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Monster und Magie: Cornelia Funke ist 60

Sabine Peschel
10. Dezember 2018

In ihren Welten voller Rätsel und Geheimnisse erwachen Bücher zum Leben. Nun ist Deutschlands international erfogreichste Jugendbuchautorin 60. Wir stellen ihren bekanntesten Roman vor: Tintenherz.

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Cornelia Funke Lesung in Berlin
Bild: picture-alliance/Eventpress Hoensch

Es war Michael Ende, der 1979 seinen Lesern die Kraft von geheimnisvollen Phantasiereisen durch magische Bücher vermittelte. Seine "Unendliche Geschichte" nahm nicht nur Kinder auf einen Abenteuertrip ins Reich der Bücher mit, die ihre Phantasie beflügelte. Auch viele Erwachsene liebten seine Geschichte, und die Kinder von einst lieben sie heute noch. 

Unter den Fans der "Unendlichen Geschichte" wiederum dürfte es wenige geben, die noch kein Buch von Cornelia Funke gelesen, keines ihrer Hörspiele gehört oder zumindest eine Verfilmung ihrer weltweit erfolgreichen Bücher gesehen haben. Die Autorin, die in den Neunzigerjahren mit "Die wilden Hühner", einer Buchreihe über eine Mädchen-Bande, und mit "Herr der Diebe" und "Drachenreiter" bekannt wurde, hat die von Ende geöffnete Tür mit ihrem phantastischen Geschichten weit aufgestoßen. 

"Tintenherz" von Cornelia Funke

Weltweiter Erfolg bei jungen Lesern

Ihr Jugendroman "Tintenherz", der 2003 gleichzeitig auf Deutsch und Englisch erschien, brachte dann den endgültigen Durchbruch. Das Buch war so erfolgreich, dass die Kinderbuchautorin, anders als anfänglich geplant, die Geschichte weiterspann. Im Abstand von jeweils zwei Jahren folgten auf "Tintenherz" die Bände "Tintenblut" und "Tintentod" - aus einem einzelnen Buch wurde am Schluss eine Trilogie. 

"'Vielleicht gibt es hinter der gedruckten Geschichte eine andere, viel größere Geschichte, die sich ebenso wandelt, wie unsere Welt es tut? Und die Buchstaben verraten uns darüber gerade so viel wie ein Blick durchs Schlüsselloch. Vielleicht sind sie nicht mehr als der Deckel zu einem Topf, der viel mehr enthält, als wir lesen können?'"

Für ihre Bücher benützt Funke die Grundkonstellation aller Fantasy-Geschichten: den Kontrast zwischen der fiktiven realen und der phantastischen Welt, und einer schlüssellochartigen Verbindung zwischen beiden Welten. Das Schlüsselloch sind - wie bei Michael Ende: Bücher. 

Dreharbeiten zum Film "Tintenherz"
"Tintenherz" wurde auch verfilmt und kam 2008 in die Kinos Bild: picture-alliance/dpa

Aus Büchern Figuren herauslesen

Der Buchbinder Mortimer, im Roman kurz "Mo" genannt, verfügt über die Gabe, aus Büchern Figuren, aber auch Dinge herauszulesen. So wechseln auch einige der finsteren Gestalten, die er unfreiwillig aus ihren Geschichten befreit hat, in die 'reale' Welt. "Tintenherz" ist das Buch im Buch, aus dem er Capricorn befreit hat. 

Jetzt ist der Anführer einer Bande von Brandstiftern und Erpressern hinter ihm her, um alle noch in der Welt befindlichen Exemplare des Buches an sich zu bringen. Um dem Bandenschef und seinem Abgesandten Staubfinger zu entgehen, muss Mo mit seiner Tochter Meggie immer wieder den Ort wechseln. Zuletzt suchen der Vater und die Zwölfjährige Zuflucht bei der Büchernärrin Elinor.

Staubfinger sucht nach dem Rückweg in die "Tintenherz"-Welt. Er möchte deshalb Mos Gabe für seine eigenen Zwecke nutzen. Es gelingt ihm, die Drei in das ligurische Bergdorf zu locken, in dem Capricorn und seine Bande hausen. Das Trio wird eingesperrt - und eine Abenteuergeschichte voller Rätsel und Geheimnisse nimmt ihren Lauf. 

