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Merkel: Flüchtlingskrise eine Zäsur

30. September 2015

Die Flüchtlingskrise wird die deutsche Politik nach Einschätzung von Bundeskanzlerin Merkel gravierend verändern. Die Landesinnenminister der Union fordern eine Begrenzung des Zuzugs.

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Bundeskanzlerin Merkel spricht bei der Preisverleihung des Wettbewerbs "Jugend forscht" (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht in der Flüchtlingskrise eine Zäsur in der deutschen Politik. "Das wird unsere Politik gravierend ändern und wieder neue Schwerpunkte setzen. Jede Zeit hat ihre eigene Herausforderung", sagte die CDU-Vorsitzende bei der Auszeichnung der diesjährigen "Jugend forscht"-Preisträger im Kanzleramt in Berlin.

"Vor unserer Haustür"

"Wenn wir an die Flüchtlinge denken, dann merken wir ja, dass das, was in Syrien, in Afghanistan passiert - nicht mehr irgendwo weit weg passiert, sondern im Grunde vor unserer Haustür", sagte Merkel. "Das tangiert uns." Deutschland könne viel leisten und sehe vor allem auch die Aufgabe, Fluchtursachen zu bekämpfen. Es müsse mehr Geld für Hilfe in den Krisengebieten und ihren Regionen zur Verfügung gestellt werden. "Denn wir können nicht alle Probleme in Deutschland lösen."

Unionsminister fordern schnelles Handeln

Die den Unionsparteien angehörenden Landesinnenminister fordern derweil eine sofort spürbare Eindämmung des Flüchtlingszuzugs. Allein im September seien fast 200.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. In den nächsten Wochen sei mit einer weiteren Zunahme zu rechnen. Von deutscher Seite müssten dazu kurzfristige Maßnahmen gefunden werden, schreibt Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Lorenz Caffier in einem Brief an Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU), den er auch im Namen seiner Kollegen aus Bayern, Berlin, Hessen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt verfasste.

Notunterkunft für Flüchtlinge in Rottenburg/ Baden-Württemberg (Foto: dpa)
Notunterkunft für Flüchtlinge in Rottenburg/ Baden-WürttembergBild: picture-alliance/dpa/W. Kastl

Caffier fordert schnellstmöglich solidarische Lösungen zur Flüchtlingsverteilung auf europäischer Ebene. Alle EU-Länder müssten Flüchtlinge registrieren und sich an die Dublin-Verordnung halten. Sie besagt, dass Flüchtlinge in dem Land registriert werden müssen, in dem sie erstmals EU-Gebiet betreten. Ansonsten solle Deutschland Asylsuchende bereits an der Grenze abweisen und Flüchtlinge künftig konsequent rücküberstellen - auch Asylbewerber aus Syrien, heißt es in dem Schreiben des Innenministers von Mecklenburg-Vorpommern.

Frank-Jürgen Weise (Foto: Reuters)
Frank-Jürgen WeiseBild: Reuters/F. Bensch

Unübersichtliche Situation

Der neue Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank-Jürgen Weise, hat unterdessen eine unübersichtliche Flüchtlingssituation in Deutschland kritisiert. Bislang gebe es keinen guten Überblick, wie viele Menschen ins Land kämen, wo sie sich aufhielten, wie sie verteilt und ihre Anliegen bearbeitet würden, sagte Weise in Nürnberg. Hier sei mehr Transparenz nötig.

Auch Rückstände müssten dringend aufgearbeitet werden. Nach Schätzungen seien 290.000 Flüchtlinge in Deutschland noch nicht registriert, teilte Weise mit.

Weise ist Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) und hat nach dem Rücktritt des BAMF-Präsidenten Manfred Schmidt zusätzlich die Leitung der Migrationsbehörde übernommen. Nach den Worten von BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker sind die derzeit nach Deutschland kommenden Flüchtlinge eine "Riesenchance" für den Arbeitsmarkt.

Um das Potenzial zu nutzen, seien aber Investitionen in Sprache, Qualifizierung und Ausbildung nötig. Eine Analyse der Bundesanstalt habe ergeben, dass vor allem "sehr, sehr junge Menschen" nach Deutschland kämen, sagte Becker. 70 Prozent seien unter 30 Jahre alt, 55 Prozent sogar unter 25 Jahre alt. Die jungen Flüchtlinge zeigten eine hohe Arbeitsmotivation verbunden mit dem Willen, auf eigenen Beinen zu stehen.

"Fachkräfte von übermorgen"

Erfahrungen zeigten jedoch, dass in der Gruppe der nach Deutschland kommenden Ausländer Flüchtlinge die meiste Zeit benötigten, bis sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren seien: "Diese Menschen, die heute zu uns kommen, sind nicht die Fachkräfte von morgen, das sind die Fachkräfte von übermorgen", sagte der Arbeitsmarktexperte.

wl/se (dpa, afp)