Ventilatoren für die Welt
22. Juli 2013Das geht schon morgens los. Im heimischen Backofen werden die Brötchen warm gemacht. Im Ofen surrt ein Lüfter. Später in der Bahn oder im Auto. Irgendwo werkelt ein Ventilator. Im Büro-Rechner ebenso wie in Fabrikhallen. Auf Supermarkt-Dächern, in Klimaanlagen, elektrischen Schaltschränken - überall, wo es um die warme oder kühle Luft geht, sind Ventilatoren im Einsatz. Einer der wichtigsten Player in dieser Branche ist ebm-papst. Gegründet hat das Unternehmen vor genau 50 Jahren der heute 78-jährige Gerhard Sturm.
Er kam vom Konkurrenten Ziehl-Abegg, war dort aber ausgestiegen, weil er andere technische Vorstellungen vom Produkt hatte. Der Anfang, erzählt Sturm, sei alles andere als leicht gewesen, weil das Produkt noch nicht reif gewesen sei. "Das Produkt hatte unheimliche Probleme. Man durfte gar nicht laut sagen, dass es da Momente gab, wo man auf der Kippe stand." Dann aber sei ihm plötzlich eine Idee gekommen, einen anderen Motor zu bauen. "Und das war die Geburt des sogenannten 68er Motors, der heute noch jährlich in fünf Millionen Stückzahl gebaut wird. Nach 50 Jahren."
"Grünes" Denken
Gerhard Sturm ist kurz vor unserem Treffen gerade aus Italien zurückgekehrt, wohin er seinen Geschäftsführer begleitet hat. Auch wenn er sich aus dem operativen Geschäft schon länger zurückgezogen hat: Seine Ideen, sein Rat, sein Wissen sind weiter gefragt. Und Ausruhen war und ist nicht Sturms Sache. Er hat schon vor 50 Jahren "grün" gedacht, auch wenn damals noch keiner von "Nachhaltigkeit" sprach.
Jedes neue Produkt müsse ökonomischer und sparsamer sein als der Vorgänger, so seine Devise. Damit könne man werben und sich von der Konkurrenz abheben: "Ich sage immer, die sauberste Energie ist die, die man nicht braucht. Das haben wir bewiesen." Allein durch die Entwicklung neuer, Energie sparender Motoren habe man praktisch jedes Jahr ein Kraftwerk gespart. Diese Erkenntnis habe man schon in den 1960er Jahren gehabt. "Ich möchte nicht sagen, dass wir es erfunden haben. Aber wir haben erkannt, dass es Motorsysteme gibt, die - mit einer Elektronik versehen - ein Vielfaches an Wirkungsgrad bringen." Und Sparen lässt sich noch einiges: Immerhin 14 Prozent der Energie in der EU werden durch Ventilatoren verbraucht.
Denkanstoß von IBM
Der elektronisch geregelte Ventilator, der sich stufenlos einstellen lässt: Damit wurde ebm-papst zum technologischen Vorreiter. Heute ist "GreenTech" das Geschäftsmodell des Unternehmens. Um dahin zu gelangen, bedurfte es eines Denkanstoßes aus Amerika. ebm wollte den einstigen PC-Riesen IBM als Kunden. Doch der winkte zunächst ab. Weil die kleinen Lüfter von ebm 25 Watt Stromverbrauch hatten, mehr als der gesamte Computer. Also gründete die Firma eine Niederlassung in den USA, entwickelte sparsamere Lüfter und wurde später zum IBM-Lieferanten, unter anderem für den berühmten Schachcomputer "Deep Blue".
Die US-Erfahrungen halfen ebm bei seiner Expansion auf andere ausländische Märkte. Hier vor allem sieht Geschäftsführer Rainer Hundsdörfer Wachstumspotenzial. Wenn man weiter Weltmarktführer sein wolle, müsse man auch in den Märkten, die sich schneller entwickeln als Deutschland und Europa - zum Beispiel Asien - präsent sein. "Und es ist eine Illusion, dass wir dieses einzig und alleine mit Impulsen und Ideen aus Deutschland heraus können. Die Anforderungen unserer Kunden in China, in Thailand, in Kambodscha oder wo auch immer, sind eben doch manchmal etwas anders."
Verschiebung der Gewichte
Bislang werden drei Viertel der Geschäfte in Deutschland und Europa abgewickelt, nur ein Viertel in Asien und Amerika. Dies zu ändern, sieht Hundsdörfer, der seit Herbst 2012 auf dem Chefsessel sitzt, als seine wichtigste Aufgabe. Natürlich spiele Deutschland und vor allem Mulfingen, wo das Unternehmen seine Wurzeln hat, nach wie vor eine wichtige Rolle, aber die werde sich ändern: "Was mit Sicherheit passieren wird: Die Anforderungen an die Arbeitsplätze steigen. Wir brauchen zukünftig hier noch mehr Ingenieure, noch mehr Spezialisten. Die Anzahl der einfachen Arbeitsplätze wird sicher abnehmen."
Doch um die Fachkräfte ist in Deutschland ein heißer Kampf entbrannt. Erst recht in einer Region wie in Baden-Württemberg, wo zahlreiche Weltmarktführer sitzen, aber auch große Konzerne wie der Autobauer Daimler. ebm-papst geht daher schon in die Kindergärten und an die Grundschulen, um beim Nachwuchs die Begeisterung für Technik zu wecken. Zudem fördere man ganz intensiv das Konzept der dualen, also praxisorientierten Hochschule, um potenzielle Mitarbeiter direkt ins Unternehmen zu locken. "Und die Erfahrung zeigt: Wenn sie mal bei uns sind und erkennen, was für eine tolle Firma ebm-papst ist, dann bleiben sie", sagt Hundsdörfer.
Alles für den Kunden
Mit den neuen, hochqualifizierten Mitarbeitern will ebm-papst wachsen, aber auch durch den Einstieg in neue Branchen und durch eine globalere Aufstellung des Unternehmens - weil eben auch die Kunden global aufgestellt seien, sagt der Geschäftsführer. Wenn man ihn fragt, was denn das Erfolgsgeheimnis eines Weltmarktführers sei, dann spricht er zunächst von den Mitarbeitern des Unternehmens und ist dann schnell wieder bei den Kunden. Denen müsse man gut zuhören. "Man muss die Gesamtsysteme seiner Kunden verstehen und verstehen, was unsere Kunden, nächstes Jahr oder in zwei, drei, fünf Jahren wollen. Das zu antizipieren, das macht einen zum Weltmarktführer."
Glück gehört dazu
Sätze, die Gerhard Sturm sofort unterschreiben würde. Auch er erzählt von der Begeisterungsfähigkeit seiner Mitarbeiter, die der Firma durch manch schwierige Zeit geholfen hat. Dass aus dem 35-Mann-Unternehmen im kleinen Örtchen Mulfingen ein Weltmarktführer mit weltweit 11.000 Leuten und 1,4 Milliarden Euro Umsatz geworden ist, erfüllt ihn sichtlich mit Stolz. Für ihn sind es die Zähigkeit, die Ausdauer und auch der Mut, trotz widrigster Umstände und Probleme weiter zu machen. Eigentlich habe er gar keine andere Wahl gehabt. "Es war die Frage: Friss oder stirb." Und diesen Ehrgeiz, zu überleben, den hatte der Unternehmensgründer. Aber es sei eben nicht alles nur Können, Arbeiten und Schuften, sagt Sturm: "Wir haben großes Glück gehabt. Wenn es uns nicht gelungen wäre, diesen einen Motor als Hauptmotor einzusetzen, wären wir weg gewesen vom Fenster."