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Milosevic spielt auf Zeit

Peter Philipp17. November 2003

Seit zehn Jahren gibt es das UN-Tribunal für jugoslawische Kriegsverbrechen in Den Haag. Prominentester Angeklagter ist Jugoslawiens Ex-Präsident Slobodan Milosevic, der seinen Prozess endlos verlängert.

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Slobodan Milosevic ist sich selbst genug im Haager TribunalBild: AP

Das Verfahren gegen den 62-Jährigen, der gesundheitlich angegriffen ist und sich allein verteidigt, kann noch Jahre dauern, nicht zuletzt, weil der Ex-Diktator alle seine Rechte als Angeklagter zu seinem Vorteil auszunutzen weiß. Keine leichte Aufgabe für das UN-Tribunal, das am 17. November 1993 seine Arbeit aufnahm. Heute, zehn Jahre später hat das erste Tribunal seit den Nachkriegsverhandlungen von Nürnberg und Tokio eine umfangreiche Chronik grauenvoller Ereignisse bloßgelegt.

Am liebsten einen Urlaub von der Haft machen

Slobodan Milosevic, einer der Hauptverantwortlichen für das Morden auf dem Balkan aber spielt weiter auf Zeit und seine Forderungen sind mehr als ungewöhnlich: Der Angeklagte, der sich seit Anfang 2002 vor dem Haager UNO-Kriegsverbrecher-Tribunal in insgesamt 66 Anklagepunkten wegen Kriegsverbrechen und Völkermord zu verantworten hat, forderte, man solle ihn für zwei Jahre freilassen, damit er in dieser Zeit seine Verteidigung vorbereiten könne. Milosevic dürfte geahnt haben, dass der Vorsitzende Richter, Richard May, der Forderung nicht nachkommen würde. Das Gericht wird nun über die Vorbereitungszeit entscheiden wie auch über die Anzahl der Zeugen, die Milosevic zu seiner Verteidigung aufrufen kann.

Die Mühlen mahlen sehr langsam

Es steht allerdings bereits fest, dass man dem Angeklagten dasselbe zugestehen will, was man der Anklage bisher zugestanden hat. Und das lässt darauf schließen, dass der Prozess noch sehr lange dauern wird: Wenn die Anklage ihren Vortrag gegen Ende des Jahres abschließt, werden rund 250 Zeugen aufgetreten sein und wird der Prozess fast zwei Jahre gedauert haben.

Kein Respekt vor der "Siegerjustiz"

Schon die erste Anhörung war ungewöhnlich. Milosevic verkündete im Sommer 2001 kurz nach seiner Auslieferung im Gerichtssaal, dass er dieses Tribunal nicht anerkenne. Der Prozess nahm dennoch seinen Lauf und Milosevic, der eigentlich mit dem Gericht nicht zusammen arbeiten wollte, hat sich längst damit abgefunden. Vielleicht auch, weil er in diesem Prozess eine letzte Chance sieht, es denen heimzuzahlen, die ihn lange als Staatspräsidenten behandelt hatten und ihm nun den Prozess als Kriegsverbrecher machten. Ein Prozess, den der Angeklagte als reine Willkür und Siegerjustiz abtut.

Der Wahn von "Groß-Serbien"

Die Anklage konzentriert sich auf drei Komplexe: Die Verbrechen während des Konflikts in Kroatien von 1991 bis 1992, in Bosnien während der darauf folgenden drei Jahre und im Kosovo 1999. Der Vortrag zum Kosovo ist abgeschlossen, der zu Kroatien und Bosnien steht vor dem Abschluss. Trotz dieser Abtrennung sieht die Anklage einen klaren Zusammenhang, denn immer habe Milosevic aus demselben Motiv gehandelt, so die Anklage: Nämlich das allgemeine Verhalten des Angeklagten Milosevic, ein "Groß-Serbien" zu schaffen, einen zentralistischen serbischen Staat, der die serbisch bevölkerten Gebiete von Kroatien und Bosnien-Herzegowina umfassen sollte, sowie den ganzen Kosovo.

Genscher und Clinton in den Zeugenstand?

Milosevic kämpft nicht allein: Das Gericht hat drei so genannte "Freunde des Gerichts" ernannt, namhafte internationale Juristen, die die Rechtmäßigkeit des Prozesses kontrollieren sollen. Milosevic seinerseits steht aus seiner Zelle im Gefängnis von Scheveningen in Kontakt mit Mitarbeitern, die ihm zuarbeiten und Material besorgen. Bisher ist es ihm aber nicht gelungen, den Verlauf des Prozesses zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Unter anderem deshalb, weil einige prominente Zeugen der Anklage ganz klar gegen ihn aussagten. Und es ist fraglich, ob es ihm gelingen wird, führende Politiker jener Jahre – erwähnt hat er unter anderem Bill Clinton und Hans-Dietrich Genscher – in den Zeugenstand zu rufen.

Unpässlichkeiten als Auszeit

Erfolg oder Misserfolg solcher Bemühungen hängen von der Entscheidung des Gerichts ab. Über das kann Milosevic sich eigentlich nicht beschweren: Immer wieder wurde der Prozess tagelang unterbrochen, weil der Angeklagte unter Herzbeschwerden litt. Jetzt darf er vier von 14 Tagen Ruhepausen einlegen. Für Beschwerden, die meist dann auftraten, wenn er Zeugen der Anklage nicht widerlegen oder wenigstens in die Enge treiben konnte.