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Moldau: EU-Beitrittsverhandlungen und russische Propaganda

Vitalie Calugareanu | Robert Schwartz
20. April 2023

Das Europaparlament hat sich für rasche EU-Beitrittsverhandlungen mit der Republik Moldau ausgesprochen. Pro-russische Kräfte versuchen verstärkt, dies zu verhindern - auch mit Kampagnen auf DW-Seiten.

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Das Wappen der Republik Moldau vor der EU-Flagge
Das Wappen der Republik Moldau vor der EU-FlaggeBild: Dado Ruvic/REUTERS

Das Europaparlament hat sich für den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Republik Moldau noch in diesem Jahr ausgesprochen. Das Land müsse allerdings die erforderlichen Schritte dafür erfüllen, hieß es am Mittwoch (19.04.2023) in Straßburg. Die EU-Mitgliedschaft der Moldau sei eine geostrategische Investition in ein geeintes und starkes Europa, so die EU-Abgeordneten. Bereits im Juni 2022 hatte die EU der Republik Moldau und der von Russland überfallenen Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten zugesprochen.

Nach Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine (24.02.2022) hatte die pro-europäische Regierung der Moldau sowohl Moskau als auch den pro-russischen Kräften wiederholt eine gezielte Destabilisierung des Landes vorgeworfen. Ein jüngster Vorfall betraf auch das rumänischsprachige Online-Angebot der Deutschen Welle (DW).

DW blockiert Werbebanner

Anfang der Woche publizierte die DW einen Hintergrundbericht auf Rumänisch über die neuen Versuche Russlands, die Lage in der Republik Moldau zu destabilisieren. Nur für die Nutzerinnen und Nutzer des DW-Angebots in der Moldau sichtbar (Rumänisch ist offizielle Landessprache), erschien im Artikel ein Werbebanner mit einem Aufruf zu einer Demonstration in der Hauptstadt Chisinau am 7. Mai 2023 unter dem Slogan "Lasst uns die Diebe in der Regierung stürzen!". Der URL-Link führte zu einer Facebook-Seite der oppositionellen pro-russischen Partei Sor. Die Anzeige erscheint über Google Ads seit einigen Tagen auch auf mehreren moldauischen Webseiten.

Screenshot eines rumänisch-sprachigen DW-Beitrags mit dem Propaganda-Aufruf der pro-russischen Partei Sor in einem Werbebanner
Propaganda-Aufruf der Partei Sor zu einem Protest gegen die pro-europäische Regierung der Republik Moldau - Werbekampagne in einem DW-Artikel (Screenshot)Bild: DW

Der Propaganda-Aufruf, das Land "vor den Dieben zu retten", stammt von einer politisch-oligarchischen Gruppe, deren Anführer Ilan Sor (Shor) in der vergangenen Woche endgültig zu 15 Jahren Haft und Beschlagnahme von Vermögenswerten im Wert von umgerechnet 2,5 Millionen Euro verurteilt wurde. Der flüchtige Oligarch - er hält sich mutmaßlich in Israel auf - wurde des Betrugs und der Geldwäsche in besonders großem Umfang für schuldig befunden. Er ist die Hauptfigur im berüchtigten "Bankraub" von rund einer Milliarde Euro aus dem Jahr 2014.

Shor, der die moldauische und die israelische Staatsbürgerschaft besitzt, verließ die Moldau im Juni 2019 fluchtartig - gleichzeitig wie ein anderer Oligarch, Vladimir Plahotniuc. Dieser hatte den Staat durch ein weitgefächertes Korruptionsnetz über die von ihm geführte Demokratische Partei jahrelang im Würgegriff. Sowohl Plahotniuc als auch Shor werden mit internationalem Haftbefehl gesucht und stehen auf den Sanktionslisten der USA und Großbritanniens. Derzeit prüft die EU im Zusammenhang mit Russlands Versuchen, die Republik Moldau zu destabilisieren, mögliche Sanktionen gegen die flüchtigen moldauischen pro-russischen Oligarchen.

Die Sor-Partei hat ihre Angriffe gegen die pro-europäische Regierung in Chisinau gemeinsam mit Russland seit den frühen Tagen des russischen Kriegs gegen die Ukraine verstärkt. Die moldauische pro-westliche Präsidentin Maia Sandu und ihr ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskyj haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die Republik Moldau das nächste Ziel Russlands sei, wenn die Ukraine überrollt werden sollte.

Bisher hat Russland auf jeden Schritt Chisinaus in Richtung EU-Integration mit Drohungen, Propaganda, Lügen und Panikmache reagiert. Die Sor-Partei ihrerseits wurde immer lauter, seit sich die großen Korruptionsprozesse dem Ende näherten und der Einfluss der flüchtigen Oligarchen auf das moldauische Justizsystem immer geringer wurde.

