Merkel und Putin fürchten Bürgerkrieg in Syrien
1. Juni 2012Die Liste der Themen war lang, die Zeit für das Gespräch nur kurz. Eine Stunde lang berieten Präsident Wladimir Putin und Regierungschefin Angela Merkel im Kanzleramt. Auf der Tagesordnung standen die Energieabkommen, die Wirtschaftsbeziehungen, die Eurokrise, das iranische Atomprogramm und auch die Lage in Syrien.
"Das jüngste Massaker in Al-Hula hat uns vor Augen geführt, wie schrecklich die Lage der Menschenrechte in Syrien ist", sagte Merkel anschließend bei einer kurzen Pressekonferenz und fügte hinzu: "Wir haben beide deutlich gemacht, dass wir auf eine politische Lösung setzen." Der Plan des Sonderbeauftragten Kofi Annan könne ein Ausgangspunkt für eine politische Lösung des Konflikts sein. Im UN-Sicherheitsrat müsse man nun daran arbeiten, dass er umgesetzt und gegebenenfalls durch weitere Maßnahmen ergänzt werde, sagte Merkel. Einzelheiten nannte sie jedoch nicht.
Sorge vor einem Bürgerkrieg in Syrien
Auch Putin blieb in der Syrien-Frage vage. Er wies Vorwürfe zurück, Moskau stelle sich einseitig auf die Seite des Assad-Regimes. "Zu Syrien haben wir gute langjährige Beziehungen. Dennoch unterstützen wir keine der Konfliktparteien", unterstrich er und fügte hinzu, Moskau liefere keine Waffen, die in einem Bürgerkrieg genutzt werden könnten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte Russland zuvor aufgefordert, Waffenlieferungen an Syrien einzustellen.
Putin warnte vor einem Bürgerkrieg in Syrien, dessen Anfänge man derzeit beobachten könne. Dies sei äußerst gefährlich und er sei sich mit Merkel darüber einig, dass man einen Bürgerkrieg verhindern müsse. Dazu müsse man mit dem Weltsicherheitsrat, mit dem syrischen Präsidenten, den arabischen Ländern und allen an einer Lösung interessierten Ländern zusammenarbeiten. In diesem Zusammenhang mahnte Putin jedoch zur Geduld. "Wir sollten dem Annan-Plan eine Chance geben und nicht sein schlechtes Ende herbeireden." Mit Gewalt könne man nichts bewirken, sagte er.
Küsschen und freundlicher Umgang
Das Treffen zwischen Putin und Merkel war mit Spannung erwartet worden. Die Medien hatten zuvor darüber spekuliert, dass zwischen den beiden eine Eiszeit herrsche und dass die Stimmung zwischen ihnen nicht von Herzlichkeit geprägt sei. Und so waren zahlreiche Journalisten ins Kanzleramt gekommen, um bei der ersten Begegnung der beiden Politiker nach Putins erneuter Wahl ins höchste Staatsamt zugegen zu sein und ihre Gestik und Körpersprache genau zu beobachten und zu analysieren. Doch Merkel und Putin gaben sich geschäftsmäßig und professionell. Zwei Küsschen zur Begrüßung, freundliches Lächeln und respektvolle Worte zeugten von einem guten und sachlichen Umgangston.
Als Beleg für die enge Partnerschaft wies Putin auf die ausgezeichnete wirtschaftliche Zusammenarbeit und den steigenden Warenaustausch zwischen beiden Ländern hin und Merkel lobte die Zuverlässigkeit russischer Gaslieferungen.
Nach dem Treffen mit Merkel kam Putin auch mit Bundespräsident Joachim Gauck zusammen. Es war die erste Begegnung zwischen den beiden Staatschefs. Bei dieser Gelegenheit überreichte Putin dem Bundespräsidenten eine offizielle Einladung nach Russland.