "Blinde-Kuh" freigegeben wurden: Seiten für Kinder ab 12 Jahren. Es gibt viele Softwarepakete auf dem Markt, die den heimischen Computer kindersicher machen sollen; mit hübschen Namen wie "Net-Nanny" oder "Cybersitter".
Ein Allrounder soll nun der "KinderServer" sein – das Programm läst sich leicht installieren und ist nicht nur für zu Hause geeignet, sondern auch in Schulen und anderen pädagogischen Einrichtungen, in denen Kinder ins Internet gehen.
Klingt alles erst einmal gut. Doch schon am Tag nach der Vorstellung hagelte es im Netz Kritik. Das Technik-Portal heise online testete die Software und fand heraus, dass es für netzaffine Kinder ein Leichtes sei, das Programm zu umgehen. "Der Filter funktioniert nur bei sehr jungen Kindern ohne Computerkenntnisse", heißt es im heise-Artikel "Baustelle KinderServer". Der Filter selbst funktionierte allerdings recht gut – Pornoseiten seien nicht erreichbar, auch keine Video-Netzwerke. Allerdings schlüpfte beim Testfeld "Hass und Gewalt" die eine oder andere rechtextremistische Seite durch.
Der Sinn von Kinderschutzsoftware
Der Blogger Torben Friedrich, Mitglied der Piratenpartei, hat den "KinderServer" in einem Blog-Eintrag geradezu zerlegt und gezeigt, wie man das Programm mit wenigen Klicks ausschalten kann. Zum Thema Kinderschutzsoftware zieht er den Vergleich mit einem Kind, das Fahrrad fahren lernt: "Im Endeffekt ist dieses Programm wirklich vergleichbar mit einem Fahrradhelm, welcher das Kind aber nicht schützen kann, wenn es überhaupt nicht gelernt hat, vernünftig Fahrrad zu fahren und sich im Straßenverkehr richtig zu verhalten." Er ist der Meinung, dass man Kindern eine Anleitung zum vernünftigen Umgang mit dem Netz geben muss und es nicht einfach unbeobachtet, geschützt durch eine vermeintlich sichere Software, am Computer sitzen lässt.
Ähnlich sieht es der bekannte Blogger Johnny Haeusler. Gerade haben er und seine Frau das Buch "Netzgemüse" veröffentlicht, ein Ratgeber für Eltern mit "digitalem" Nachwuchs. Das Thema "Schutz- und Schmutzräume" nimmt in dem Buch einen großen Platz ein. "Keine Technik und kein Ratschlag, keine Mutter und kein Vater der Welt können Kindern hundertprozentige Sicherheit in allen Lebenslagen garantieren", heißt es da. Dies gelte auch für den virtuellen Lebensraum.
Software muss besser werden
Dennoch wollen Eltern es nicht dazu kommen lassen, dass ihr Kind plötzlich beim Surfen auf ein Gewaltvideo oder auf Bilder von Leichen stößt. Da fast alle Filter, die es zurzeit gibt, noch viele Schwachstellen haben, hat sich das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS in einer Studie zum technischen Jugendmedienschutz damit beschäftigt, wie man den Kinderschutz noch verbessern kann. Im Bereich Schutz vor pornografischen Inhalten gibt es offenbar kaum noch Nachbesserungsbedarf. Aber in anderen Bereichen, die weitaus gefährlicher sind und auch Erwachsene verstören können: Videos, die Selbstmorde zeigen, Enthauptungen, Vergewaltigungen.
Sogenannte "Schockerseiten" gibt es ganz leicht im Netz zu finden. Unter Jugendlichen spricht es sich schnell rum, wie man sie erreichen kann. Sven Becker, Diplom-Ingenieur am IAIS, hat an der Studie mitgearbeitet und weiß auch, wie solche Seiten verbreitet werden: "Das ist zum Schulhofsport geworden, sich gegenseitig diese Seiten zu zeigen." Es gilt als Mutprobe zu sehen, wer aus der Clique wie viel ertragen kann.
Filter werden verfeinert
Die Hersteller von Kinderschutzsoftware müssen ihre Filter natürlich aktuell halten. Das geschieht in eigenen Redaktionen. Täglich wird das Netz gescannt; es gibt aber auch die Möglichkeit für Eltern, bestimmte Seiten zu melden. Die werden dann von der Redaktion bewertet. Das IAIS arbeitet eng mit den Anbietern zusammen, um ihnen die redaktionelle Arbeit zu erleichtern.
Die Studie zeigt, inwiefern Filter verbessert werden können: Anhand von Sprach-, Text-, Bild- und Symbolerkennung werden verdächtige Inhalte gescannt. So ist es zum Beispiel möglich, einen Arm mit Narben, die sich ein Jugendlicher durch das sogenannte "Ritzen" selbst zugefügt hat, von einer ähnlich aussehenden Tätowierung zu unterscheiden.
Andere Filter erkennen Textmuster, können aus einzelnen Worten Zusammenhänge erkennen. Beispiel Anorexie (Magersucht): Worte wie "Hunger", "dünn", "sterben" und "Tod" innerhalb eines Textes erkennen die Filter als verdächtig – schon sperrt die Software diesen Inhalt. Ähnlich verhält es sich mit Hakenkreuzen und anderer Nazi-Symbolik.
Auch mit den besten Filtern verschwinden sie nicht aus dem Netz
"Die Herausforderung ist die Differenzierung zwischen verherrlichenden Seiten und Information", räumt Ingenieur Sven Becker ein. Schließlich gibt es viele Aufklärungsseiten zum Thema Anorexie und sehr viele Geschichtsseiten zum Thema Nationalsozialismus. "Die Technik kann es nicht hundertprozentig verhindern, dass die falschen Inhalte durchkommen. Sie kann aber gut dabei helfen, die manuelle Bewertung von Seiten zu beschleunigen", erklärt Sven Becker.
Gerade extremistische und gewaltverherrlichende Inhalte vermehren sich im Netz wie ein schädlicher Pilz. Techniker, Provider und Internetplattformen arbeiten weiter daran, den Schutz für Kinder und Jugendliche zu verbessern, unterstützt von ganz oben: Mit der Initiative "sicher online gehen" setzten sich Bund, Länder und Wirtschaft gemeinsam dafür ein, dass Kinder beim Surfen sicher bleiben.