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Minsk leitet Strafverfahren gegen Weisrussisches Helsinki-Komitee ein

24. März 2004

– Europäische Kommission protestiert dagegen – Tacis-Programme gefährdet

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Minsk, 23.3.2004, BELORUSSKAJA DELOWAJA GASETA, russ., Aleksandr Barnatowitsch, Janina Bolonskaja

Die Abteilung für Finanzkontrolle hat ein Strafverfahren gegen Mitarbeiter der Republikanischen gesellschaftlichen Bewegung "Weißrussisches Helsinki-Komitee" eingeleitet. Der Leitung des Weißrussischen Helsinki-Komitees wird Steuerhinterziehung und entsprechend Schädigung des Staates in besonders hohem Maße vorgeworfen. Nie zuvor hat der Staat eine der ernsthaftesten gesellschaftlichen Organisationen des Landes so hart "angegriffen". Als Folge davon könnte die Führung Weißrusslands, die aus diesem Anlass bereits zwei Verbalnoten von der Europäischen Kommission erhalten hat, in eine noch unangenehmere Situation geraten. Sollten sich die Ereignisse nach dem schlimmsten Szenario entwickeln, könnte die Finanzierung der Tacis-Programme völlig eingestellt werden, würde niemand mehr die Dutzende Millionen Euro zu sehen bekommen, die das Land jährlich erhält und mit denen größtenteils staatliche Organisationen und Einrichtungen finanziert werden.

Mitarbeiter der Republikanischen gesellschaftlichen Bewegung "Weißrussisches Helsinki-Komitee" werden verdächtigt, vom 1. Januar 2000 bis 30. Juni 2003 Steuern in Höhe von 77,9 Millionen Rubel hinterzogen und damit dem Staat einen Schaden besonders hohen Ausmaßes zugefügt zu haben.

"Die Inspektoren sind zu der Schlussfolgerung gekommen, dass wir zwei Kredite, die wir von der Europäischen Kommission bekommen haben, nicht gemäß dem festgelegten Modus bei der Abteilung für humanitäre Tätigkeit registriert haben", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Weißrussischen Helsinki-Komitees, Garri Pogonajlo, dem Korrespondenten der "Belorusskaja delowaja gaseta". "Damit haben wir angeblich gegen die Steuergesetze verstoßen. Deshalb wurden auf alle Tacis-Kredite Steuern und Strafen angerechnet." (...)

"Wir bewerten dieses Strafverfahren als Fortsetzung des seit zwei Jahren andauernden Kurses der weißrussischen Führung, der das Ziel verfolgt, die bürgerliche Gesellschaft zu ersticken . Anlass für den Druck auf unsere Organisation ist meiner Meinung nach unsere aktive Position bei der unabhängigen Beobachtung der Wahlen", sagte die Vorsitzende des Weißrussischen Helsinki-Komitees, Tatjana Protjko, gegenüber der "Belorusskaja delowaja gaseta". "Die Parlamentswahlen nähern sich, womöglich wird ein Referendum stattfinden. Die Machthaber möchten verhindern, dass es zur unabhängigen Beobachtung dieser Veranstaltungen kommt."

Es ist schwierig, dem nicht zuzustimmen. Das Strafverfahren macht es möglich, die Tätigkeit des Weißrussischen Helsinki-Komitees völlig zu blockieren, formell aus völlig legitimen Anlässen. In jedem Augenblick könnten die Konten gesperrt, Unterlagen und Organisationstechnik beschlagnahmt, die Leiter der gesellschaftlichen Organisation in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden oder festgenommen werden. (...)

Beim Weißrussischen Helsinki-Komitee geht man davon aus, dass die Europäische Kommission die Finanzierung Weißrusslands gemäß dem Tacis-Programm völlig einstellen könnte, sollte der Druck auf die Organisation anhalten. Das hat praktisch auch die Direktorin für Osteuropa-Fragen der OSZE und des Europarates Barbara Johns bestätigt. Auf eine entsprechende Frage des Korrespondenten unserer Zeitung bemerkte sie, dass der Europarat immer noch mit einem günstigen Ausgang rechne. "Wir wünschen uns auch weiterhin, sowohl weißrussischen unabhängigen als auch staatlichen Organisationen Hilfe zu leisten. Sollte jedoch die Situation nicht geklärt werden, werden wir gezwungen sei, die Frage erneut zu erörtern", sagte sie. (lr)