Mit Opernarien gegen Aids
8. Mai 2015Deutsche Welle: Die Festliche Operngala in Bonn ist ein Benefizkonzert. Der Erlös geht an die Deutsche AIDS-Stiftung, die gemeinnützige Projekte in Afrika unterstützt, unter anderem das DREAM-Programm für Mütter und Babys in Mosambik. Worum geht es bei dem Hilfsprogramm?
Noorjehan A. Majid: Das DREAM-Programm gibt es in zehn Ländern, es geht dabei um Hilfe, Behandlung und Nachsorge. Seit seiner Gründung im Jahre 2002 haben etwa 260.000 Patienten davon profitiert, und etwa 28.000 Babys HIV-positiver Mütter wurden ohne das Virus geboren. Neben der Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten während der Schwangerschaft bieten wir auch sonst Unterstützung und Beratung und in 99 Prozent der Fälle gelingt es uns zu verhindern, dass das Virus auf das Ungeborene übertragen wird.
Um welche Summen geht es da?
Dieter Wenderlein: Der Schutz eines Babys kostet etwa 500 Euro, was aus ökonomischer Sicht nicht wirklich viel ist, wenn man überlegt, welche Summen man auf lange Sicht einspart; diese Kinder brauchen später keine weitere Behandlung. Zur Zeit sind ca. 60.000 Patienten im antiretroviralen Programm registriert. 75 bis 80 Prozent der Gelder kommen von privaten Spendern, und dazu gehört auch die Deutsche Aids-Stiftung, die das Programm bereits seit zehn Jahren unterstützt. Die Stiftung zahlt zum Beispiel die laufenden Kosten von drei Behandlungszentren in Mosambik.
Wird das Programm auch von Regierungen und öffentlichen Einrichtungen unterstützt?
Dieter Wenderlein: Das könnte besser sein. Antiretrovirale Medikamente bekommen wir umsonst von den afrikanischen Regierungen, die ja wiederum internationale Mittel erhalten. Diese Mittel kommen aus allen möglichen Quellen, unter anderem von einer Initiative der Regierung von George W. Bush. Leider sind die Gelder im Laufe der Jahre zurückgegangen.
Ulrich Heide: Man darf nicht vergessen, dass diese Krankheit ein Leben lang behandelt werden muss. Es ist eine moralische Frage; wenn man so ein Programm anfängt, muss man auch alles tun, damit man es fortführen kann. Da haben wir eine moralische Verantwortung. Die Deutsche AIDS-Stiftung nahm ihre Arbeit in Deutschland vor etwa 30 Jahren auf. Dann kamen Menschen auf uns zu, die in Deutschland lebten aber Ausländer waren. Die Rate der Neuansteckungen in Deutschland war stabil und sogar rückläufig, also beschlossen wir vor einigen Jahren, unsere Reichweite zu vergrößern. Wir dachten an das südliche Afrika, denn dort gibt es die höchsten Ansteckungsraten. Das DREAM-Programm lernten wir 2005 kennen. Zwei Jahre später besuchte ich Mosambik, und hatte einen sehr guten Eindruck – vor allem, weil da Leute involviert sind die selbst HIV-positiv sind oder AIDS haben. Ohne sie geht es in diesem Bereich nicht.
Was ist der gegenwärtige Stand der Epidemie in Afrika?
Ulrich Heide: Selbst in Ländern, die sehr unter Ebola gelitten haben, ist HIV ein noch größeres Problem. Und dabei ist die Infektionsrate in Liberia niedriger als in Estland! In den vergangenen zehn Jahren wurden in Afrika riesige Fortschritte gemacht; viel mehr Menschen werden medizinisch behandelt – ungefähr 35 bis 40 Prozent derer, die eine Behandlung brauchen. Das heißt aber auch, dass mehr als 60 Prozent keinen Zugang haben. Also, die Situation wird langsam besser und dazu trägt auch das DREAM-Programm bei aber wir sind noch nicht da, wo wir sein sollten. Wir haben Sorge, dass die Spender die Mittel kürzen.
Ich kann mir vorstellen, dass es in Ihrem Beruf ermutigende Augenblicke gibt, aber auch traurige …
Noorjehan A. Majid: Wir lachen viel. Immer wenn ein HIV-negatives Baby zur Welt kommt, feiern wir eine große Party. Aber wenn eine Kind seine Mutter verliert...ja, es gibt auch traurige Momente, und das täglich.
Wie sind die Perspektiven für die Zukunft?
Dieter Wenderlein: Wir sprechen von Nachhaltigkeit. In Afrika geht die Zahl der Neuinfektionen zurück, auch die Todesrate sinkt. Eine Generation von Babies ohne AIDS in Afrika ist im Rahmen des Möglichen. Es ist ein erreichbares Ziel, auch wenn es vielleicht noch 40 oder 50 Jahre bis dahin braucht.
Nachhaltigkeit ist also das Stichwort?
Dieter Wenderlein: Genau. Wir sind an einem Scheideweg. Wenn Sie bedenken, dass 2013 zwei Millionen Menschen an Komplikationen einer AIDS-Erkrankung starben, dann ist die Epidemie immer noch eine Katastrophe, eine furchtbare weltweite Seuche. Andererseits scheint sie allmählich kontrollierbar zu werden. Wir müssen uns nur darum bemühen.
Das Interview führe Rick Fulker.
Dr. Ulrich Heide ist Geschäftsführender Vorstand der Deutschen AIDS-Stiftung, Dr. Dieter Wenderlein ist Projektkoordinator der Gemeinschaft Sant'Egidio für Mosambik und Dr. Noorjehan A. Majid leitet das DREAM Programm in Mosambik.