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KonflikteNahost

Alarm in Tel Aviv, Luftschläge auf Gaza

Veröffentlicht 22. Oktober 2023Zuletzt aktualisiert 22. Oktober 2023

Im Großraum Tel Aviv heulten die Sirenen, während aus Gaza weitere Opfer israelischer Luftschläge gemeldet werden. Israel will eine "nächste Phase" einläuten. Papst Franziskus ruft zum Frieden auf. Ein Überblick.

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Rafah | südlicher Gazastreifen
Am Morgen nach den Luftschlägen begutachten Anwohner die SchädenBild: Said Khatib/AFP

Das Wichtigste in Kürze:

  • Raketenalarm in Tel Aviv, Luftschläge auf Gaza
  • Bomben auf Flughäfen in Syrien
  • Papst ruft Konfliktparteien zum Frieden auf
  • USA verlegen auch Raketenabwehrsysteme 

 

Militante Palästinenser feuern weiter Raketen in Richtung Israel ab, obwohl der Gazastreifen selbst unter israelischem Bombardement steht. Im Großraum Tel Aviv gab es am Sonntagmorgen erneut Raketenalarm, wie die israelische Armee mitteilte. Der Rettungsdienst Magen David Adom teilte mit, es gebe bisher keine Berichte über Verletzte.

Seit Beginn des Krieges vor zwei Wochen sind nach israelischen Armeeangaben rund 7000 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert worden. Mehr als 550 seien in dem Palästinensergebiet selbst eingeschlagen und hätten dort auch Todesopfer verursacht.

Nahostkonflikt - Israelische Luftangriffe
Hell leuchten Explosionen nach einem israelischen Luftschlag auf das Flüchtlingslager Nuseirat im GazastreifenBild: Ramzi Adel/AA/picture alliance

In der Nacht hatte das israelische Militär sein Bombardement des Gazastreifens fortgesetzt. Nach Angaben der terroristischen Hamas wurden dabei mindestens 55 Personen getötet. Mehr als 30 Wohnungen seien zerstört worden. Insgesamt seien bei den israelischen Gegenangriffen inzwischen mehr als 4300 Palästinenser getötet worden, die meisten von ihnen Zivilisten.

Terroristen der Hamas hatte die jüngste Eskalation selbst entfesselt, als sie vor gut zwei Wochen in einer großangelegten Aktion nach Israel eindrangen und offenbar wahllos Zivilisten ermordeten oder als Geiseln verschleppten. Israelischen Angaben zufolge sind mehr als 1400 Einwohner gestorben, 212 Personen sollen sich in der Gewalt der Hamas befinden. Die in Gaza herrschende Hamas ist von den USA, der EU, Deutschland, Israel und einigen arabischen Staaten als Terrororganisation gelistet.

Bereits im Laufe des Samstags flogen israelische Kampfjets den neuen Angaben nach Angriffe auf Tunnelschächte, Waffendepots und eine von der Hamas als Kommandozentrale genutzte Moschee im Gazastreifen. Wie die Armee auf Telegram mitteilte, kam dabei unter anderem ein Mitglied der Hamas-Sturmeinheit "Nuchba" (Deutsch: Elite) ums Leben. "Nuchba"-Kämpfer gehören zu den Kräften, die das Eindringen nach Israel am 7. Oktober anführten.

Eine Frau klettert über den Schuttberg eines bombardierten Hauses und sucht offenbar nach ihren Besitztümern
Auch das im Süden des Gazastreifens gelegene Rafah wurde bombardiertBild: Said Khatib/AFP

Israel will nach eigenen Angaben das Bombardement weiter intensivieren und eine "nächste Phase" einleiten. Ob damit die erwartete Bodenoffensive gemeint ist, blieb unklar. Das israelische Militär rief Zivilisten im Gazastreifen nochmals dazu auf, in den Süden des abgeriegelten Gebiets zu flüchten: Ansonsten könnten sie als "Komplizen einer Terrororganisation" angesehen werden, hieß es in der über Flugblätter und auf die Handys der Anwohner verbreiteten Botschaft. Zugleich gab das Militär an,man ziele nicht auf zivile Einrichtungen.

Infografik Karte Israel Palästina DE
Im Gazastreifen am östlichen Mittelmeer leben rund zwei Millionen Menschen

Allerdings wurden auch aus dem Süden des Gazastreifens wiederholt Luftangriffe gemeldet; zuletzt aus Rafah an der Grenze zu Ägypten.

