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PolitikBulgarien

Wer ist Wassil Tersiew, der neue Bürgermeister von Sofia?

Alexandar Detev (aus Sofia)
6. November 2023

Die bulgarische Hauptstadt hat einen neuen Bürgermeister. Der Unternehmer Wassil Tersiew verspricht, Sofia zu verändern. Seine Kritiker halten ihn für unerfahren - und stören sich an seiner Familiengeschichte.

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Porträt eines lächelnden Mannes, der auf einem Gang in Richtung Kamera läuft
Sofias neuer Bürgermeister Wassil TersiewBild: Georgi Paleykov/NurPhoto/picture alliance

Bulgariens Hauptstadt Sofia hat einen neuen Bürgermeister. Wassil Tersiew ist erfolgreich, modern und europafreundlich. Er verspricht, die Stadt zu verändern und die Probleme anzugehen, mit denen sie seit Jahren zu kämpfen hat - verschmutzte Luft, Korruption, mangelhafte Umsetzung von öffentlichen Projekten. Seine Kritiker sagen, er habe keine politische Erfahrung und verfüge über keine Kompetenz in der Stadtplanung. Doch Tersiew ist überzeugt, dass seine Erfahrung als Unternehmer und Investor ihm helfen wird, die Stadt besser zu führen als seine Vorgängerin Jordanka Fandakowa, die Sofia seit 2009 regiert hatte.

Aber warum hat der 45-Jährige, dessen IT-Unternehmen Telerik 2014 für die Rekordsumme von 262,5 Millionen Dollar verkauft wurde, sich entschieden, in die Politik einzusteigen? "Ich glaube fest daran, dass erfolgreiche Menschen diejenigen sind, die der Gesellschaft etwas zurückgeben sollten", sagte er im Juni 2023 in seinem ersten TV-Interview als Kandidat. Nachdem er am Sonntag (05.11.2023) die Bürgermeisterwahlen in Sofia mit 48,2 Prozent der Stimmen gewann, bekommt er nun die Möglichkeit dazu.

Demokratischer Politiker mit undemokratischen Wurzeln

Tersiew wurde 1978 in Sofia geboren. Sein Großvater, sein Vater und seine Mutter arbeiteten bei der Staatssicherheit - dem Repressionsapparat des kommunistischen Regimes in Bulgarien. Dies wurde auch das größte Thema, nachdem Tersiew seine Kandidatur angekündigt hatte. Vor allem, weil dem Bündnis, das ihn nominiert hatte, eine Reihe von prodemokratischen und proeuropäischen Parteien und Organisationen angehören wie beispielsweise "Wir setzen den Wandel fort" (PP) des ehemaligen Premierministers Kiril Petkow, außerdem "Demokratisches Bulgarien" (DB) und Spasi Sofia (Rette Sofia). Eines von ihrer Versprechen war die Demontage des Denkmals der Sowjetarmee in Sofia.

Denkmal für Soldaten, das in blau-gelber Farbe angemalt wurde
Umstrittenes Denkmal für die sowjetische Armee in Sofia: Nach Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine wurde es in den ukrainischen Nationalfarben bemalt. Rechts im Bild der ukrainische Gruß "Slawa Ukrajini" (Ruhm der Ukraine)Bild: Momtschil Karapouzanow

Das 1954 errichtete Denkmal ist seit dem Sturz des kommunistischen Regimes im Jahr 1989 umstritten. Doch seit dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 ist es zu einem Symbol für die Spaltung der bulgarischen Gesellschaft geworden.

Eine Spaltung, die auch diesen Wahlkampf geprägt hat. Wanja Grigorowa stand am 5. November gegen Tersiew auf dem Stimmzettel. Die Gewerkschafterin, die für ihre linken politischen Überzeugungen bekannt ist, versprach, private Unternehmen aus den kommunalen Diensten - einschließlich der Wasserversorgung und der Beleuchtung - auszuschließen.

"Stimme des Kremls"

Ihre Weigerung, Russlands Krieg gegen die Ukraine zu verurteilen, und ihr glühendes Plädoyer für eine Wiederaufnahme russischer Gaslieferungen an Bulgarien veranlassten ihre Kritiker, sie als "Stimme des Kremls" zu bezeichnen. Und auch als Stimme jener Bulgaren, die immer noch mit Moskau und Putin sympathisieren - laut Umfragen etwa ein Viertel der Bevölkerung. Grigorowa wurde von einer Reihe prorussischer politischer Parteien unterstützt und gilt als Präsident Rumen Radew nahestehend. Radew ist ein erbitterter Gegner der bulgarischen Militärhilfe für die Ukraine.

