Nach der Flucht: Putsch, Diktatur und der Weg zur Demokratie in Chile
Der 11. September 1973 verändert das Leben vieler Chilenen für immer: Ein Putsch gegen Präsident Allende bringt Augusto Pinochet an die Macht. 16 Jahre später wird der Diktator durch eine spektakuläre Kampagne gestürzt.
Chiles 11. September
Der 11. September 1973 verändert das Leben vieler Chilenen für immer: Der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General Augusto Pinochet, putscht gegen den amtierenden sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Die Militärs bombardieren den Präsidentenpalast "La Moneda" in der Hauptstadt Santiago, verhaften Regierungstreue, Linke und Pinochet-Gegner.
Salvador Allende: Ein Präsident des Volkes
Erst drei Jahre zuvor war der Sozialist Salvador Allende ins Amt gewählt worden. Weil er Firmen verstaatlicht und Großgrundbesitzer enteignet, begegnet seine Regierung von Anfang an heftigem Widerstand. Auch den USA ist so viel Sozialismus in Südamerika ein Dorn im Auge. Mit Hilfe der CIA boykottiert sie Allendes Wirtschaftspolitik und macht in chilenischen Medien Stimmung gegen die Regierung.
Tod des Präsidenten
Noch am Tag des Putsches begeht Salvador Allende im Präsidentenpalast Selbstmord (im Bild wird seine Leiche aus dem Gebäude getragen). "Von hier zum Friedhof, ich bin kein Mann des Exils", hatte er schon beim Amtsantritt gesagt. Währenddessen wird das "Estadio Nacional", wo sonst Fußball gespielt wird, zum Konzentrationslager: 40.000 Menschen werden eingesperrt, Tausende gefoltert und ermordet.
Ein Stadion als Konzentrationslager
Auch Walter Ramirez, Kameramann des Films "Nach der Flucht", wird verhaftet. Am 11. September 1973 läuft der Student mit einem Kommilitonen durch Santiago. Soldaten nehmen beide fest - weil sein langhaariger Freund argentinische Pesos dabei hat, die er für eine Reise zu Frau und Sohn nach Argentinien braucht. Als mutmaßliche "Landesverräter" werden beide tagelang im Nationalstadion festgehalten.
Schüsse auf die Umkleidekabine
Walter Ramirez und sein Freund werden in einer Umkleidekabine mit fast einhundert anderen Männern zusammengesperrt. Alle teilen sich zwei Toiletten, Soldaten schießen von außen auf die Fenster - aus Langeweile. Nach einigen Tagen werden Walter und sein Freund freigelassen. Warum, weiß er bis heute nicht. Vielleicht, weil sein Vater für eine US-Firma arbeitete? Das Thema ist in seiner Familie tabu.
Vom General zum Diktator: Augusto Pinochet
Der Kopf hinter dem Putsch ist General Augusto Pinochet, Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Von 1973 bis 1990 regiert er Chile diktatorisch: Linke Parteien und Gewerkschaften sind verboten, Presse- und Meinungsfreiheit abgeschafft. Von den USA, aber auch von Politikern in Deutschland, wird das Pinochet-Regime massiv unterstützt.
Folter, Morde und Bücherverbrennung
Nun leben auch Künstler, Schriftsteller und Intellektuelle in Chile gefährlich. Der Liedermacher Victor Jara wird verhaftet, gefoltert und in einem Basketball-Stadion in Santiago erschossen. Auf den Straßen werden Bücher unliebsamer Autoren verbrannt. Viele Gegner der Diktatur verlassen Chile in den nächsten Monaten und Jahren.
Antonio Skármeta: Aus Chile ins Berliner Exil
Auch der Schriftsteller und Uni-Dozent Antonio Skármeta verlässt Chile 1973. 16 Jahre lang lebt er im Exil in Berlin, schreibt dort unter anderem die erfolgreichen und teils mehrfach verfilmten Bücher "Nixpassiert" und "Mit brennender Geduld". Das Thema Exil wird eines seiner Lebensthemen. Im DW-Special "Nach der Flucht" wird Antonio Skármetas Geschichte erzählt.
Isabel Allende: Aus Chile über Venezuela in die USA
Eine andere prominente Exilantin ist Isabel Allende, Autorin des Welt-Bestsellers "Das Geisterhaus". Die Journalistin und Frauenrechtlerin geht 1975 ins Exil nach Venezuela. Präsident Salvador Allende war übrigens nicht ihr Onkel, wie es oft heißt, sondern der Cousin ihres Vaters. Im Roman "Paula" beschreibt Allende ihre Zeit im Exil. Heute lebt sie in den USA.
Pinochet und die Militärs: Das Ende naht
Im August 1987 nimmt Diktator Augusto Pinochet die Militärparade zum 14. Jahrestag seiner Machtübernahme ab. Doch seine Tage sind gezählt: Für das nächste Jahr steht eine Volksabstimmung über seine Zukunft an. Die Gegner der Diktatur mobilisieren alle Kräfte. Mit einer spektakulären Aktion leiten sie für Chile die Wende ein...
Eine Werbekampagne beendet die Diktatur
Im Oktober 1989 entscheiden die Chilenen darüber, ob Augusto Pinochet als alleiniger Kandidat bei den nächsten Wahlen antreten darf. Ja oder nein? Ein buntes Werbe-Video mobilisiert die Massen – eine Mehrheit traut sich und stimmt mit "No!". Das Ende der Diktatur ist eingeleitet.
Friedlicher Übergang zur Demokratie
Im März 1990 übergibt Pinochet das Präsidentenamt an den Christdemokraten Patricio Aylwin (rechts). Pinochet bleibt bis 1998 Chef des Heeres. Keines der zahlreichen internationalen Verfahren gegen ihn führt zu einer Verurteilung. Am 10. Dezember 2006 stirbt Augusto Pinochet mit 91 Jahren – ohne je für die Verbrechen der Diktatur zur Rechenschaft gezogen worden zu sein.
Erbe der Diktatur in einer gespaltenen Gesellschaft
Erst langsam wird die Diktatur in Chile aufgearbeitet, die Demokratie hat nicht alle Probleme gelöst. 2017 demonstrieren Menschen immer wieder gegen das in der Pinochet-Zeit privatisierte AFP-Rentensystem, das viele Chilenen ausschließt oder nur Mini-Renten bereitstellt. Das Erbe der Diktatur wirkt bis heute weiter. Aber immerhin: Jetzt dürfen die Menschen für ihre Meinung auf die Straße gehen.