Nepals Opposition weist Königsofferte ab
21. April 2006Am Samstag und Sonntag gingen in der Hauptstadt Kathmandu insgesamt 300.000 Menschen auf die Straßen. Die Sicherheitskräfte versuchten, die Demonstrationen zu unterbinden. Dabei wurden am Samstag mehr als hundert Menschen verletzt, am Sonntag gab es mindestens ein Dutzend Verletzte.
Sie werde sich auf keinen Fall an der Regierung beteiligen, erklärte die Allianz aus sieben Oppositionsparteien. Der Vorschlag des Königs nach mehr als zweiwöchigen Massenprotesten und internationalem Druck, einen Regierungschef aus den Reihen der Opposition zu benennen und "so bald wie möglich" Wahlen anzusetzen, komme zu spät und sei nicht ausreichend. Zudem entspreche er nicht ihrem Fahrplan für die Rückkehr zur Demokratie sowie den mit den maoistischen Rebellen getroffenen Vereinbarungen. Nach dem Willen der Opposition soll eine verfassunggebende Versammlung über die Zukunft des Monarchen entscheiden.
Auch die Rebellen kündigten an, an ihrem Widerstand festzuhalten, "bis die Souveränität des Volkes durch die Wahl einer verfassunggebenden Versammlung wiederhergestellt ist". Die Ansprache des Königs vom Freitag habe "keinerlei Bedeutung", betonte Maoisten-Führer Prachanda.
Die Oppositionsparteien und die Maoisten, ehemals Gegner, hatten im November eine lockere Allianz geschlossen, um den verhassten König zum Rückzug zu zwingen. Gyanendra hatte vor rund 14 Monaten im Kampf gegen die maoistischen Rebellen den Ausnahmezustand verhängt und die Alleinherrschaft übernommen. Die politischen Parteien schaltete er zunehmend aus, die Medien wurden zensiert.
Seit Beginn des Generalstreiks der Opposition am 6. April wurden mindestens 14 Menschen bei Protesten getötet und hunderte verletzt. Tausende wurden festgenommen.
Keine Wahl
"Durch die Situation gibt es eine neue Dringlichkeit, dass die internationale Gemeinschaft bei einem friedlichen Übergang hilft, " sagt Rhoderick Chalmers, Südasien-Experte der International Crisis Group in Kathmandu. Denn selbst in dem Fall, dass der König sich weitgehend aus der Politik zurückzieht, wären Nepals Probleme damit keineswegs gelöst: Die Rebellen kontrollieren rund 70 Prozent des Landes. In dem Bürgerkrieg starben in den vergangenen zehn Jahren 13.000 Menschen.
Eine zentrale Herausforderung werde darin bestehen, die Maoisten wieder in die politische Mitte zu integrieren, sagt Rhoderick Chalmers. Es müsse eine internationale Kontaktgruppe gebildet werden, die einen Kommunikationskanal mit den Maoisten etabliere. Diese Kontaktgruppe müsse die politischen Parteien unterstützen und Druck auf den König und die Aufständischen ausüben, damit eine Friedenslösung gefunden werden kann.
"Der Westen war viel zu sehr bereit, es dem König zu erlauben, das Land alleine zu regieren", sagt Chalmers. Insbesondere Washington habe die politischen Parteien als "nutzlos" betrachtet und nach dem Putsch vom Februar 2005 darauf gedrängt, dem König zunächst 100 Tage zu geben, bevor die USA, Großbritannien und Indien als wichtigste Verbündete schließlich die Militärhilfe einstellten.
"Die internationale Gemeinschaft hat uns nicht vergessen - obwohl Nepal nur ein kleines Land zwischen zwei Regionalmächten ist", sagt dagegen ein früherer hoher Diplomat des Landes. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte beobachte die Situation sehr genau. Botschafter verschiedener Staaten, darunter die USA, Großbritannien und Indien, seien aktiv geworden. Letztlich wäre nur noch das Nachbarland China bereit gewesen, in geringem Umfang Waffen zu liefern.
Da Gyanendra die Armee gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt habe, sei die Einstellung der Militärhilfe die einzig mögliche Option gewesen, sagt der renommierte indische Sicherheitsexperte B. Raman. "Die Machtgier des Königs hat ein Chaos angerichtet." Daher müsse Indien, das die Situation in Nepal als einziges Land entscheidend beeinflussen könne, die Parteien unterstützen. Im zweiten großen Konflikt, dem zwischen König und Maoisten, müsse dagegen verhindert werden, dass die Rebellen den König entmachten, glaubt Raman.
Machtfaktor Rebellen
Während die Polizei auch Befehle von einer gewählten Regierung entgegennehmen würde, sei die Situation in der Armee, deren Soldaten vor allem der Volksgruppe der Gurkhas entstammen, anders, warnt der ehemalige Kabinettssekretär. "Die Armee hat immer den König als Oberbefehlshaber betrachtet." Die Maoisten würden bei einem solchen Sturz nicht zögern, die Macht zu ergreifen, vermutet Raman. Dies lasse sich nur durch eine Wiederherstellung der Mehrparteiendemokratie verhindern, in welcher der König eine konstitutionelle Rolle behalte.
"Unzureichendes Angebot"
Rhoderick Chalmers von der Crisis Group glaubt dagegen nicht, dass die maoistischen Rebellen ihre Haltung in den vergangenen Monaten nur aus taktischen Gründen verändert haben. Im November 2005 hatten sich die Rebellen und die Sieben-Parteien-Allianz auf ein Zwölf-Punkte-Programm geeinigt, das die Wiederherstellung der Demokratie vorsieht. Die Rebellen bekennen sich darin zu einem demokratischen Mehrparteiensystem und zur Anerkennung der Menschenrechte. Von einer Aufgabe des bewaffneten Kampfes ist zwar nicht die Rede, wohl aber davon, dass "die Waffen der Königlichen Nepalesischen Armee und der Maoisten durch die Vereinten Nationen oder eine andere verlässlichen internationale Institution kontrolliert werden."
Die Hinwendung zur Mehrparteiendemokratie entspringe dem Eigeninteresse der Rebellen, sagt Chalmers. "Die Maoisten haben erkannt, dass ihr ursprünglicher Plan keinen Erfolg hat." Sie seien weder in der Lage gewesen, die Armee zu besiegen, noch den Aufstand in die Städte zu tragen. "Die Vereinbarung ist im Interesse der Maoisten - sie brauchen die politischen Parteien."