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KonflikteNahost

Nahost aktuell: "Brot ist ein Luxusartikel" im Gazastreifen

Veröffentlicht 17. November 2023Zuletzt aktualisiert 17. November 2023

Mit Blick auf den Israel-Hamas-Krieg warnt das Welternährungsprogramm der UN vor einer Hungersnot. Der israelische Verteidigungsminister berichtet von militärischen Erfolgen in Gaza-Stadt. Nachrichten im Überblick.

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Nahostkonflikt | Frauen backen Brot in Rafah
Zwei palästinensische Frauen backen Brot in Rafah im GazastreifenBild: Hatem Ali/AP Photo/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • WFP sieht "unmittelbare Gefahr einer Hungersnot"
  • Treibstoffmangel blockiert Hilfslieferungen im Gazastreifen
  • Leiche von als Geisel genommener Soldatin gefunden
  • Galant: Israel kontrolliert Westen von Gaza-Stadt
  • Medienwächter beobachten Hass-Welle im Netz

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) hat ein verheerendes Bild von der kriegsbedingten Situation der Menschen im Gazastreifen gezeichnet. Angesichts des "nahenden Winters, der unsicheren und überfüllten Unterkünfte und des Mangels an sauberem Trinkwasser" bestehe für Zivilisten die "unmittelbare Gefahr einer Hungersnot", erklärte WFP-Exekutivdirektorin Cindy McCain. Die Menge an Lebensmitteln, die in den Gazastreifen gelange, sei nach wie vor "völlig unzureichend".

Eine Sprecherin der UN-Organisation ergänzte: "Die Menschen sind kaum in der Lage, täglich eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. Die Nahrungsauswahl beschränkt sich auf Konserven, sofern diese tatsächlich verfügbar sind. Brot ist ein Luxusartikel."

Treibstoffmangel blockiert Hilfslieferungen im Gazastreifen

Angesichts des Treibstoffmangels werden Hilfslieferungen in den Gazastreifen immer schwieriger. Nach UN-Angaben kamen den zweiten Tag in Folge keine Hilfen über den ägyptischen Grenzübergang Rafah mehr an. Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) erklärte, die Verteilung der Hilfsgüter nicht mehr koordinieren zu können, da die Kommunikation unterbrochen sei.

Das israelische Kriegskabinett teilte mit, künftig täglich zwei Lastwagen mit Dieseltreibstoff die Zufahrt in den Gazastreifen zu erlauben. Dieser soll UN-Organisationen zugutekommen, um die Wasser- und Abwasser-Infrastruktur zu unterstützen. Voraussetzung sei aber, dass der Treibstoff "nicht die Hamas erreicht", hieß es. Nach UNRWA-Angaben brachten vor Beginn des Krieges täglich rund 50 Lastwagen Treibstoff in den Gazastreifen.

Nach dem Großangriff der militanten Palästinenserorganisation Hamas am 7. Oktober hatte Israel das Gebiet komplett abgeriegelt. Unter anderem wurde die Zufuhr von Treibstoff gestoppt. Damit soll verhindert werden, dass Hamas-Kämpfer diesen für militärische Zwecke nutzen. Den 2,4 Millionen Menschen in dem schmalen Küstenstreifen fehlt es generell an Nahrungsmitteln, Medikamenten und Treibstoff. Viele Krankenhäuser können wegen Treibstoffmangels nicht mehr arbeiten.

Gaza-Kommunikationsnetz bricht zusammen

Wegen fehlenden Treibstoffs für die Stromerzeugung ist das Kommunikationsnetz im Gazastreifen ausgefallen. Alle Energiequellen, die das Netz versorgten, seien erschöpft, teilte die palästinensische Telekommunikationsgesellschaft Paltel mit.

Auch die Organisation Netblocks, die für die Beobachtung von Internetsperren bekannt ist, bestätigte einen Netz-Zusammenbruch im Gazastreifen. Sollte der Ausfall anhalten, könnten Mitarbeiter des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) vor Ort nicht mehr miteinander kommunizieren und ihre Hilfe anbieten, warnte UNRWA-Leiter Philippe Lazzarini.

Sterbliche Überreste von als Geisel genommener Soldatin gefunden

Die israelische Armee hat nach eigener Mitteilung die sterblichen Überreste einer bereits für tot erklärten Soldatin gefunden, die sich als Geisel in den Händen der Hamas befunden hatte. Der Leichnam sei von Truppen "aus einer Struktur, die an das Al-Schifa-Krankenhaus im Gazastreifen grenzt", geborgen und "auf israelisches Gebiet gebracht" worden, so das Militär. Am Dienstag hatte die Armee schon den Tod der 19-Jährigen bestätigt, ohne Angaben zur Todesursache zu machen. Die Hamas hatte am Montag erklärt, die Soldatin sei bei einem israelischen Luftangriff getötet worden.

Galant: Israel kontrolliert Westen von Gaza-Stadt

Nach Aussage von Verteidigungsminister Joav Galant hat die Armee inzwischen die Kontrolle über den westlichen Teil der Stadt Gaza erlangt. "Die nächste Phase hat begonnen", sagte Galant. "Die Streitkräfte gehen präzise und entschlossen vor." Wie die "nächste Phase" des Gaza-Kriegs konkret aussehen soll, ließ der Minister allerdings offen.

Ein Militärvertreter hatte zuvor mitgeteilt, die Armee habe auf dem Gelände des Al-Schifa-Krankenhauses, der größten Klinik des Gazastreifens, Kommando- und Kontrollzentren der Hamasentdeckt. Außerdem sei dort eine große Menge an Waffen, Munition und Handschellen gefunden worden. Das Militär veröffentlichte Fotos der Funde, auch aus anderen Kliniken. 