Israel räumt 14 Orte in libanesischem Grenzgebiet

Israel will angesichts der Eskalation der Angriffe durch die libanesische Hisbollah-Miliz weitere Ortschaften im Norden des Landes räumen. Verteidigungsminister Joav Galant habe die Evakuierung 14 weiterer Gemeinden gebilligt, teilte sein Büro mit. Vor einer Woche hatte Israel bereits eine Vier-Kilometer-Sperrzone im Grenzgebiet zum Libanon erklärt. Seit Beginn der jüngsten Eskalation kommt es auch hier immer häufiger zu gewaltsamen Zwischenfällen. Dabei gab es auf beiden Seiten bereits Tote. Israel hat die Hisbollah davor gewarnt, noch weiter in den Konflikt einzusteigen.

Bomben auf Flughäfen in Syrien

Mutmaßlich israelische Angriffe haben die beiden wichtigsten Flughäfen in Syrien außer Betrieb gesetzt. Am frühen Sonntagmorgen seien bei Luftangriffen auf die internationalen Flughäfen in Damaskus und Aleppo ein ziviler Flughafenangestellter getötet und ein weiterer verletzt worden, zitierte die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana Sicherheitskreise. "Erhebliche Schäden an den Start- und Landebahnen" hätten zu einer Einstellung des Flugbetriebs an beiden Flughäfen geführt, hieß es weiter.

Die "gleichzeitigen" Angriffe erfolgten laut den Sicherheitskreisen aus Richtung der Mittelmeerküste und den von Israel besetzten Golanhöhen. Wie das syrische Verkehrsministerium mitteilte, wurden Flüge über den Flughafen Latakia umgeleitet.

Es ist das zweite Mal seit dem Großangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober, dass gleichzeitig die Flughäfen in der syrischen Hauptstadt und der nördlich gelegenen Stadt Aleppo angegriffen wurden. Bereits am 12. Oktober musste nach syrischen Angaben an beiden Flughäfen der Betrieb eingestellt werden. Israel äußert sich selten zu einzelnen Angriffen in Syrien.

Papst mahnt Frieden an

Nach zwei Wochen Kampfhandlungen hat Papst Franziskus an alle Seiten appelliert, die Waffen schweigen zu lassen. "Brüder, hört auf! Hört auf!", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche in seinem Sonntagsgebet auf dem Petersplatz. Er betonte abermals, dass jeder Krieg eine Niederlage bedeute. Zudem erinnerte er an das Leid in der Ukraine. Krieg zerstöre die Geschwisterlichkeit zwischen den Menschen, sagte Franziskus.

Den Geiseln der Terrororganisation Hamas sowie allen Verwundeten, Toten und ihren Familien sicherte der Papst seine Nähe zu. Er wies überdies auf die schwierige humanitäre Lage hin und erwähnte die schweren Schäden durch Bombentreffer am anglikanischen Al-Ahli-Krankenhaus sowie an der orthodoxen Porphyrius-Kirche in Gaza. Humanitäre Hilfe müsse weiterhin ankommen, forderte Franziskus. Zudem müssten die in den Gazastreifen verschleppten Personen umgehend freigelassen werden.

UN-Organisationen rufen zur Waffenruhe auf

Fünf Organisationen der Vereinten Nationen (UN) haben eindringlich zu einer Feuerpause im Krieg in Nahost aufgerufen. Zudem verlangen sie in einer gemeinsamen Erklärung uneingeschränktem Zugang für humanitäre Hilfe im gesamten Gazastreifen. Die Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung dort sei "katastrophal". Mehr als 1,6 Millionen Menschen seien dringend auf Hilfe angewiesen, erklärten die Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Welternährungsprogramm, das Kinderhilfswerk UNICEF, das Entwicklungsprogramm UNDP und der Bevölkerungsfonds UNFPA. Kinder, schwangere Frauen und ältere Menschen seien nach wie vor am stärksten gefährdet. Nahezu die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens seien Kinder, heißt es in dem Papier weiter.

Ein Junge mit Brotfladen in einer Plastiktüte
Ein Junge mit Brot im Zentrum der Stadt Khan Yunis im südlichen Gazastreifen Bild: SAID KHATIB/AFP/Getty Images

Das UN-Nothilfebüro (OCHA) berichtete von einer Zunahme von Infektionen unter den verheerenden sanitären Bedingungen im Gazastreifen: Es häuften sich Fälle von Windpocken, Krätze und Durchfallerkrankungen, teilte das Büro in Genf mit. Als Ursache wurden unsaubere Wasserquellen angegeben, auf die die Menschen wegen des Trinkwassermangels zurückgreifen müssten. Die Anzahl der Betroffenen wurde nicht genannt.

Hilfslieferungen für die notleidenden Menschen in dem von Israel abgeriegelten Landstrich mit gut zwei Millionen Einwohnern kamen nur langsam voran. Ein zweiter Konvoi aus 17 Lastwagen vor allem mit Arznei- und Lebensmitteln fuhr am Sonntag von Ägypten aus zum Gazastreifen. Am Vortag hatte die erste Lieferung seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober die Grenze passiert. 20 Lastwagen mit Hilfsgütern fuhren ins Palästinensergebiet.

