Merkels Getreuer - Armin Laschet ist neuer CDU-Chef
16. Januar 2021Am Ende sind es 521 Stimmen und damit 55 Stimmen Vorsprung vor seinem Mitbewerber Friedrich Merz in der Stichwahl um den CDU-Vorsitz. Der dritte Mitbewerber, Norbert Röttgen, war im ersten Wahlgang ausgeschieden. Jetzt steht fest: Der 59-jährige Armin Laschet ist neuer Bundesvorsitzender der CDU. Unter den drei Kandidaten galt der seit 2017 regierende Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen als derjenige, der am stärksten für eine Fortsetzung des Kurses von Angela Merkel und eine "CDU der Mitte" steht.
Vor der Abstimmung hatte Laschet programmatisch die CDU als "Partei der Mitte" positioniert und vor weiterer gesellschaftlicher Spaltung gewarnt. "Wir werden nur gewinnen, wenn wir in der Mitte stark bleiben", sagte er. Politik, mahnte er, dürfe nicht polarisieren, sondern müsse Klartext sprechen und stets Vertrauen schaffen. In der merkwürdig gespenstischen Atmosphäre eines wegen der Corona-Pandemie virtuellen Wahlparteitags verwies er auf seine Erfahrungen als Regierungschef im konkreten politischen Handeln. Die CDU brauche "keinen CEO, keinen Vorstandsvorsitzenden", sondern jemanden, der die Partei zusammenhalte.
Seit 2012 ist Laschet einer von fünf stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU. Der rheinische Katholik war stets zuverlässiger Partner der jeweiligen Vorsitzenden. Bis 2018 konnten sich Angela Merkel und seitdem auch Annegret Kramp-Karrenbauer auf diesen Vize verlassen. Als Merkel angesichts der Einreise hunderttausender Flüchtlinge seit 2015 in Teilen ihrer Partei kräftiger Gegenwind entgegenschlug, blieb Laschet ihr treuer Weggefährte und Mitstreiter.
"Maß und Mitte"
Nach eigenem Bekunden steht Laschet für einen "Ansatz, der Maß und Mitte wahrt", "der sich den Menschen zuwendet und ihnen nicht den Rücken kehrt". Er pocht auf gesellschaftlichen Zusammenhalt, sozialen Frieden, soziale Marktwirtschaft. Laschet war der einzige der drei Konkurrenten, der als Spitzenkandidat bereits eine Wahl gewonnen hat und Regierungserfahrung mitbringt. Das sei "sicher nicht schädlich", sagte er gelegentlich.
Laschet bildet seit Ende Februar 2019 mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (40) ein Tandem. Nur wenige Tage vor der Wahl legten beide unter dem Titel "#Impulse2021" ein Zehn-Punkte-Programm vor. Darin bekräftigen sie die "klare Abgrenzung nach rechts" und die breite Aufstellung der CDU als Volkspartei mit einem eher linken Arbeitnehmerflügel und einem tendenziell konservativen Wirtschaftsflügel. Sie formulieren ihren Anspruch so: "Die 20er Jahre zu einem Modernisierungsjahrzehnt für Deutschland machen: neue wirtschaftliche Dynamik, umfassende Sicherheit, beste und gerechte Bildungschancen." Laschet und Spahn wollen ein "Belastungsmoratorium" für die angeschlagene Wirtschaft, ein Digitalministerium auf Bundesebene, "null Toleranz bei Kriminalität und Extremismus". Das klingt wie ein Regierungsprogramm.
Europäisch, transatlantisch
Außenpolitisch betonen Laschet und Spahn eine klare europapolitische und transatlantische Ausrichtung der Partei: Sie drängen auf mehr Zusammenarbeit mit den USA in der Klima- und Handelspolitik; sie plädieren für eine handlungsfähigere EU und mehr deutsch-französisches Engagement. Der Führungswechsel in den USA wird Laschet entgegenkommen. Zur politischen Führung in Paris pflegt er seit langem intensive Kontakte; immer wieder reist er in die französische Hauptstadt. Seit 2019 ist Laschet Bevollmächtigter der Bundesrepublik für die deutsch-französischen kulturellen Beziehungen.
