Nachfolger für Bin Laden steht bereit
29. September 2001Sollte es den USA gelingen, Osama bin Laden zu fassen, steht sein Nachfolger an der Spitze der Terrororganisation El Kaida schon bereit: Aiman el Sawahiri gilt als Nachfolger des moslemischen Fundamentalistenführers, den Washington für die Terroranschläge vom 11. September verantwortlich macht. Zwar kann der 50-jährige ägyptische Chirurg sich nicht auf ein Millionen-Dollar-Vermögen stützen wie Bin Laden, doch in der radikalen Auslegung des Islam und dem Hass gegen den Westen steht Sawahiri dem mutmaßlichen Terroristenchef in nichts nach: Der frühere Führer der Terrorgruppe Ägyptischer Islamischer Dschihad soll an anti-amerikanischen Anschlägen beteiligt gewesen sein und eine Schlüsselrolle bei der Ermordung des früheren ägyptischen Präsidenten Anwar el Sadat gespielt haben.
Sawahiri gilt als enger Vertrauter bin Ladens und als einer der Vordenker des islamischen Fundamentalismus. Der Islamistik-Experte Dia Raschwan beschreibt den ägyptischen Arzt als Persönlichkeit mit starken intellektuellen Fähigkeiten. Er veröffentlichte unter anderem mehrere Bücher und Studien über den islamischen Fundamentalismus. Doch Sawahiris Erfahrungen sind nicht nur theoretischer Natur: Er soll jahrelange Erfahrung im extremistischen Kampf haben. So sei seine Terrororganisation Ägyptischer Islamischer Dschihad die "weltweit einzige, die zur Ermordung eines Präsidenten fähig" sei, sagt Raschwan mit Blick auf den Mord an Sadat im Oktober 1981. Sawahiris Name fiel Raschwan zufolge in "nahezu jedem Fall mit Verbindung zu Moslem-Extremisten seit den 70er Jahren".
Auch für Terrorismus-Fahnder ist Sawahiri kein unbeschriebenes Blatt: Seit 1999 steht er wegen eines Bombenanschlags auf die ägyptische Botschaft in Pakistan und anderer Straftaten auf der Liste der meistgesuchten Verbrecher Ägyptens. Wegen mehrerer Verbrechen seiner Terrororganisation verurteilte ihn ein ägyptisches Gericht in Abwesenheit zum Tode. 1999 klagte ihn ein New Yorker Bundesgericht wegen seiner mutmaßlichen Rolle bei den Anschlägen auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania an. Als "eine der Schlüsselfiguren in Bin Ladens Terror-Netzwerk El Kaida" wird Sawahiri zudem von Interpol mit internationalem Haftbefehl gesucht.
Nach einer dreijährigen Gefängnisstrafe im Zusammenhang mit der Ermordung Sadats floh der Chirurg aus Kairo Mitte der achtziger Jahre mit einer Handvoll Anhänger seiner Dschihad-Bewegung aus Ägypten. Über Saudi-Arabien, Pakistan, Sudan und die Vereinigten Staaten soll er unter anderem mit Hilfe falscher französischer, Schweizer und niederländischer Pässe schließlich nach Afghanistan gelangt sein. Im Jahr 1998 soll er mit der El Kaida-Organisation von Bin Laden eine Allianz gebildet haben. Nachdem US-Marschflugkörper im selben Jahr ein Lager der El Kaida in Afghanistan zerstörten, soll der Ägypter in Bin Ladens Namen einen pakistanischen Journalisten angerufen und gewarnt haben, der Krieg habe begonnen: "Die Amerikaner werden die Antwort erhalten."