Russischer Diplomat ausgewiesen

Am Mittwoch (19.04.2023) wurde ein Diplomat der Botschaft der Russischen Föderation in der moldauischen Hauptstadt Chisinau zur Persona non grata erklärt und aufgefordert, das Land zu verlassen. Der Vorfall steht im Zusammenhang mit dem Versuch einer russischen Delegation unter Leitung des Gouverneurs der Region Tatarstan, Rustam Minnichanow, an einer Wahlkampfveranstaltung in der autonomen Region Gagausien in der Republik Moldau teilzunehmen. Dort finden am 30. April Wahlen für das Amt des regionalen Gouverneurs (Bashkan) statt.

DW Infografik Moldau Transnistrien Gagausien DEUTSCH

Gagausien ist seit 1994 offiziell ein autonomes Gebiet innerhalb der Republik Moldau. Die Region im Süden des Landes verfügt über Sonderrechte und eine eigene Regierung. Die Einwohner gehören zu einer turksprachigen, christlich-orthodoxen Volksgruppe. Die meisten von ihnen sind heute russischsprachig. Gouverneurin ist derzeit Irina Vlah.

Am Montag (17.04.2023) wurde Minnichanow an der Einreise in die Republik Moldau gehindert. Die moldauische Grenzpolizei verbot ihm und seiner Delegation, sein Privatflugzeug auf dem Flughafen Chisinau zu verlassen. Der Gouverneur Tatarstans ist ein Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin und steht zusammen mit seiner Familie auf der westlichen Sanktionsliste.

Die moldauischen Behörden haben seit dem ersten Kriegstag in der Ukraine weitaus strengere Grenzkontrollen eingeführt. Aufgrund dieser Kontrollen wurden im vergangenen Jahr rund 9000 Personen an der Einreise gehindert. "Wir kennen die Absichten der Russischen Föderation, die Moldau zu destabilisieren. Wir sind wachsam und möchten den Bürgern versichern, dass wir wissen, was wir tun müssen, um die Sicherheit des Landes zu gewährleisten", sagte der Leiter der moldauischen Grenzpolizei, Rosian Vasiloi.

Gagausien - ein offenes Fenster nach Moskau

Die autonome Region Gagausien gilt als "Pulverfass", das bereit ist, auf Befehl des Kremls innerhalb der Republik Moldau zu explodieren. Die separatistischen Bewegungen, die die Republik Moldau Anfang der 1990er-Jahre in zwei Teile rissen, gingen von Gagausien aus. Um die Vereinigung der Moldau mit Rumänien zu verhindern, wurde am 17. August 1990 in Comrat rechtswidrig die "Autonome Republik Gagausien" innerhalb der noch existierenden Sowjetunion proklamiert. Es folgten Zusammenstöße zwischen den Verfassungskräften und denen der "Autonomen Republik Gagausien". Der Konflikt dauerte bis 1994, als das Parlament in Chisinau das Gesetz über den Sonderstatus der gagausischen Autonomie verabschiedete. Das Gesetz legt unter anderem fest, dass in der Region drei Amtssprachen gelten: Gagausisch, Rumänisch und Russisch.

Grenze zum autonomen Gebiet Gagausien in der Republik Moldau
Grenze zum autonomen Gebiet Gagausien in der Republik MoldauBild: DW/Y. Semionova

Obwohl keine separatistische Enklave wie Transnistrien, hat die Region ihren eigenen Gouverneur, ihr eigenes Parlament und eine eigene Exekutive. Sie überweist keine lokalen Steuern und Gebühren an den zentralen Haushalt des Landes, erhält aber wie jede andere territorial-administrative Einheit Transfers von der Regierung in Chisinau.

Komplizierte Geschichte

Ursprünglich stammen die Gagausen aus Ostbulgarien und wurden Anfang des 19. Jahrhunderts in der Region Bessarabien, der heutigen Republik Moldau, angesiedelt. Sowohl in der Zarenzeit als auch später in der Sowjetunion waren sie einem massiven Russifizierungsprozess ausgesetzt. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR beeinflusste Russland die Gagausen durch Propaganda und loyale Politiker weiterhin.

Obwohl die EU, Rumänien und die USA die Republik Moldau und damit auch die Region Gagausien finanziell massiv unterstützen, stimmen 98 Prozent der gagausischen Bevölkerung noch immer für pro-russische Parteien.

Laut der letzten Volkszählung von 2014 leben in der Region rund 135.000 Einwohner. Die acht Kandidatinnen und Kandidaten, die sich am 30. April zur Wahl des Gouverneurs stellen, konkurrieren nicht gegeneinander, sondern bauen ihre Kampagne darauf auf, die Feindseligkeit der Gagausen gegen die pro-europäische Zentralregierung in Chisinau zu schüren. Das Paradox dabei: Inzwischen werden 45 Prozent der in Gagausien hergestellten Waren in die EU exportiert und nur noch 55 Prozent in die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS), also in ehemalige Sowjetrepubliken. Zum Vergleich: Noch vor knapp einem Jahrzehnt gingen 100 Prozent der Waren auf den GUS-Markt.