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Mutmaßlicher Drahtzieher will kooperieren

17. Januar 2023

Der Italiener Pier Antonio Panzeri gilt als Schlüsselfigur und Hauptverdächtiger im EU-Korruptionsskandal. Jetzt will der 67-Jährige nach Angaben der Justiz auspacken. Dafür bekommt er eine Gegenleistung.

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Ehemaliger EU-Abgeordneter Pier Antonio Panzeri
Pier Antonio Panzeri saß jahrelang für die Sozialdemokraten im EU-ParlamentBild: Marc Dossmann/EU/European Parliament/AFP

Wie die zuständige Staatsanwaltschaft in Brüssel mitteilte, unterschrieb der ehemalige EU-Abgeordnete eine Vereinbarung, wonach er eng mit der belgischen Justiz zusammenarbeiten will. Im Gegenzug werde seine Strafe reduziert. Die Behörde sprach von einer "wichtigen Entwicklung".

Pier Antonio Panzeri ist Italiener und gilt als wichtiger Akteur in dem Skandal, den belgische Ermittler im Dezember aufgedeckt hatten. Dabei geht es um mutmaßliche Einflussnahme aus Katar und Marokko auf politische Entscheidungen des Europaparlaments.

Einfallstor für Einflussnahme

Im Fokus standen neben Panzeri unter anderem auch die ehemalige Vizepräsidentin Eva Kaili und ihr Lebensgefährte Francesco Giorgi, der als Assistent eines Abgeordneten im Parlament arbeitete. Panzeri war laut der belgischen Zeitung "Le Soir" von Giorgi beschuldigt worden, der Chef einer mutmaßlichen Organisation gewesen zu sein, die von Katar und von Marokko genutzt worden sei, um sich in europäische Angelegenheiten einzumischen.

Eva Kaili, ehemalige Vizepräsidentin des EU-Parlaments
Ebenfalls in Untersuchungshaft: Ex-Vize-Parlamentschefin Eva Kaili aus GriechenlandBild: Giannis Panagopoulos/Eurokinissi/ANE Edition/IMAGO

Alle drei sind derzeit in Untersuchungshaft. Ihnen werden die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption zur Last gelegt.

Der Staatsanwaltschaft zufolge unterschrieb Panzeri die Vereinbarung im Beisein seines Anwalts. Die Behörde nannte den 67-Jährigen eine der "Schlüsselfiguren" des Falls.

Gefängnisstrafe wird verkürzt

Panzeri habe sich verpflichtet, den Ermittlern umfassende Einblicke in die kriminellen Strukturen zu liefern. Dazu gehören den Angaben zufolge unter anderem die Namen derjenigen, die bestochen wurden, die versprochenen Vorteile und finanzielle Arrangements mit anderen Ländern.

Im Gegenzug erhält der ehemalige Abgeordnete eine kürzere Haftstrafe und muss eine Geldstrafe zahlen. Außerdem sollen seine gesamten erworbenen Vermögenswerte eingezogen werden, die derzeit auf eine Million Euro geschätzt werden. Kurz zuvor hatte die Staatsanwaltschaft bereits mitgeteilt, dass Panzeri seine Berufung gegen die im Dezember verhängte Untersuchungshaft zurückgezogen hat.

Der 67-Jährige saß von 2004 bis 2019 für die Sozialdemokraten im Europaparlament. Zuletzt leitete er die Nichtregierungsorganisation Fight Impunity. Diese wird nun von den belgischen Ermittlern genauer durchleuchtet. Bei Durchsuchungen im Dezember fanden die Ermittler 600.000 Euro in bar bei Panzeri.

Kronzeugenregelung wie bei der Mafia

Der Staatsanwaltschaft zufolge wurde nun das sogenannte Pentiti-Gesetz angewendet. Der Name beziehe sich auf das italienische Gesetz zur Kronzeugenregelung bei Mafia-Ermittlungen. Dabei verpflichte sich ein Geständiger, "substanzielle, aufschlussreiche, wahrheitsgemäße und vollständige Angaben" zur Beteiligung Dritter und zur eigenen Beteiligung zu machen.

Die Enthüllungen der belgischen Justiz vom 9. Dezember erschütterten das EU-Parlament nachhaltig. Präsidentin Roberta Metsola kündigte am Montag erste Reformen an, die das Parlament transparenter und weniger anfällig für Korruption machen sollen.

Dazu gehören unter anderem strengere Regeln für ehemalige Abgeordnete, die im Europaparlament Lobbyarbeit machen wollen. Auch sollen künftig alle Treffen von Abgeordneten mit Dritten öffentlich gemacht werden, die in Verbindung zu einem Bericht oder einer Entschließung stehen.

Nachdem die Vorwürfe der belgischen Ermittler öffentlich geworden waren, setzte das Parlament die griechische Sozialdemokratin Kaili noch im Dezember fast einstimmig als Vizepräsidentin ab. An diesem Mittwoch soll über ihre Nachfolge entschieden werden.

gri/kle (dpa, afp)