Der gebürtige Aachener kennt alle Seiten des Politikbetriebs. Vor über 30 Jahren arbeitete Laschet als junger Mann im Team des damaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger mit. Nach dessen Rücktritt 1988 wurde Laschet von der neuen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth übernommen. Von 1994 bis 1998 gehörte der studierte Jurist und ausgebildete Journalist selbst dem Bundestag an, von 1999 bis 2005 dem Europäischen Parlament. Seit 2010 sitzt Laschet im Landtag von Nordrhein-Westfalen.
Dort gelang es der CDU, mit ihm als Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl 2017 den Sieg einzufahren und in einer Koalition mit der FDP die Regierung in Düsseldorf zu bilden. Ein bemerkenswerter Sieg, weil das größte deutsche Bundesland zuvor über 50 Jahre lang meist sozialdemokratisch geführt wurde. Der Sieg an Rhein und Ruhr war kurz vor der damaligen Bundestagswahl Rückenwind für die schwächelnde Merkel-CDU. Stets stritt Laschet treu an der Seite der Kanzlerin, nie gegen sie. Anders als seine beiden Mitbewerber Norbert Röttgen und Friedrich Merz brach er nie im krachenden Streit mit Merkel.
Niederlagen und Ausdauer
Zu Laschets politischem Lebenslauf gehören auch Niederlagen: 1998 verlor er sein Direktmandat im Bundestag. 2010 unterlag er Norbert Röttgen in der Konkurrenz um den NRW-Landesvorsitz der CDU. Erst zwei Jahre später und nach gewaltigem innerparteilichen Flurschaden übernahm dann Laschet. Nun, elf Jahre später, obsiegt Laschet auch auf Bundesebene. Beides zeigt: Laschet kann warten. Und hat Ausdauer.
Nun ist er Merkels zweiter Nachfolger im Amt des Parteivorsitzes. Klar - wer dieses Amt in der CDU innehat, hat traditionell den Zugriff auf die Kanzlerkandidatur und im Falle einer Regierungsmehrheit im Bund den ersten Zugriff aufs Kanzleramt. Ob Laschet da auch antreten wird, um der seit gut 15 Jahren regierenden Regierungschefin nach der Ende September anstehenden Bundestagswahl auch im Kanzleramt zu folgen, ist aber längst nicht geklärt. Zum einen sagt man gelegentlich auch seinem 19 Jahre jüngeren Mitstreiter Spahn Ambitionen aufs Kanzleramt nach. Zum anderen soll die Frage der Kanzlerkandidatur erst in gut zwei Monaten nach Landtagswahlen in zwei deutschen Bundesländern fallen - in Abstimmung mit CSU-Chef Markus Söder. Der könnte nach eigenem Selbstbewusstsein wohl auch alles. Auch Kanzler.
"Ein Ministerpräsident, der ein 18-Millionen-Land erfolgreich regiert, kann auch Bundeskanzler", unterstrich Laschet vor wenigen Tagen seine Ambitionen. Seinen Kurs dabei kleidet er in wenige Worte: "Ein Bruch mit Angela Merkel wäre exakt das falsche Signal." Das wird ihn nun als Parteichef begleiten.
Und Laschets Konkurrenten? Norbert Röttgen, der Minuten nach der Verkündung des Ergebnisses dem neuen Parteivorsitzenden seine Unterstützung zugesagt hatte, kandidierte für das Präsidium der CDU und erreichte dort das viertbeste Ergebnis. Damit ist er künftig mit an Bord.
Merz will ein Ministeramt
Friedrich Merz wollte weder als stellvertretender Vorsitzender noch als Präsidiumsmitglied noch für ein weiteres Führungsgremium der CDU kandidieren. Aber noch vor Ende des Parteitags meldete sich der 65-Jährige per Twitter zu Wort. Er habe Laschet angeboten, "in die jetzige Bundesregierung einzutreten und das Bundeswirtschaftsministerium zu übernehmen". Ein Ministerium, das seit langem vom Merkel-Vertrauten Peter Altmaier (62) geführt wird... Der erste digitale Parteitag der CDU ist Geschichte. Die Debatten um Friedrich Merz werden andauern.