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Montenegro arbeitet an neuer Verfassung

1. Februar 2007

Montenegro hat vom Europarat in Straßburg die Empfehlung erhalten, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Nun müssen die Parlamentarier über den Inhalt entscheiden. Umstritten sind allerdings einige grundlegende Fragen.

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So mancher Paragraf ist noch ungeklärtBild: BilderBox

Eine Kommission des Europarates hat Montenegro empfohlen, eine neue Verfassung zu verabschieden und nicht nur die alte Verfassung von 1992 zu ändern. Vertreter des Europarates erklärten, eine neue Verfassung sei die Voraussetzung für eine Aufnahme Montenegros in die älteste paneuropäische Organisation. Eine parlamentarische Verfassungskommission hat inzwischen einen Entwurf ausgearbeitet. Die Regierung in Podgorica hofft, dass die Verfassung rasch angenommen wird, damit das Land noch im April als 47. Mitglied dem Europarat beitreten kann. Allerdings gibt es erhebliche Differenzen über grundlegenden Fragen. In dem Verfassungsentwurf wird vorgeschlagen, dass Montenegro ein Bürgerstaat wie in der noch gültigen Verfassung bleibt. Montenegrinisch soll als Amtssprache gelten und der Status der kanonisch nicht anerkannten montenegrinisch-orthodoxen Kirche dem der übrigen Religionsgemeinschaften in Montenegro angeglichen werden.

Widerstand aus Oppositionsreihen

Die Führung der oppositionellen Serbischen Volkspartei (SNS) hat deutlich gemacht, dass kein Kompromiss über die Empfehlungen des Europarates erzielt werden könne. Der Parteispitze zufolge ist der Vorschlag des Europarates, dass Montenegro in der Verfassung als Bürgergesellschaft definiert wird, für die Serben nicht akzeptabel. Die SNS fürchtet, dass weder die Stabilität des Landes noch die Gleichstellung der Bürger und Ethnien gewährleistet würden – insbesondere die der Serben, die ein Drittel der Gesamtbevölkerung Montenegros ausmachen. Die SNS fordert deshalb, dass Montenegro als Staat der Serben und Montenegriner definiert werden solle. Den Status eines konstitutiven Volkes fordern allerdings auch die politischen Vertreter der Bosniaken. Die Albaner würden sich mit dem Status Minderheit zufrieden geben, fordern aber, dass ihre Rechte als nationale Minderheit einzeln und detailliert in der Verfassung festgeschrieben werden.

Dafür, dass die Vorschläge des Europarates angenommen werden, setzen sich indes alle übrigen Parteien ein, einschließlich der oppositionellen Bewegung für Wandel (PzP) von Nebojsa Medojevic und der Sozialistischen Volkspartei (SNP). Das heißt, es ist durchaus möglich, dass bei einer Abstimmung im Parlament mehr als das zwei Drittel der Abgeordneten wie erforderlich die Empfehlungen aus Straßburg billigen könnten.

Festgefahrene Positionen?

Es gibt aber Anzeichen dafür, dass der höchste Rechtsakt Montenegros erst im Herbst verabschiedet wird. Denn in der parlamentarischen Verfassungskommission sollen zunächst die umstrittensten Fragen erörtert werden. Diese spalten bereits seit Jahrzehnten Montenegro, nämlich: der Status der montenegrinisch-orthodoxen Kirche und Montenegrinisch als Amtssprache. Die Regierung befürwortet beides, Teile der Opposition darunter die Serben, lehnen beides kategorisch ab. In diesen Punkten möchte – zumindest bis jetzt – niemand nachgeben. Die Bewegung für Wandel schlug daher vor, dass sich die Bürger in einem Referendum zu diesen noch offenen Fragen äußern sollten. Diese Partei meint zudem, dass die Verabschiedung einer neuen Verfassung der richtige Zeitpunkt sei, einen Konsens über den Aufbau eines demokratischen und europäischen Staates Montenegro zu erzielen.

Der politische Analyst Svetozar Jovicevic sagte DW-RADIO, die montenegrinischen Politiker würden erst auf Druck der internationalen Gemeinschaft bzw. der EU zu einem Einvernehmen gelangen. Ebenso sei es gewesen, als die Regeln für das Referendum über Unabhängigkeit festgelegt wurden. "Daher scheint mir, dass dies die Ausarbeitung der Verfassung beschleunigen wird", meinte Jovicevic.

Mustafa Canka, Ulcinj
DW-RADIO/Serbisch, 29.1.2007, Fokus Ost-Südost