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Frankreich vor der Wahl

Joanna Impey19. April 2012

Falls bei der Präsidentenwahl in Frankreich am Sonntag die Sozialisten gewinnen, könnte er Premierminister werden: Jean-Marc Ayrault. Im DW-Interview spricht er über die Beziehungen zu Deutschland und Europa.

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Jean-Marc Ayrault, Fraktionschef der französischen Sozialisten
'Wir stehen vor gemeinsamen Herausforderungen', sagt AyraultBild: AP

DW: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Nicolas Sarkozy im Wahlkampf öffentlich unterstützt - wie steht es um Hollandes Beziehungen zur deutschen Regierung?

Jean-Marc Ayrault: Herr Hollande hat bereits gesagt, dass er unmittelbar nach den Wahlen, sofern er Präsident wird, die Bundeskanzlerin in Berlin treffen wird. Wir stehen vor großen Herausforderungen, die gemeinsam gelöst und diskutiert werden müssen.

Vergangene Woche haben Sie dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel gesagt, "es gibt keine offizielle Verbindung, es gibt nur Botschaften, die zwischen den Beratern ausgetauscht werden." Was meinen Sie damit?

So verhält es sich ja auch. Nach der Teilnahme François Hollandes am SPD- Parteitag in Berlin hat er sich bereit erklärt, die Bundeskanzlerin vor der Wahl zu treffen - leider war das nicht möglich, aber das ist kein Problem. Entscheidend ist, was nach der Wahl passiert. Wir brauchen Stabilität zwischen unseren Ländern. Ich kenne François Hollande gut – seine gesamte politische Laufbahn zeugt von Stabilität und Berechenbarkeit. Und ich glaube, dass Frau Merkel eben diese Eigenschaften bei Herrn Sarkozy vermisst hat. Wir haben nun die Möglichkeit eines Neuanfangs der Beziehungen unserer beider Länder und Regierungen.

Ist die Finanzpolitik von François Hollande auf Kollisionskurs mit der aktuellen deutsch-europäischen Fiskalpolitik? Schließlich hat er bereits gesagt, dass er den Fiskalpakt neu verhandeln will.

Zunächst muss ein Missverständnis beseitigt werden, das in Deutschland teilweise noch verbreitet ist: François Hollande ist ein verantwortungsvoller Politiker, der keine einseitigen wirtschaftlichen Überlegungen anstellt. Er verliert die Realitäten der wirtschaftlichen Situation nicht aus den Augen, die übrigens zum großen Teil auf die Wirtschaftspolitik von Herrn Sarkozy zurückzuführen ist. Im Gegenteil, er hat von Anfang an gesagt - sogar beim SPD-Parteitag im Dezember - dass die Sanierung des französischen Haushalts erklärtes Ziel ist.

Er peilt sogar bis 2017 einen ausgeglichenen Haushalt an. Das soll aber nicht heißen, dass wir dieselbe Politik vertreten wie der amtierende Präsident. Wir haben andere Prioritäten, wie zum Beispiel mehr Investitionen im Bildungssektor, eine effektive Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und eine gerechte Steuerpolitik. Wir wollen die finanzielle Situation verbessern, ohne Wachstum und Beschäftigung zu schädigen. Das ist unsere oberste Priorität sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene.

Sie haben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt, dass Sie in Bezug auf den Fiskalpakt "keine Blockadepolitik anstreben." Kann sich Europa darauf verlassen?

Natürlich, aber wir wollen auch darüber diskutieren. Die Sanierung des öffentlichen Haushalts in Frankreich ist wichtig, aber dies kann doch nicht als einzige Wirtschaftspolitik für Europa gelten, sonst wird sich der Europafrust fortsetzen. Deshalb wollen wir den bestehenden Fiskalpakt neu verhandeln und mit einer Wachstumsstrategie ergänzen, die bislang fehlt. Dies ist nicht nur ein Thema in Frankreich, sondern auch in Deutschland, Italien und Spanien: Die Krise in Europa ist noch nicht vorbei. Wir müssen das Wachstumsproblem lösen, und eben das wollen wir mit den Deutschen diskutieren.

Welche Rolle spielen Sie in diesen Verhandlungen?

Ich pflege nicht nur gute Beziehungen zu meinen Freunden in der SPD, sondern auch zu deutschen Regierungskreisen. Es ist wichtig, dass man sich gut kennt, wenn man etwas gemeinsam erreichen will.

Welche Rolle würden Sie in einer zukünftigen, sozialistisch geführten Regierung spielen?

Das kann ich noch nicht sagen. Die Entscheidung liegt bei François Hollande. Zunächst müssen wir erst einmal die Wahl gewinnen.

Sie werden bereits als nächster Premierminister gehandelt. Eine reizvolle Rolle?

Dafür ist es noch zu früh. Wir haben noch nicht gewonnen. Zwei Wahlgänge liegen vor uns und wir wollen beide gewinnen. Nach der Wahl des Präsidenten kommt noch die Wahl zur Nationalversammlung – auch dort brauchen wir eine Mehrheit.

Jean-Marc Ayrault ist seit 15 Jahren Fraktionschef der Sozialisten in der französischen Nationalversammlung. Der ehemalige Deutschlehrer gilt als enger Vertrauter des sozialistischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande. Im Falle eines Wahlsiegs der Sozialisten könnte Ayrault eine Schlüsselrolle zufallen.