1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteNahost

Nahost: Israel billigt Deal zur Geiselfreilassung

Veröffentlicht 22. November 2023Zuletzt aktualisiert 22. November 2023

Das israelische Kabinett hat einem Abkommen mit der Terrororganisation Hamas zugestimmt. Es sieht neben einem Austausch von Geiseln gegen Häftlinge auch eine mehrtägige Waffenruhe vor. Ein Überblick.

https://p.dw.com/p/4ZHuX
Angehörige und Freunde der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln demonstrieren für die Freilassung der Verschleppten (21.11.2023)
Angehörige und Freunde demonstrieren am Dienstagabend in Tel Aviv für die Freilassung der VerschlepptenBild: Ariel Schalit/AP Photo/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Israel stimmt Austausch von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu
  • Baerbock: Angekündigte Geiselfreilassung in Gaza ist "Durchbruch"
  • Mehrtägige Waffenruhe im Gazastreifen vorgesehen
  • Papst trifft Angehörige von Geiseln und Gefangenen
  • Mediziner bei Angriff auf Krankenhaus getötet

 

Israels Regierung hat in der Nacht zum Mittwoch einem Abkommen mit der islamistischen Terrororganisation Hamas zugestimmt. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte mit, es sollten zunächst 50 Geiseln - Frauen und Kinder - verteilt über vier Tage aus der Hand der Hamas freikommen. Israelischen Medien zufolge soll es sich um 30 Kinder, acht Mütter sowie zwölf ältere Frauen handeln. Im Gegenzug sollen nach Angaben der Hamas 150 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freigelassen werden. 

In dieser Zeit werde es im Gazastreifen eine Waffenruhe geben, hieß es weiter. Sie soll nach Angaben der Hamas am Donnerstag um 10.00 Uhr Ortszeit (9.00 Uhr Uhr MEZ) beginnen, wie der Nachrichtensender Al-Dschasira berichtet. Auch der US-Sender CNN berichtet unter Berufung auf eine israelische Quelle, dass eine Feuerpause zu dieser Zeit beginnen solle.

Die Feuerpause soll auch dazu genutzt werden, die palästinensische Zivilbevölkerung im abgeriegelten Küstengebiet mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Medikamenten und Treibstoff zu versorgen. Für jede weitere Freilassung von zehn Geiseln werde die Waffenruhe um einen Tag verlängert, erklärte Israel.

Die angekündigte Feuerpause und Freilassung von Geiseln im Gazastreifen ist nach Auffassung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ein Durchbruch. "Die angekündigte Freilassung einer ersten größeren Gruppe von Geiseln ist ein Durchbruch - auch wenn nichts auf der Welt ihr Leid ungeschehen machen kann. Die humanitäre Pause muss genutzt werden, um lebensnotwendige Hilfe zu den Menschen in Gaza zu bringen", schrieb die Grünen-Politikerin auf X (vormals Twitter).

Zustimmung aus Ramallah

Die Palästinenserbehörde hat nach Angaben eines ranghohen Vertreters die von Israel und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas vereinbarte Waffenruhe begrüßt. "Präsident Mahmud Abbas und die Führung begrüßen das Abkommen über einen humanitären Waffenstillstand, würdigen die von Katar und Ägypten unternommenen Anstrengungen und bekräftigen die Forderungen nach einer umfassenden Einstellung der israelischen Aggression gegen das palästinensische Volk und der Einreise von humanitärer Hilfe", schrieb der ranghohe Beamte Hussein al-Scheich im Onlinedienst X.

Die Palästinenserbehörde mit Sitz in Ramallah wird von der Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Abbas kontrolliert. Sie übt die politische Kontrolle im von Israel besetzten Westjordanland aus - während die islamistische Hamas bislang die Macht im Gazastreifen innehatte. 

Katar und USA vermitteln

Das Abkommen kam unter Vermittlung des Golfemirats Katar und der USA zustande. In Israel wird erwartet, dass die schrittweise Freilassung der Geiseln am Donnerstag beginnen könnte. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz wird nach Angaben Katars die Freilassung der Geiseln überwachen. Man hoffe, dass die Vereinbarung ein erster Schritt für ein "größeres Abkommen" sein werde, sagte der katarische Staatsminister im Außenministerium, Mohammed Al-Khulaifi.

Zuvor hatte Netanjahu im Kabinett um Zustimmung für die Vereinbarung geworben. Es sei eine schwierige, aber die richtige Entscheidung, sagte der Premier. US-Präsident Joe Biden habe dazu beigetragen, die Freilassung von mehr Geiseln verknüpft mit weniger Zugeständnissen zu erreichen, so Netanjahu. Der "gesamte Sicherheitsapparat" Israels unterstütze den Plan "vollkommen".

