Mit 87 Jahren: Papst Franziskus startet seine längste Reise
1. September 2024Noch nie ging ein Papst in solch hohem Alter auf Reisen. Doch Papst Franziskus, der im Dezember 88 Jahre alt wird und mittlerweile häufig auf den Rollstuhl angewiesen ist, will nach Südostasien und Ozeanien. In den zwölf Tagen vom 2. bis zum 13. September stehen Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur auf dem Programm. Bei den geplanten sieben Flugreisen ist das Oberhaupt der katholischen Kirche voraussichtlich gut 43 Stunden in der Luft. Zigtausende Flugkilometer, auch über den Äquator. Aber er will dorthin: in eine der Regionen, die von Rom aus gesehen eher zu den Rändern der Welt zählen.
Es sei sehr wichtig, "dass Franziskus in diese Regionen reist und auf dem wachsenden asiatischen Kontinent auch persönlich den Menschen begegnet", sagt Frank Kraus der Deutschen Welle. Kraus ist Leiter der Auslandsabteilung des kirchlichen Hilfswerks Missio in Aachen. Sein Haus bekomme die Bedeutung dieser Reise von vielen Partnern in der Region signalisiert: "Das ist kein Randgebiet der Kirche, sondern ein lebendiger Teil der Weltkirche."
Viele Religionen in Asien
Der asiatische Raum, zu dem ja auch Indien und China gehörten, gewinne wirtschaftlich und politisch immer mehr an Bedeutung, aber auch in der katholischen Kirche, erläutert Kraus. In der Region träfen viele Religionen und Weltanschauungen aufeinander. Heute gehe es um den Mehrwert, den Christen - auch als Minderheit - in die Gesellschaft ihrer Länder und ihres Kontinents einbringen könnten.
Bei seinen 16 Ansprachen kann Papst Franziskus Schwerpunkte seines im März 2013 begonnenen Pontifikats behandeln. Zu Beginn in Indonesien kommt er in das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit und einem Islam, der für interreligiösen Dialog weithin aufgeschlossen ist. Die Ausbeutung der Natur durch Konzerne und die Folgen des Klimawandels treiben vor allem in Papua-Neuguinea die Menschen um. Osttimor, erst seit gut 20 Jahren unabhängig, ringt noch um seine Identität.
Aus allen Zielländern kommen im Oktober Delegierte zur Weltsynode nach Rom. Es geht um "Synodalität", ein stärkeres Miteinander im Dialog. Auch das Thema Missbrauch - kirchlich weltweit relevant - dürfte eine Rolle spielen. Der wohl bekannteste zeitgenössische katholische Geistliche der gesamten Region ist der osttimoresische Bischof Carlos Filipe Ximenes Belo, der 1996, erst 47 Jahre alt, wegen seines Einsatzes für sein Land den Friedensnobelpreis erhielt. Gegen ihn wurden in den vergangenen Jahren Missbrauchs-Vorwürfe bekannt. Belo hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
"Papstreisen nicht mehr wegzudenken"
Es ist die 45. Auslandsreise von Franziskus, der Italien zuletzt fast ein Jahr lang nicht verlassen hat. Nur Johannes Paul II. (1978-2005) absolvierte in seiner langen Amtszeit mehr Reisen - insgesamt 104. Klar ist: Besuche in aller Welt gehören wie selbstverständlich zur Agenda eines Papstes. "Heute gehört die Reisetätigkeit ganz integral zur Ausübung des Papstamtes hinzu und ist kaum mehr wegzudenken", sagt der Augsburger Theologieprofessor Jörg Ernesti der DW. Er forscht zur jüngeren Geschichte der Päpste.
Es ist erst 60 Jahre her, dass Papst Paul VI. (1963-1978) seine Kirche und die Weltöffentlichkeit mit der Ankündigung einer Auslandsreise überraschte: Anfang 1964 flog er ins Heilige Land, also dorthin, wo Jesus lebte. Nie zuvor war ein Papst, dieses lange Zeit so überhöhte Wesen, mit einem Flugzeug gereist.
