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Mexiko: Traditionsreiche Mexicana-Airline hebt wieder ab

Andreas Knobloch aus Mexiko-Stadt
16. Juli 2023

Nach 13 Jahren Arbeitskampf um die Bankrott gegangene Fluglinie Mexicana de Aviación gibt es ein versöhnliches Ende. Vorausgegangen war eine wochenlange Zitterpartie vor Gericht.

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Soll wieder abheben: Maschine der Mexicana Airline - hier im August 2010 auf dem Flughafen von Mexiko-Stadt
Soll wieder abheben: Maschine der Mexicana Airline - hier im August 2010 auf dem Flughafen von Mexiko-StadtBild: Sashenka Gutierrez/dpa/picture alliance

Dreizehn Jahre nach ihrem Verschwinden kehrt die viertälteste noch operierende Fluglinie der Welt zurück. Nach wochenlangen Spekulationen erklärte Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador, dass seine Regierung eine Einigung über den Kauf der Marke Mexicana de Aviación erzielt hat. Geht es nach den Plänen der Regierung, soll eine neue Airline mit dem traditionsreichen Namen ab dem 1. Dezember abheben und - wie zahlreiche andere Großprojekte - vom Verteidigungsministerium betrieben werden.

Möglich wird dies durch eine richterliche Entscheidung quasi in letzter Sekunde. Mit Ablauf eines von der Regierung gesetzten Ultimatums hob am zurückliegenden Wochenende ein Arbeitsgericht in Mexiko-Stadt eine einstweilige Verfügung auf, die eine Gruppe von 220 pensionierten Flugbegleitern der bankrott gegangenen Fluglinie gegen die Vereinbarung über den Verkauf der Vermögenswerte der Fluggesellschaft und der Markenrechte von Mexicana an die Regierung beantragt hatte. Die Richter machten so den Weg für die Neugründung frei.

"Es ist eine gute Nachricht", feierte Präsident López Obrador die Entscheidung. "Das Problem ist gelöst, es müssen noch weitere Schritte unternommen werden, aber wir sind zufrieden, und ich denke, die Beschäftigten sind es auch, denn sie werden eine Zahlung erhalten."

Aufstand der Piloten: Proteste der Mexikana-Piloten im August 2010 im Flughafen von Mexiko-Stadt
Aufstand der Piloten: Proteste der Mexikana-Piloten im August 2010 im Flughafen von Mexiko-StadtBild: Sashenka Gutierrez/dpa/picture alliance

Die Regierung hatte Anfang des Jahres einen Vorschlag zum Kauf der Marke Mexicana de Aviación, eines Ausbildungszentrums, eines Flugsimulators und zweier Gebäude (in Guadalajara und Mexiko-Stadt) für 817 Millionen Pesos (rund 43,5 Millionen Euro) unterbreitet. Auch wenn die angebotene Summe nicht einmal zehn Prozent dessen ausmacht, was den Ex-Beschäftigten der Fluggesellschaft laut Schiedssprüchen zusteht - die Rede ist von mehr als neun Milliarden Pesos (480 Millionen Euro) - stimmten die verschiedenen Gewerkschaften der Vereinbarung zu.

Dann aber stellte sich eine kleine Gruppe der Pensionäre quer und versuchte, einen vor Jahren erwirkten Schiedsspruch durchzusetzen, der ihnen die Zahlung von rund 400 Millionen Pesos (21 Millionen Euro) aus der Konkursmasse der Fluggesellschaft zugestanden hatte. Das aber hätte bedeutet, dass die mehr als 6000 anderen Ex-Angestellten sich die verbleibenden 417 Millionen Pesos hätten teilen müssen - und wohl weitere jahrelange Gerichtsverfahren nach sich gezogen.