Gaza: Waffenfunde im Al-Schifa-Krankenhaus

Israel steht wegen seines Einsatzes in Kliniken im Gazastreifen international in der Kritik. Einige Staaten werfen dem Land Kriegsverbrechen vor. Laut humanitärem Völkerrecht sind Angriffe auf zivile Ziele wie Krankenhäuser verboten. Wenn zivile Objekte allerdings für militärische Zwecke missbraucht werden, gilt dies laut Völkerrechtlern nicht mehr zwangsläufig.

Großangriff am 7. Oktober

Hunderte Hamas-Terroristen hatten am 7. Oktober israelische Grenzanlagen überwunden und Soldaten wie auch wehrlose Zivilisten getötet. Etliche Opfer wurden gefoltert. Die Hamas feuerte Tausende Raketen auf Israel ab.

Nach jüngsten Angaben des israelischen Militärs wurden bei der Attacke mehr als 1400 Menschen auf eigenem Gebiet getötet und rund 240 Personen als Geiseln in den Gazastreifen entführt. Bei darauf folgenden israelischen Angriffen wurden nach Zahlen der Hamas-Behörden mehr als 11.000 Menschen im Gazastreifen getötet. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Hamas wird außer von Israel auch von den USA, der EU, Deutschland und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft.

Militante Palästinenser im Westjordanland getötet

Bei einem israelischen Militäreinsatz in Dschenin im besetzten Westjordanland sind mehrere Palästinenser getötet worden. Das Gesundheitsministerium in Ramallah sprach von drei Toten und 15 Verletzten, das israelische Militär von "mindestens fünf getöteten Terroristen". Es habe einen Angriff aus der Luft gegeben, zudem sei auf Angreifer geschossen worden, die Sprengsätze geworfen oder Soldaten beschossen hätten, teilte die Armee mit. Acht Verdächtige seien festgenommen sowie Waffen und Munition beschlagnahmt worden. Nach palästinensischen Berichten soll es sich bei den Getöteten um Mitglieder der Dschenin-Brigaden handeln, die der Terrororganisation Islamischer Dschihad nahestehen.

Die Hamas bekannte sich unterdessen zu einem Angriff im Westjordanland, bei dem mindestens ein israelischer Soldat getötet wurde. Die sogenannten Al-Kassam-Brigaden der Hamas erklärten, der Angriff solle "das Blut der Märtyrer von Gaza rächen". Laut israelischen Angaben hatten drei Männer einen Kontrollposten bei Jerusalem attackiert. Polizeichef Kobi Schabtai zufolge hatten die Angreifer Pistolen, Äxte und Munition für "einen größeren Angriff oder ein Massaker in Israel" bei sich. Die drei Angreifer seien getötet worden.

Die Hamas hatte die von der gemäßigteren Palästinenserorganisation Fatah dominierte Autonomiebehörde 2007 in einem Putsch aus dem Gazastreifen vertrieben. Seitdem herrscht die Fatah nur noch im Westjordanland, es gab de facto zwei Regierungen.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby
Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby: "Die Ideologie verkümmert und stirbt nicht"Bild: Anna Moneymaker/Getty Images

USA: Ideologie der Terrorgruppen stirbt nicht 

Der militärische Kampf gegen Terrorgruppen wie die Hamas oder den "Islamischen Staat" (IS) kann solche Organisationen aus Sicht der US-Regierung zwar schwächen - die Ideologie dahinter aber nicht. "Was wir aus unseren eigenen Erfahrungen gelernt haben, ist, dass man mit militärischen und anderen Mitteln durchaus einen erheblichen Einfluss auf die Fähigkeit einer Terrorgruppe haben kann, sich mit Ressourcen zu versorgen, Kämpfer auszubilden, Kämpfer zu rekrutieren, Angriffe zu planen und durchzuführen", sagte John Kirby, der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats in Washington. Dies bedeute aber "nicht, dass auch die Ideologie verkümmert und stirbt".

Medienwächter: "Extreme" Hass-Welle im Netz

Deutsche Medienwächter beobachten im Internet eine Welle von Hass und Hetze nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober. "Was wir hier seit dem Überfall der Hamas erleben, ist schon extrem", berichtete der Direktor der Landesmedienanstalt NRW, Tobias Schmid, in Düsseldorf. 570 potenziell strafbare Fälle seien in vier Wochen in Deutschland mit Hilfe künstlicher Intelligenz festgestellt und an die EU-Kommission gemeldet worden. Der nordrhein-westfälische Medienminister Nathanael Liminski betonte: "Es ist wichtig, dass wir hier effektiv sind, damit diejenigen, die dort ihren Müll verbreiten, merken, ihnen wird auf die Füße getreten."

Kommunikationsplattform X I App Store
"X" (im App Store): Manche Hasskommentare sollen zur Anzeige gebracht werdenBild: Jaap Arriens/NurPhoto/IMAGO

Während die meisten potenziell strafbaren Inhalte bislang auf der russischen Plattform VK und bei Telegram entdeckt wurden, hole in letzter Zeit die Social-Media-Plattform X (vormals Twitter) stark auf, berichtete Laura Braam, Leiterin des Aufsichtsteams. Die Landesmedienanstalt NRW koordiniert die Beobachtung bundesweit für die 14 Landesmedienanstalten und europaweit für die EU-Kommission.

wa/ust/sti/jj (dpa, afp, rtr)