Paul VI. sei, sagt Ernesti, sehr reflektiert herangegangen und habe ein Konzept der "Apostolischen Reisen" entwickelt - so heißen die Papst-Reisen im Kirchen-Sprech. So müsste es bei einer Reise stets Begegnungen mit den Regierenden, mit Jugendlichen, Vertretern des Judentums und der nichtchristlichen Religionen geben.
Es ging Paul VI. nicht darum, dass der Papst die Ortskirchen zu sich kommen lässt, erläutert der Wissenschaftler: "Das wäre zentralistisch gedacht." Mit seiner Anwesenheit bei den Ortskirchen habe er seine Wertschätzung bekunden wollen. Erst bei den Reisen von Papst Johannes Paul II. habe es immer wieder den Vorwurf des "Neozentralismus" gegeben, der Ausrichtung aller an Rom.
Papst Franziskus kam bei seinen Reisen in fast alle Erdteile außer nach Ozeanien. Auffallend häufig besuchte er Länder der islamischen Welt. Was ihm fehlt, sind neben China und Russland, die beide noch weiße Flecken der vatikanischen Reisediplomatie sind, sein Heimatland Argentinien und viele Länder Westeuropas.
Wenn Ernesti von den Reise-Karte des Franziskus spricht, greift er ein Wort auf, dass auch Missio-Mann Kraus verwendet: "An die Ränder gehen". Das empfehle dieser Papst "der Kirche und seinen Priestern und das setzt er mit seiner Reisetätigkeit um".
Dieser Papst wird ab Oktober der zweitälteste amtierende Papst aller Zeiten sein; nur Leo XIII., der 1903 im Alter von 93 Jahren verstarb, war älter. Franziskus hatte in den vergangenen Jahren mehrere Krankenhausaufenthalte und Operationen, er ist erkennbar vom Alter gezeichnet. All das prägt auch die Reiseplanung, schon wegen der eingeschränkten Mobilität.
"Die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit"?
Jörg Ernesti sieht darin ein wachsendes Problem. "Meines Erachtens ist in der Kirche das Problem des Alterns der Päpste noch nicht wirklich reflektiert", sagt er. "Damit stoßen ja Dinge an ihre Grenzen. Nun ist das päpstliche Reiseprogramm jeweils stark zusammengekürzt, die Medienpräsenz ist eingeschränkt."
Er erinnert an Paul VI., der 1970 mit 73 Jahren gen Osten reiste, auch nach Indonesien, auch nach Ozeanien. "Das war einfach zu viel für ihn. Am Ende ist er wirklich physisch kollabiert, auch angesichts des schwülen Klimas in Ostasien. Da hat der Papst gemerkt, dass er als alter Mann, der gerade eine Krebserkrankung überstanden hatte, an seine Grenzen stößt."
Danach habe Paul VI. Italien bis zu seinem Tod 1978 nicht mehr verlassen. "Die hohe, nicht nur symbolische Bedeutung der Reisen, die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit - das muss man mitdenken, wenn man das hohe Alter der Päpste sieht", betont Ernesti.
Papst Franziskus und die Weite der Kirche
Frank Kraus von Missio freut sich, dass der Papst trotz seiner körperlichen Einschränkungen in die ferne Region reist: "Er macht genau das, was wir uns wünschen." Missio wisse von seinen Partnern in Asien und Ozeanien, dass die Menschen vor Ort sehr wohl wüssten, welche Strapazen der 87-jährige Franziskus auf sich nehme, um sie zu besuchen. Der Papst wolle "in alle Regionen reisen und versucht, alle anzuhören".
Diese Weite, so Kraus, zeige sich ja auch an den Kardinälen, die Franziskus ernenne, oder an der Zusammensetzung der Weltsynode im Vatikan. "Kirche gilt ja als weltweite Organisation. Sie ist mit diesem Papst weltweiter geworden."