13 Jahre Arbeitskampf

Mit dem Richterspruch wird die von der Regierung gezahlte Kaufsumme nun proportional unter den ehemaligen Mexicana-Angestellten aufgeteilt. Zugleich findet der 13 Jahre andauernde Arbeitskampf der früheren Mexicana-Beschäftigten damit ein halbwegs versöhnliches Ende. Mit Märschen, Kundgebungen, Straßenblockaden und Sitzstreiks vor Regierungsstellen hatten sie in der Vergangenheit immer wieder auf ihre Lage aufmerksam gemacht. Jahrelang hielten sie zudem einen Abschnitt im internationalen Flughafen von Mexiko-Stadt besetzt, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Nun erhalten sie einen Teil ihrer ausstehenden Abfindungen und Pensionen.

"Sie [die früheren Angestellten, Anm.] werden etwa eine Milliarde Pesos erhalten", erklärte Präsident Obrador. "Es gibt 6000 Mitarbeiter, und sie werden 60, 80 oder sogar 100.000 Pesos erhalten. Das wird eine Belohnung für all das sein, was sie seit den Zeiten des Neoliberalismus erlitten haben, seit Fox [Vicente Fox, ehemaliger Präsident Mexikos, Anm. d. Red.] die Entscheidung traf, Mexicana quasi als Geschenk an einen seiner engen Mitarbeiter zu übergeben, der das Unternehmen dann in den Bankrott trieb. Er wurde nicht zur Rechenschaft gezogen, es herrschte Straflosigkeit, so wie es früher war, dass immer diejenigen an der Spitze geschützt wurden; die Arbeiter wurden massiv entlassen, auf die Straße geworfen."

Am 1. Dezember soll es soweit sein: Der Neustart der Mexicana
Am 1. Dezember soll es soweit sein: Der Neustart der MexicanaBild: Sashenka Gutierrez/dpa/picture alliance

Die ehemals staatliche Fluglinie Mexicana war 2005 für einen Bruchteil ihres Wertes privatisiert worden - einschließlich der mit 130 Millionen US-Dollar gut gefüllten Pensionskasse. Fünf Jahre nach der Übernahme durch Gastón Azcárraga und den von ihm kontrollierten Konzern Grupo Posadas hatte die Airline einen Schuldenberg von mehr als 800 Millionen US-Dollar angehäuft. Mexicana beantragte Konkurs und stellte 2010 den Flugbetrieb ein.

Wenig ist besser als nichts

Fausto Guerrero Díaz, Präsident der Vereinigung der früheren Mexicana-Angestellten AJTEAM, sagte im Gespräch mit DW, man habe die Entscheidung und den Kauf der Mexicana-Vermögenswerte durch die Regierung "mit großer Freude" aufgenommen. Er spricht von einer zweiten Chance durch die Regierung, nachdem zuvor die vorgeschlagene Gründung einer Kooperative, die seine Vereinigung unterstützt habe, um eine Einkommens- und Beschäftigungsquelle zu schaffen, an fehlender Einigung unter den Gewerkschaften scheiterte. "Der Kauf [der Vermögenswerte, Anm. d. Red.] durch die Regierung bedeutet für uns, dass wir nach 13 Jahren Arbeitskampf zumindest über einige Mittel verfügen."

Alles andere hätte weitere, jahrelange Gerichtsverfahren bedeutet, sagt er - zu den 13 Jahren, die schon vergangen sind - mit zwei gravierenden Folgen: Weitere Ex-Mitarbeiter sterben, ohne Gerechtigkeit zu erfahren, und der Wert der Marke wäre weiter verfallen. "Angesichts des Wertverfalls der Marke war es wichtig, den gesunden Menschenverstand walten zu lassen, und statt weiterer langer Gerichtsverfahren, diesen Vorschlag anzunehmen, auch wenn er eine kleine Gruppe total unzufrieden zurücklässt und die Mehrheit der Arbeitnehmer etwas desillusioniert von der Höhe der Beträge ist", sagt Guerrero. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, könnte man sagen.

Für die Regierung sei nur die Marke von Wert, so Guerrero, um die Summe etwas größer zu machen, kaufe sie aber auch die anderen Vermögenswerte. "Ich denke, dass die Menschen im Allgemeinen zufrieden sind, vor allem, weil sie erstens ein wenig Geld erhalten und zweitens - und das ist das Wichtigste - Mexicana wieder fliegt und in rein mexikanischen Händen ist."