Mutter, ich bin metrosexuell
29. Juli 2003Er rasiert sich die Brusthaare, schaut sich lieber drei Kunstgalerien als ein Eishockey-Spiel an und pflegt sich mehrmals am Tag mit einer teuren Gesichtscreme. Nein, er ist nicht das Klischeebild eines Homosexuellen, sondern der neueste Trend unter wahren Männern: Der Metrosexuelle. Der Metrosexuelle lebt seine weibliche Seite aus, pflegt sich mit teuren Produkten und sieht gut dabei aus. Seine sexuellen Präferenzen stehen jedoch außer Frage: Er will Frauen. Schwul leben, aber nicht schwul sein, ist die Devise.
David Beckham als Stilikone
"Ich höre immer, die Mädels wollen ihre Freunde gerade so ein bisschen schwul haben. Sie wollen mit dir in ein Restaurant gehen, und du musst eine Pfeffermühle von einem Bierhahn unterschieden können", erzählt der Galerie-Besitzer Clint Roenisch, seines Zeichens erklärter Metrosexueller, der kanadischen Zeitung "Toronto Star". Und seine Freundin Dionne McAffee kann dem nur beipflichten: "Mein Modegeschmack hat sich sehr verbessert seit ich mit ihm zusammen bin. Ich will jemanden haben, der mir sagt, dass die Schuhe nicht zu diesem Outfit passen und der mir später trotzdem die Kleider vom Leib reißt."
Die britische Ikone der Metrosexualität ist Fußballspieler David Beckham. Er geht regelmäßig zur Maniküre, lässt sich seine Fingernägel auch mal lackieren, hat ständig eine neue Frisur und trägt die Unterwäsche seiner Frau. Dass er trotz alledem kein Weichling ist, beweisen seine anhaltende Popularität als starker Mann auf dem Fußballplatz, seine Ehe zu Ex-Spice-Girl Victoria und natürlich seine Rolle als Vater zweier Kinder. Kein Fan nahm ihm übel, dass er sich für das Titelbild eines Hochglanzmagazins für Homosexuelle porträtieren ließ.
35 Prozent sind metro
Das Magazin "Economist" schätzt, dass ungefähr 30 bis 35 Prozent der Männer im Alter von 25 bis 45 Jahren in den USA metrosexuelle Tendenzen haben. Für die Kosmetik-, Mode- und Accessoirebranche ist das ein gefundenes Fressen. Alleine der Markt für Haarprodukte für Männer hat in den USA bereits einen Umfang von acht Milliarden Dollar erreicht - Tendenz steigend.
Aufgewachsen ist der klassische Metrosexuelle mit Glamrock-Helden wie David Bowie und Marc Bolan. Inzwischen lebt er in der schönen, neuen Männerwelt. Die duftet nach exklusiven Parfums, ist stilistisch en vogue und klar designed. Nur, ganz angekommen ist die Botschaft vom neuen Mann noch nicht überall.
Leben umkrempeln
Die neue US-Genreshow "Queer Eye for the Straight Guy" (etwa: Homo-Auge für den Hetero) sorgt dafür, den Metrosexuellen weiter zu etablieren. Hier besuchen fünf Homosexuelle einen hoffnungslos schlecht gekleideten und ungepflegten Kerl zu Hause. In kürzester Zeit krempeln die Herren seinen Kleiderschrank, seine Wohnungseinrichtung und sein Leben um. Vom Insidertrend dürfte der Metrosexuelle damit langsam zum Massenphänomen werden. Spätestens wenn lackierte Fingernägel dann auch in deutschen Fußgängerzonen Pflicht werden, sollten wir uns auf neue Trends aus dem subkulturellen Kontext freuen. (mb)