Der bulgarische Staatspräsident Rumen Radew spricht vor Mikrofonen
Der bulgarische Staatspräsident Rumen RadewBild: Nikolay Doychinov/AFP/Getty Images

"Wir dürfen nicht zulassen, dass Putin unsere Hauptstadt erobert", forderte dagegen der ehemalige Präsident Bulgariens, Rossen Plewneliew, nur zwei Tage vor der Abstimmung. Das Rennen zwischen Tersiew und Grigorowa war unerwartet knapp. Am Ende erhielt sie 46,9 Prozent der Stimmen - nur 1,3 Prozentpunkte weniger als Tersiew.

Millionär übernimmt Stadt mit Milliarden-Budget

Tersiews Kritiker sagen, ein Sohn von Vertretern des kommunistischen Regimes könne keine proeuropäische Alternative sein. Tersiew widerspricht und hält entgegen, man solle nach vorne schauen. "Je mehr wir auf die Vergangenheit schauen und Anlässe zur Spaltung finden, desto mehr entfernt sich unser Blick von dem, was sein sollte. Kürzlich sagte ich bei einem Treffen mit Bürgern: Ob Kommunist oder Antikommunist, wir atmen alle die gleiche Luft, fahren auf den gleichen schlechten Straßen und leiden unter den gleichen Problemen", sagte er der DW im August. Und betonte, dass sein Erfolg nicht auf die Netzwerke seiner Familie zurückzuführen sei. "Das, was die Leute unter Privilegien verstehen, gibt es bei mir nicht. Ich habe meinen akademischen Erfolg allein erreicht. Wir haben unser eigenes Unternehmen mit Kundengeldern aufgebaut", so Tersiew zur DW.

Porträt des neuen Sofioter Bürgermeisters Wassil Tersiew in einem Interview mit der DW
Sofias neuer Bürgermeister Wassil TersiewBild: DW

Tatsächlich sind Tersiews Erfolge nicht zu unterschätzen. Im Jahr 2002 gründete er zusammen mit drei Freunden das IT-Unternehmen Telerik. Im Jahr 2014 verkauften es die Gründer für 262,5 Millionen US-Dollar an das amerikanische Unternehmen Progress Software - zu jener Zeit eine Rekordsumme für den bulgarischen Technologiesektor.

Mittlerweile haben Tersiew und seine Partner Telerik Academy gegründet - eine Bildungseinrichtung, die Software- und IT-Experten ausbildet. Tersiew selbst hat in mehr als 100 bulgarische Start-ups investiert.

Jetzt steht er jedoch vor einer großen Herausforderung: Er soll die Kontrolle über eine Stadt mit einem Haushalt von über 2,5 Milliarden Lewa (etwa 1,25 Milliarden Euro) übernehmen - und mit einer Vielzahl von schwerwiegenden Problemen: vom öffentlichen Verkehr über die schlechte Luftqualität bis hin zum Fehlen einer klaren Vision für die städtebauliche Weiterentwicklung. "Mein Traum ist es, die längste Fußgängerzone Europas zu haben - für Fußgänger, Fahrräder und Motorroller", sagte Tersiew der DW.

Wird der Gegner unvermeidlicher Partner?

Um seine Ideen umzusetzen, braucht er jedoch Unterstützung im Stadtrat. Und die kann entweder von der ehemaligen Regierungspartei GERB (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) kommen - der Partei, die auch Sofia 18 Jahre lang regiert hat. Tersiew und sein Team hatten die GERB im Wahlkampf jedoch als ihren Hauptgegner benannt. Die andere Möglichkeit wäre nur die prorussische Koalition um Wanja Grigorowa.

Porträt der bulgarischen Gewerkschafterin Wanja Grigorowa
Die Gewerkschafterin Wanja Grigorowa verlor nur knapp gegen Wassil TersiewBild: BGNES

Um zu verhindern, dass die prorussischen Kräfte an Einfluss gewinnen, waren die Parteien, die Tersiew nominiert hatten, bereits im Sommer 2023 bei der langwierigen Regierungsbildung nach der Parlamentswahl vom April gezwungen, mit der GERB zusammenzuarbeiten. Obwohl einige von ihnen ausgerechnet mit dem Versprechen gegründet worden waren, die GERB von der Macht zu vertreiben.

Es scheint, dass der neue Bürgermeister von Sofia nun vor einer Wahl stehen wird, bei der es nur eine Möglichkeit gibt - die Zusammenarbeit mit GERB, um einen Einfluss der prorussischen Kräfte zu verhindern.

Ein junger Mann mit Bart blickt lächelnd in die Kamera. Er trägt ein weißes Hemd und einen dunklen Blazer
Alexandar Detev Autor, Korrespondent und Redakteur