Meggie entdeckt das erst jetzt: Sie hat die Fähigkeit ihres Vaters geerbt. Auch sie kann furchteinflößende Monster aus einem Buch herauslesen, und könnte sogar mit Worten töten. Doch Fenoglio, der Autor des Buchs, aus dem Meggie vorlesen soll, hat die Geschichte längst umgeschrieben. Der Oberbösewicht und seine Verbrecherschar kommen um, die drei kommen frei.

Die Macht des Lesens

"Tintenherz" ist ein Buch über den Zauber des Lesens. Dass ein Bücherfan die Gabe hat, Figuren aus einem Roman in die Wirklichkeit zu transferieren, ist ein Stoff zum Träumen. Bücher schaffen Phantasie-Welten - Welten, in denen auch Heimatlose einen Ort für sich finden können. Ein Gedanke, den anspruchsvolle Literaten und vor allem Autoren, die im Exil leben mussten, immer wieder formuliert haben. Bei Cornelia Funke ist es der aus der "Tintenherz"-Welt vertriebene Brandstifter Staubfinger, der dieser Vorstellung nachhängt, als er Elinor vor den Ruinen ihrer Bibliothek beobachtet:

"Auch ihre Welt hatte aus Papier und Druckerschwärze bestanden, ähnlich wie die seine. Wahrscheinlich fühlte sie sich in der echten Welt ebenso fremd wie er."

Filmszene aus dem Film "Tintenherz"
Brendan Fraser (2. v. l.) als "Mo" und Eliza Bennetta (3. v. l.) als Meggie Folchart im Film "Tintenherz"Bild: Imago/Zuma Press

Auflagen-Superstar

"Tintenherz" ist überreich an Phantasie und Ideen. Aber Cornelia Funke erweckt in ihrem spannenden Jugendroman ein Phantasiereich zum literarischen Leben, das bei aller Märchenhaftigkeit Brücken zur Wirklichkeit seiner jungen Leser schlägt. 

Meggie, die zwischen Alltagsrealität und Phantasiewelt ihren Weg finden muss, steht an der Schwelle vom Mädchen zur jungen Frau, ihr begegnet die erste Liebe. Wie geht man mit seiner Angst, vielleicht auch seinem Hass um, wenn einem etwas Böses begegnet? All das sind Themen, mit denen sich Jugendliche heutzutage herumschlagen.

Cornelia Funkes Roman "Tintenherz" hat wie seine beiden Nachfolger weltweit viele Millionen Fans. Die Bestsellerautorin lebt seit 2005 im US-Staat Kalifornien, viele US-Leser halten sie für eine amerikanische Schriftstellerin. Ihre bald fünfzig Bücher wurden in 37 Sprachen übersetzt und in mehr als 26 Millionen Exemplaren verkauft. Sie ist längst keine  deutsche, sondern eine Weltautorin. Vom Time Magazin 2005 wurde sie in die Riege der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt aufgenommen. 

Die Welt von "Tintenherz", illustriert von Cornelia Funke
Die Welt von "Tintenherz", illustriert von Cornelia FunkeBild: Dressler Verlag/Cornelia Funke

Die Phantasie feiern

Funke ist vielfach mit J.K. Rowling verglichen worden. Was die beiden Auflagen-Superstars verbindet, ist ihr soziales Engagement. Die Gemeinsamkeit ihrer Werke ist ebenso unverkennbar: Sie sind eine große Feier der abenteuerlichen Phantasie und des verzaubernd Märchenhaften. 

Cornelia Funke: "Tintenherz" (2003), Dressler Verlag (Hardcover), Oetinger Verlag (Taschenbuch)

Cornelia Funke wurde 1958 in Dorsten in Westfalen geboren. Sie studierte in Hamburg, zuerst Pädagogik, dann ließ sie sich an der Fachhochschule für Gestaltung zur Illustratorin ausbilden. Ihre Kinder- und Jugendbücher illustriert sie selbst. 2005 zog sie mit ihrem Mann und zwei Kindern nach Los Angeles. 

Seit 2017 lebt die Autorin in Santa Monica. Sie engagiert sich sozial- und umweltpolitisch und ist 2018 Botschafterin des deutsch-amerikanischen Jahres. Um sich politisch noch effektiver positionieren zu können, möchte sie sich in den USA einbürgern lassen. Eine Fortsetzung von "Tintenherz" unter dem Arbeitstitel: "Die Farbe der Rache" hat Cornelia Funke bereits geplant. 

Lesen Sie hier ein Interview mit der Autorin.