Ein Lastwagen mit Hilfsgütern im Gazastreifen
Ein Lastwagen mit Hilfsgütern im Gazastreifen Bild: Ibraheem Abu Mustafa/REUTERS

US-Präsident Joe Biden rief alle Seiten dazu auf, weiterhin humanitäre Hilfe für die Zivilisten im Gazastreifen zuzulassen. Lebensmittel, Wasser und medizinische Versorgung würden dringend benötigt. "Wir werden weiter mit allen Parteien zusammenarbeiten, um den Rafah-Grenzübergang in Betrieb zu halten", sagte Biden. Die Hilfsgüter dürften jedoch nicht von der Hamas umgeleitet werden.

USA verlegen auch Raketenabwehrsysteme 

Die USA verlegen weitere Waffensysteme in die Nahost-Region. Er habe die Stationierung einer Batterie des hochmodernen Raketenabwehrsystems THAAD sowie Einheiten des schlagkräftigen Patriot-Luftabwehrsystems in der Region befohlen, gab US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in einer Mitteilung bekannt. Zuvor hatten die USA bereits mehrere Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer verlegt, darunter die Flugzeugträger "USS Dwight D. Eisenhower" und "USS Gerald R. Ford". Auch Luftwaffengeschwader wurden bereits in die Region geschickt.

Die Verlegung weiterer Waffensysteme in den "gesamten" Nahen Osten diene zur Abschreckung, zum erhöhten Schutz der US-Streitkräfte in der Region und zur Unterstützung der Verteidigung Israels, erklärte Austin. Es handele sich um eine Reaktion auf die "jüngste Eskalation" des Iran und seiner Verbündeten. Wie viele zusätzliche US-Truppen stationiert werden sollen, sagte Austin nicht.

Hisbollah feuert wieder Raketen Richtung Israel

Die israelische Armee hat nach dem erneuten Beschuss aus dem Libanon "Terrorzellen"  im Süden des Nachbarlandes angegriffen. Dabei habe es "Treffer" gegeben, teilte das Militär mit. Berichten zufolge wurden mehrere Kämpfer der pro-iranischen Hisbollah-Miliz sowie ein Mitglied der Terrorgruppe Islamischer Dschihad im Libanon getötet. Die Hisbollah wird von Israel, Deutschland, den USA und einigen sunnitischen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Aus dem Libanon waren mehrere Raketen auf verschiedene Regionen in Israel abgefeuert worden. Dabei wurde ein Soldat schwer verwundet, zwei weitere wurden leicht verwundet.

Israel Kanzler Scholz bei Netanjahu
Israels Premier Netanjahu (r.), neben ihm Bundeskanzler ScholzBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu warnte unterdessen die Hisbollah im Libanon mit drastischen Worten vor einem Angriff auf sein Land. Damit würde die Schiitenmiliz "den größten Fehler ihres Lebens" begehen. Bei einem Angriff der Hisbollah werde Israel mit unvorstellbarer Kraft zuschlagen, die für den Libanon "verheerend" sein werde, warnte Netanjahu bei einem Besuch israelischer Truppen nahe der Grenze zum Nachbarland.

Israel meldet Tötung von Terroristen im Westjordanland

Die israelische Luftwaffe hat nach eigenen Angaben bei einem Angriff auf eine Moschee im von Israel besetzten Westjordanland Terroristen der Hamas und des Islamischen Dschihads getötet. Die Al-Ansa-Moschee in Dschenin sei "von den Terroristen als Kommandozentrale für die Planung von Anschlägen und als Basis für deren Umsetzung" genutzt worden, erklärte das Militär. Die ins Visier Genommenen hätten in den vergangenen Monaten bereits "mehrere Terroranschläge verübt und einen weiteren Terroranschlag vorbereitet", hieß es.

Kundgebungen in Brüssel, Paris und Berlin

An einer pro-palästinensischen Demonstration im Brüsseler Europaviertel haben sich am Sonntag nach Polizeiangaben rund 12.000 Menschen beteiligt. Bei der Protestaktion forderten die Teilnehmer die EU dazu auf, sich für einen Waffenstillstand und ein Ende der israelischen Abriegelung des Gazastreifens einzusetzen. Auf Plakaten waren Aufschriften wie "Stoppt den Völkermord", "Beendet die Angriffe" oder "Befreit Palästina" zu lesen. In Paris beteiligten sich rund 15.000 Menschen an einer pro-palästinensischen Kundgebung.

In der deutschen Hauptstadt Berlin demonstrierten tausende Menschen gegen Antisemitismus und für Solidarität mit Israel. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz riefen die Bürger in Deutschland zum Schutz des jüdischen Lebens im Land auf.

haz/uh/MM/ehl/ack/se/wa/nob (dpa, afp, rtr, kna, ap)