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Mit dem Chatbot in den Urlaub

30. Mai 2024

An Künstlicher Intelligenz führt auch im Tourismus kein Weg mehr vorbei. Für Reisende tun sich ganz neue Möglichkeiten auf - vor allem bei der Planung.

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Ein Mann sitzt auf einem Felsen mit Blick aufs Meer und hält ein Handy in der Hand, Brasilien
Lassen wir uns in Zukunft von einer Künstliche Intelligenz den Urlaub planen?Bild: Aline Massuca/dpa/picture alliance

"Ich möchte morgen von hier aus eine Radtour machen. Sie soll maximal drei Stunden dauern und für die Kinder unterwegs eine schöne Spielmöglichkeit bieten. Anschließend möchten wir ein leckeres Eis essen gehen.” Noch haben es Reisende sogar bei wenig anspruchsvollen Wünschen wie diesem schwer, brauchbare Vorschläge zu bekommen, wenn gerade keine geöffnete Touristen-Info in der Nähe ist oder kein klassischer Reiseführer im Gepäck. Sich per Google in solchen Fällen Tipps zusammenzusuchen, ist nämlich oft gar nicht so einfach und die Ergebnisse sind unvollständig oder veraltet, etwa bei der Frage, ob die Eisdiele auch wirklich geöffnet hat, erklärt Michael Prange, Professor für Data Science an der Fachhochschule Kiel, von dem das Beispiel stammt.

Intelligenter Reiseplaner in der Hosentasche

Dank Künstlicher Intelligenz wird die Reiseplanung aber zunehmend einfacher, ist er sich sicher. Denn in Zukunft wird jeder seinen intelligenten Reiseplaner gleich in der Hosentasche bei sich haben können - beispielsweise in Form einer App auf dem Mobiltelefon. Wie gut solche intelligenten Empfehlungssysteme funktionieren, hängt jedoch stark von den Informationen ab, auf die sie zurückgreifen können. "Die Daten sind die Grundlage", sagt Prange.

Jemand hält ein Handy in der Hand mit AI Apps
Jedermanns "Travel-Buddy" könnte sich künftig als App auf dem Mobiltelefon befinden.Bild: Jonathan Raa/Sipa USA/picture alliance

Bei der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), die Deutschland international als Reiseland vermarktet, bemüht man sich daher darum, eine einheitliche Datengrundlage des Deutschlandtourismus zu schaffen. "Global agierende Vertriebsplattformen nutzen heute bereits KI, um für ihre Kunden passende touristische Angebote zu finden und gezielt auszuspielen", sagt Petra Hedorfer, Vorstandsvorsitzende der DZT. Diese Angebote könnten jedoch nur gefunden werden, wenn die zugrunde liegenden Daten entsprechend aufbereitet sind.

"KI wird alles beeinflussen"

Die große Bedeutung der Datengrundlage für KI-Anwendungen betont auch Tobias Blask, Professor am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Harz. "Dies ist noch ein total unterentwickeltes Feld", sagt er. Dabei müssten sich touristische Anbieter und Destinationen, die wahrgenommen werden wollen, mit der Frage beschäftigen, wie sie ihre Daten verfügbar machen und optimieren können. "Es entwickelt sich alles so rasant derzeit. KI wird alles beeinflussen in unserer Gesellschaft."

Für Touristen habe das vor allem Auswirkungen bei der Reiseplanung. Blask schwebt dabei eine Art "Travel-Buddy fürs ganze Leben" vor, der Vorschläge mache auf der Basis früherer Entscheidungen und Interaktionen. "Wenn ich eine Reise plane und auf eine KI zurückgreifen kann, die mich verstanden hat und die darauf trainiert ist, dann ist schon die Frage, wofür brauche ich noch ein Reisebüro?" Auch Geschäftsreisende könnten künftig von KI-Anwendungen profitieren, die von der Planung über die Umbuchung, falls irgendetwas schiefläuft, bis hin zur Abrechnung alles übernehmen. "Angenommen, ich verpasse den Zug", sagt Blask: "Da ist es doch viel schöner, wenn sich jemand anders darum kümmert, eine neue Verbindung herauszusuchen und mich proaktiv informiert."

Im Kundenservice sind Chatbots Standard

Neu sind KI-Anwendungen im Tourismus dabei keineswegs. Hotelketten, Buchungsplattformen und Fluggesellschaften etwa setzen bereits seit längerer Zeit bei der Preisgestaltung auf Systeme, die mit maschinellen Lernprozessen angereichert sind. Chatbots übernehmen mittlerweile auch in vielen Tourismusunternehmen standardmäßig die ersten Schritte im Kundenservice, bevor sich dann - wenn überhaupt - ein menschlicher Ansprechpartner einschaltet. So auch bei der DZT, wo "selbstlernende Chatbots rund um die Uhr Kundenanfragen beantworten und so die Mitarbeiter bei Routinearbeiten entlasten", wie es heißt. "Aktuell arbeiten wir an einem Pilotprojekt zur Einführung von virtuellen Influencern" - künstlich erschaffenen Figuren, die als Werbeträger funigeren sollen. "Mit Hilfe von KI-Anwendungen können diese als Markenbotschafter Brücken zwischen potenziellen Deutschlandreisenden und realen Reiseerlebnissen schlagen."

Strandampel in Scharbeutz in der Lübecker Bucht, Deutschland
Strandampeln wie hier in Scharbeutz in der Lübecker Bucht sollen den Besucherandrang regulierenBild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

Auch im Destinationsmanagement ist KI vielerorts bereits am Werk, erklärt Eric Horster, Professor im Studiengang International Tourism Management an der Fachhochschule Westküste und Mitglied im Deutschen Institut für Tourismusforschung. In der Lübecker Bucht an der Ostsee etwa gebe es Strandampeln, die den Besucherandrang regulieren sollen, wenn es an einem bestimmten Abschnitt zu voll zu werden droht. Grundlage dafür sind die Messungen von Sensoren, die die Zahl der Strandbesucher registrieren. Zur Prognose der künftigen Auslastung werden aber auch das Wetter und der Wochentag hinzugezogen und mittels Algorithmen analysiert. Das bedeute nicht nur einen Vorteil für die Badegäste, sondern auch für die Destinationen, die auf diese Weise wichtige Informationen über das Urlauberverhalten bekommen.

"Überraschungen gehören zum Urlaub dazu"

Daran, dass der "smarte Urlaubsassistent" in der Hosentasche tatsächlich die Art des Reisens grundlegend verändern wird, zweifelt Horster dagegen noch. "Ich bin mir nicht ganz im Klaren, ob die Gäste das eigentlich wirklich wollen", sagt er. Tourismus lebe ja auch vom Kontakt mit den Menschen. Darum halte sich die gute, alte Touristen-Info weiterhin wacker. Außerdem gehörten ja auch Überraschungen zum Urlaub dazu, das Unerwartete, das Authentische. "Ob das die Zukunft des Reisens ist, wenn ich alles schon vorher weiß und alles durchgeplant ist?" Man kann ja auch einfach losradeln und sehen, wo man eine geöffnete Eisdiele findet.

Jonas Martiny -  Travel Online-Autor
Jonas Martiny Reporter, Korrespondent