"Krieg gegen die Hamas geht weiter"

Die Vereinbarung werde es der israelischen Armee ermöglichen, sich auf eine Fortsetzung des Kampfes gegen die Hamas vorzubereiten, betonte Netanjahu. Der Krieg werde nach der Umsetzung des Abkommens fortgesetzt, "bis wir unsere Ziele erreicht haben: die Hamas zu zerstören und alle Geiseln nach Hause zu bringen", sagte Israels Regierungschef. Zudem dürfe es in Gaza keine Bedrohung mehr für Israel geben.

Nach weiteren israelischen Luftangriffen auf Ziele im Gazastreifen steigt dicker Rauch auf
Nach weiteren israelischen Luftangriffen am Dienstag auf Ziele im Gazastreifen steigt dicker Rauch auf Bild: Leo Correa/AP Photo/picture alliance

Angehörige von Geiseln hatten gefordert, Israel müsse auf der Freilassung aller 240 Verschleppten beharren. Die Partei Religiöser Zionismus, die Teil von Netanjahus Regierungskoalition ist, kritisierte dagegen den bekannt gewordenen Plan als "schlecht" für Israels Sicherheit, für die Geiseln und für Israels Soldaten.

Die Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad hatten am 7. Oktober Israel überfallen und etwa 1200 Menschen getötet. Mehr als 240 Menschen verschleppten sie als Geiseln in den Gazastreifen. Außerdem wurden aus dem Küstengebiet tausende Raketen auf Israel abgefeuert.

Die israelische Regierung erklärte daraufhin der in Gaza herrschenden Hamas den Krieg und schickte Bodentruppen in das Palästinensergebiet. Durch die zahllosen israelischen Luftangriffe auf Ziele in Gaza und die Kämpfe dort sind nach Angaben der Vereinten Nationen inzwischen zwei Drittel der rund 2,2 Millionen Menschen obdachlos. Die Hamas wird außer von Israel auch von den USA, der EU, Deutschland und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft. 

Papst trifft Angehörige von Geiseln und Gefangenen

Papst Franziskus hat nacheinander Angehörige der israelischen Hamas-Geiseln und Angehörige palästinensischer Häftlinge in Israel getroffen und auf das Leiden auf beiden Seiten hingewiesen. Das teilte das Oberhaupt der katholischen Kirche nach seiner wöchentlichen Generalaudienz mit. "Sie leiden sehr und ich habe erfahren, wie beide Seiten leiden", sagte das 86 Jahre alte Kirchenoberhaupt und rief die Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom auf, für Frieden zu beten. 

Vatikanstadt 2023 | Papst Franziskus bei der wöchentlichen Generalaudienz
Franziskus: Beide Seiten leidenBild: Riccardo De Luca/UPDATE IMAGES PRESS/MAXPPP/dpa/picture alliance

Zu den Treffen des Papstes mit Israelis und Palästinensern hatte der Vatikan vergangene Woche vorab erklärt, Franziskus wolle mit den privaten Begegnungen seine "spirituelle Nähe" zu beiden Seiten ausdrücken. 

Israel: Marschflugkörper abgefangen

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben im Gebiet der südisraelischen Stadt Eilat einen Marschflugkörper abgefangen. Der auf Israel abgefeuerte Flugkörper sei von einem Kampfflugzeug der Luftwaffe abgewehrt worden, teilte das Militär mit.

Die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen erklärten auf der Plattform X, mehrere Raketen auf Eilat abgeschossen zu haben. Die Huthi hatten bereits mehrfach Drohnen und Raketen vom Süden der Arabischen Halbinsel Richtung Israel abgefeuert.

Zwei Mediziner von Ärzte ohne Grenzen in Gaza getötet

Zwei Mediziner der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen sind bei einem Angriff auf ein Krankenhaus im Gazastreifen getötet worden. Sie seien zusammen mit einem Kollegen in der Al-Auda-Klinik ums Leben gekommen, berichtete die Organisation am Dienstagabend in Genf. Die Klinik sei eine der letzten, die im nördlichen Teil des Gazastreifens noch funktioniere. Ein Geschoss habe den dritten und vierten Stock getroffen. Anderes Personal sei teilweise schwer verletzt worden.

Israel fordert die Bewohner des nördlichen Teils des Gazastreifens seit Wochen auf, die Region zu verlassen. Personal in den Krankenhäusern will Patientinnen und Patienten, die zu krank sind, aber nicht im Stich lassen. In der Al-Auda-Klinik befinden sich nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen mehr als 200 Patienten. Angriffe auf Krankenhäuser seien eine schwere Verletzung des für alle geltenden humanitären Völkerrechts, machte die Nichtregierungsorganisation deutlich.

Israel wirft der Hamas vor, Zivilisten und zivile Strukturen wie etwa Krankenhäuser als Schutzschilde zu missbrauchen und dort Kommandozentralen zu unterhalten. Die Islamisten weisen dies zurück. 

Generell halten sich nach UN-Schätzungen noch 700.000 Menschen im nördlichen Teil des Gazastreifens auf.

se/AR/sti/haz/nob/uh/fab (dpa, rtr, ap, afp) 

Informationskrieg in Gaza