Nächtliches Treiben im Capitol
20. Juli 2007Die Sicherheitsprozedur am Eingang zum Capitol ist eigentlich Routine. Metalldetektor, Röntgengerät, Münzen in der Hosentasche, die Alarm auslösen. Diesmal fragt mich der Polizist trocken: Hast Du ein Kissen dabei? Natürlich fragt er nicht aus Sicherheitsgründen, sondern aus Mitleid. Wer will schon eine nächtliche Debatte zum Irakkrieg anhören? Aber erstaunlicherweise bin ich nicht allein. Selbst einige Touristen in Ringelhemden und kurzen Hosen treibt die Neugier auf die Besuchertribüne.
Augenringe und Eitelkeit
Eine nächtliche Debatte ist selten im Capitol: Sie ist eine Art politischer Notruf und gehört zu den ausgewählten Gemeinheiten, die sich Politiker in Washington ausdenken können: solange zu reden, bis die politischen Rivalen einschlafen oder sich ins Koma gegähnt haben. Oder vor lauter Müdigkeit eine Abstimmung verpassen. Konstruktiv ist das natürlich nicht, dafür aber öffentlichkeitswirksam.
Und die Vermarktung der eigenen Position ist wichtiger als Argumente. Letztere sind ohnehin schon lange vor der Debatte bekannt. Folgerichtig sind auch die wenigen nächtlichen Zuschauer in dieser Nacht weniger am Inhalt, als an dem Schaulaufen der politischen Schwergewichte interessiert: Hillary Clinton, die trotz ihrer Augenringe in dieser Nacht jünger wirkt, Ex-Präsidentschaftskandidat John Kerry, der vor Eitelkeit kaum laufen kann oder John McCain, einst Hoffnungsträger der Republikaner, dessen Präsidentschaftskampagne bereits jetzt leere Kassen hat.
Stenograph und Marmorbüsten
Aber Schwergewichte hin oder her: Da die Debatte nur Symbolgehalt hat, reden alle Senatoren vor einem fast gänzlich leeren Saal. Nur der Senats-Stenograph in einem verknitterten Anzug ist zum Zuhören verdonnert. Einem redegewandten Senator wie Charles Schumer, der die Debatte “zur historischen Nacht “ erklärt, bleibt nichts anderes übrig, als während seiner Rede den Blick eindringlich zwischen dem Stenographen und den 24 Marmorbüsten im ehrwürdigen Senat hin und her wandern zu lassen.
Und mal ehrlich, welchen Unterschied macht es für die Demokraten, die Büsten oder die Republikaner zum Truppenabzug aufzufordern? Das Ergebnis bleibt gleich. Denn der Truppenabzug kommt vorläufig nicht zustande. Den Demokraten fehlen bei der Abstimmung erwartungsgemäß acht Stimmen für ein Votum, dass den Abzug besiegeln würde. Der Krieg im Irak bleibt für Amerika auch weiterhin ein Albtraum. So gesehen sind Nachtdebatten die logische Konsequenz.