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Politik

Mysteriöse Rebellion auf den Komoren

Jan Philipp Wilhelm
24. Oktober 2018

Tagelang liefern sich bewaffnete Kämpfer auf der komorischen Insel Anjouan Gefechte mit Regierungstruppen. Konkrete Forderungen gibt es nicht. Bewohner und Beobachter rätseln, wer hinter dem Angriff steckt.

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Komoren Auseinandersetzung auf der Insel Anjouan
Streitkräfte durchsuchen die Altstadt von Mutsamudu auf der komorischen Insel AnjouanBild: Getty Images/AFP/Y. Ibrahim

Tage voller Angst liegen hinter den Bewohnern der Altstadt von Mutsamudu auf Anjouan, der zweitgrößten Insel der Komoren. Fast eine Woche lang hatten sich Rebellen in den engen Gassen der Inselhauptstadt verschanzt und sich Feuergefechte mit Regierungstruppen geliefert. Anwohner mussten währenddessen teils ohne Wasser und Strom in ihren Wohnungen ausharren, laut Agenturberichten kamen mindestens zwei Zivilisten ums Leben. Erst nachdem Verstärkung von einer Nachbarinsel eintraf, gelang es der Armee, die Rebellion zu beenden.

Seitdem kehrt langsam wieder Ruhe ein in Mutsamudu. Menschen trauen sich wieder auf die Straße, Ladenbesitzer öffnen ihre Türen. "Das Militär hat begonnen, sich zurückzuziehen und die Einwohner gewinnen die Altstadt zurück", berichtet Kamal Ali, Journalist beim DW-Partnersender StarFM auf Anjouan. Was jedoch bleibe, seien eine Menge Fragen: "Wir wissen nicht, wie viele Rebellen festgenommen wurden, wie viele noch draußen sind und wie viele Waffen noch im Umlauf sind", sagt Ali.

Präsidenten-Rotation sorgte für Stabilität

Offen ist derzeit auch, woher die Rebellen kamen und was sie überhaupt wollten. Zwar gebe es eine große Unzufriedenheit mit der Regierung auf Anjouan, sagt Komoren-Experte Iain Walker vom Max-Planck-Institut für Soziale Anthropologie in Halle. Doch wer genau hinter der jüngsten Aktion stecke, sei unklar. "Die Rebellen scheinen keinen Sprecher zu haben, es gab keine Forderungen. Sie haben sich einfach verschanzt und angefangen Widerstand zu leisten", so Walker im DW-Interview. Auch habe es kaum Unterstützung aus der Bevölkerung für die Rebellen gegeben.

Für die Komorer sind gewalttätige Rebellionen nichts Neues. Im Schnitt, so rechnete die britische Wochenzeitung Economist kürzlich vor, gab es seit der Unabhängigkeit von Frankreich alle zwei Jahre einen Putsch auf dem Archipel. Erst ein 2001 eingeführtes Rotationsprinzip, unter dem die Präsidentschaft alle fünf Jahre einer anderen Insel zufiel, brachte den Komoren relative Stabilität. Doch nun werfen Oppositionelle von den beiden kleineren Inseln Anjouan und Mohéli Präsident Azali Assoumani vor, unter dem Vorwand von Sparmaßnahmen das Rotationsprinzip abzuschaffen, um selbst an der Macht bleiben zu können.

Karte Komoren DE

Ärger um die neue Verfassung

Denn eigentlich müsste Azali, der von der Hauptinsel Grand Comore stammt, sein Amt spätestens 2021 an einen Kandidaten von der Insel Anjouan abgeben. Doch im Juli hatte der Präsident über eine neue Verfassung ohne Rotationsprinzip abstimmen lassen und das Referendum gewonnen. Die Abstimmung gilt als umstritten, die Opposition hatte zum Boykott aufgerufen.  Nun könnte Azali bereits im nächsten Jahr Wahlen abhalten, selbst wieder antreten und für weitere zehn Jahre im Amt bleiben.

Überhaupt scheint Präsident Azali auf dem besten Weg, sein Land in einen autokratischen Staat zu verwandeln. Im April entmachtete er das Verfassungsgericht der Komoren, das bis dahin als letzte politisch unabhängige Institution des Landes gegolten hatte. Seit dem Referendum im Juli berichten Regierungsgegner auch von verstärkten Repressionen, einige Mitglieder der oppositionellen Juwa-Partei wurden verhaftet oder mussten untertauchen. Schon seit Mai steht außerdem Azalis ärgster Konkurrent, der ehemalige Präsident Ahmed Abdallah Sambi, aufgrund von Korruptionsvorwürfen unter Hausarrest.

Wer rebellierte in Mutsamudu?

Für die Regierung ist der Schuldige für die jüngste Rebellion auf Anjouan deshalb auch schon ausgemacht: Abdou Salami Abdou, Gouverneur der Insel und Verbündeter von Ahmed Abdallah Sambi, soll den Aufstand angezettelt haben. Seit Sonntag steht der Gouverneur nun ebenfalls unter Hausarrest. Der bestreitet die Vorwürfe allerdings.

Komoren Auseinandersetzung auf der Insel Anjouan
Streitkräfte vor der Altstadt der Inselhauptstadt MutsamuduBild: Getty Images/AFP/Y. Ibrahim

Derweil macht auf den Komoren eine Theorie die Runde, wonach Präsident Azali selbst involviert gewesen sei. "Es gibt Gerüchte, dass es darum gehen könnte, Abdou Salami als Gouverneur loszuwerden, weil er zu Sambis Camp gehört", sagt Komoren-Experte Walker. "Die ganze Sache ist sehr komplex und verschachtelt, aber es könnte etwas dran sein."

Kommentatoren in sozialen Medien spekulieren auch über eine mögliche Beteiligung von einflussreichen Gruppen auf Mayotte, der vierten Insel des Archipels, die allerdings zu Frankreich gehört. Schon in der Vergangenheit seien Rebellengruppen auf Anjouan von Mayotte aus bewaffnet und finanziert worden, erklärt Walker. Er sehe allerdings keine Anhaltspunkte, dass das auch diesmal der Fall gewesen sei.

Saudisch-iranische Rivalität auf den Komoren?

Auch den Einschätzungen mancher Beobachter zufolge, wonach sich auf den fast ausschließlich sunnitisch geprägten Komoren eine Art Stellvertreterkrieg zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran entwickeln könnte, erteilt Walker eine Absage. Zwar habe Präsident Azali in den vergangenen Jahren eine größere Nähe zu Saudi-Arabien gesucht, während seinem Vorgänger und Widersacher Sambi enge Beziehungen zum Iran nachgesagt werden. Doch letztlich gehe es dabei schlicht um finanzielle Unterstützung.

Nach den Gefechten der vergangenen Woche gehen die Menschen in Anjouan nun wieder ihren Geschäften nach. Ob dauerhaft Ruhe einkehrt? Das hänge davon ab, unter welchen Bedingungen die kommenden Wahlen stattfinden werden, sagt Anthropologe Walker. "Wenn die Wahlen offen sind für Kandidaten von allen Inseln und Sambi nicht freigelassen wird, dann wird es Probleme geben."

Mitarbeit: Mireille Dronne