Ein Herz für Deutschland und Mazedonien
28. Dezember 2010In voller Montur erscheint Dr. Zan Mitrev im Empfangsbereich der "Philip der Zweite"-Klinik. In seiner grünen Arzthose, dem grünen Mantel und mit der Haube auf dem Kopf strahlt der Arzt Professionalität aus. Und Mitrev ist nicht nur Chirurg, er ist auch Chef des größten privaten herzchirurgischen Klinikums in Mazedonien. Gerade kommt er von der Visite bei seinen frisch operierten Patienten. Für viele ist Dr. Zan Mitrev so etwas wie ein Halbgott. Kein Wunder, denn alle, die in seiner Klinik liegen, waren so schwer herzkrank, dass ihr Leben praktisch nur noch am seidenen Faden hing - bevor der berühmteste Herzchirurg des Landes sie durch eine Operation retten konnte.
Seine Fähigkeiten hat Mitrev vor allem in Deutschland erworben. Der heute 49-Jährige weiß noch genau, wie er vor 20 Jahren in der Bundesrepublik landete. Und das, obwohl er eigentlich lieber in die USA gegangen wäre. "Damals absolvierte ich noch meine allgemeine herzchirurgische Ausbildung in Zagreb", erinnert er sich. Doch dann las er in einer Fachpublikation von einem neuen Projekt über Infarkte und den Zustand des kardiogenen Schocks. "Es ging um eine neue chirurgische Behandlung." Das weckte Mitrevs Interesse. An einem solchen Projekt wollte er gern mitarbeiten. Deshalb schrieb er den verantwortlichen Arzt, Dr. Friedhelm Beyersdorf, direkt an. "Ich hielt ihn für einen in den USA tätigen Mediziner, weil seine Publikationen in amerikanischen Zeitschriften veröffentlicht wurden", sagt Mitrev. Ein Irrtum, wie sich kurz danach herausstellte. Denn die Antwort kam nicht wie erwartet aus den USA, sondern aus Frankfurt am Main. Dorthin war Beyersdorf mittlerweile zurückgekehrt. "Seine Reaktion war positiv. Und so fuhr ich nach Deutschland."
Aus Monaten werden Jahre
Drei Monate wollte Mitrev eigentlich bleiben. Am Ende blieb er zehn Jahre. In dieser Zeit arbeitete er sich hart bis an die herzchirurgische Spitze durch. Anfangs unter schwierigen Bedingungen - denn er konnte die fremde Sprache nicht. "Ich ging, ohne ein Wort Deutsch zu können, nicht einmal zählen konnte ich." Zuerst hielt der Herzchirurg an seinem ursprünglichen Plan fest, der ihn weiter in die USA führen sollte. "Aber dann brach der Krieg im ehemaligen Jugoslawien aus - mit all seinen Konsequenzen. So blieb ich in Deutschland und fing an, Deutsch zu lernen."
Deutsch, so sagt der Mazedonier rückblickend, sei für ihn die schwierigste Sprache der Welt gewesen. Und nicht nur die Sprache, auch die Zeit sei - besonders anfangs - hart gewesen, betont Dr. Mitrev: "Die Telefonverbindungen waren sehr schlecht, Handys gab es damals nicht, und ich musste stundenlang vor einer Telefonzelle warten, um meine Eltern erreichen zu können, um sie zu fragen, wie es ihnen geht." Andererseits sei er sehr froh gewesen, fernab vom Krieg die Möglichkeit zu haben, sich in Deutschland weiter ausbilden zu lassen. Bis heute ist er dafür dankbar: "Für mich war das die Rettung. Wenn ich in meine Heimat zurückgekommen wäre, hätte ich nie das erreichen können, was ich heute habe."
Zwischen den Sprachen
Trotz aller Schwierigkeiten hat sich Mitrev durchgebissen. Er war zusätzlich zu seiner Arbeit eingebunden in die Forschungsaktivitäten der Uniklinik in Frankfurt am Main, verbrachte seine freie Zeit im Labor. Nebenbei versuchte er, so gut wie möglich Deutsch zu lernen. "Als ich nach Deutschland zog, konnte ich sehr gut Englisch", berichtet der Herzchirurg. Mit der deutschen Sprache habe er sich dagegen schwer getan. "Nach einem Jahr dachte ich mir: Diese Sprache wirst du nie beherrschen können." Nach und nach aber sei es leichter geworden. Dann tauchte jedoch ein neues Problem auf: "Ich habe die deutsche Sprache oft mit der englischen vermischt. Später hat mein Englisch auf Kosten des Deutschen gelitten und ich brauchte längere Zeit, bis ich die beiden Sprachen auseinanderhalten konnte." Aber auch das sei vorbeigegangen. Heute, sagt Mitrev, sei er stolz darauf, sich in beiden Sprachen zurechtzufinden.
Parallel zu seinen Sprachfortschritten ging es auch mit der Karriere gut voran. 1994 wurde Mitrev Oberarzt des Herzzentrums in Frankfurt, 1997 Oberarzt der Uniklinik. Ende 1999 kehrte er nach Mazedonien zurück und machte einen Neuanfang. Er gründete, mit großer Unterstützung seiner deutschen Kollegen und Freunde, das erste und bislang größte private herzchirurgische Klinikum in der Republik Mazedonien, die "Philip der Zweite"- Klinik. Im neuen Klinikum wollte der Arzt die Herzkranken retten, die die offizielle Medizin des Landes schon aufgegeben hatte. So führte er in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 7000 Operationen am offenen Herzen durch.
Enger Draht
Bei seiner Arbeit in Mazedonien sind Mitrev nicht nur die in Frankfurt erworbenen Erfahrungen eine große Hilfe, sondern auch die weiterhin bestehenden Verbindungen zu Deutschland. Letztere will er künftig im Rahmen seines neuen Projektes noch weiter verstärken. Der Herzchirurg möchte ein neues, noch größeres Krankenhaus gründen. Dort, erklärt der Mazedonier, entstehe praktisch alles von der Planung bis zur Fertigstellung der Gebäude mit Hilfe deutscher Firmen. Und natürlich sollen auch die komplette Technik und die Geräte aus Deutschland kommen.
Autor: Goran Cutanoski
Redaktion: Esther Broders / Carolin Hebig