Mexikos Präsidentin Sheinbaum: "Zeit für Frauen gekommen"

Nach ihrer Vereidigung hat die neue mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum ein 100 Punkte umfassendes Regierungsprogramm vorgestellt. Vor mehreren Tausend Anhängern kündigte sie in der Hauptstadt Mexiko-Stadt etwa einen Ausbau der sozialen Sicherungssysteme, eine Energiewende und die Entwicklung eines heimischen Elektro-Kleinwagens an.

In ihrer Antrittsrede im Kongress hatte Sheinbaum zuvor betont, die "Zeit für die Frauen" sei gekommen. Zum ersten Mal lägen die Geschicke der Nation in weiblicher Hand. Die vormalige Professorin für Energietechnik hat zahlreiche Ministerposten mit Frauen besetzt. Aus der Präsidentschaftswahl im Juni war sie haushoch als Siegerin hervorgegangen.

Kontinuität mit eigener Handschrift

Ihr langjähriger Mentor und Vorgänger im Amt, Andrés Manuel López Obrador, durfte gemäß der Verfassung nicht erneut antreten. Sheinbaum kündigte an, seine Politik und die der linken MORENA-Partei weitgehend fortzuführen. Zugleich setzte die 62-Jährige eigene Akzente, indem sie beispielsweise die Umweltpolitik in den Mittelpunkt rückte.

Die einstige Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt wird das mit rund 130 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste spanischsprachige Land für die kommenden sechs Jahre regieren. Zur Amtsübergabe waren etliche Staats- und Regierungschefs anwesend. Die Europäische Union wurde durch den Außenbeauftragten Josep Borrell vertreten, für die USA war deren First Lady, Jill Biden, angereist, für Deutschland der frühere Bundespräsident Christian Wulff.

Eklat nach Streit mit Kolonialmacht Spanien

Nicht erschienen war hingegen der spanische König Felipe VI. Sheinbaum hatte sich geweigert, ihn einzuladen, da er aus ihrer Sicht nicht ausreichend Verantwortung für die Schäden aus der Kolonialzeit übernommen hat. Die frühere Kolonialmacht Spanien hatte daraufhin entschieden, die Amtseinführung zu boykottieren.

Zu den größten Herausforderungen, die auf die neue Präsidentin warten, gehört die Gewalt der Rauschgiftkartelle, verbunden mit insgesamt ausufernden Kriminalitätsraten und weitgehender Straflosigkeit. Erst am vergangenen Donnerstag hatten Tausende Menschen an das Verschwinden von 43 Studenten vor zehn Jahren erinnert, die mutmaßlich korrupten Polizisten und Drogengangstern zum Opfer gefallen waren.

Darüber hinaus dürften die Beziehungen zum Nachbarland USA eine zentrale Rolle spielen. Neben der Bekämpfung des Drogenschmuggels gilt das Augenmerk Washingtons der anhaltenden illegalen Einwanderung über seine südliche Grenze. Auch der Ausgang der US-Präsidentenwahl könnte das Verhältnis beider Staaten beeinflussen, da der Republikaner und Ex-Amtsinhaber Donald Trump in bilateralen Fragen einen härteren Kurs einschlagen könnte als dessen demokratische Herausforderin und Vizepräsidentin Kamala Harris.

Zwölftgrößte Volkswirtschaft der Welt

Mexiko ist die zwölftgrößte Volkswirtschaft der Welt und Deutschlands wichtigster Handelspartner im lateinamerikanischen Kulturraum. Zahlreiche ausländische Unternehmen produzieren ihre Waren in dem Land, um sie weitgehend zollfrei in die Vereinigten Staaten zu liefern. Indigene Gruppen, die ihre jeweilige Identität mehr oder weniger zu bewahren suchen, machen rund ein Drittel der Bevölkerung aus.

Sheinbaum, die sich bei der Wahl gegen die indigene Unternehmerin Xóchitl Gálvez durchgesetzt hatte, unterzog sich zu Beginn ihrer Amtszeit in der Hauptstadt einem indigenen Reinigungsritual. Vertreterinnen der Urvölker Mexikos überreichten ihr auf dem großen Platz vor dem Regierungspalast einen mit bunten Bändern geschmückten Kommandostab aus Zedernholz, der traditionell politische und spirituelle Macht symbolisiert.

jj/se (dpa, afp, epd, munzinger)