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Mercosur schottet sich ab

21. Dezember 2011

Mit Sorge beobachten die Mercosur-Mitglieder mögliche Auswirkungen der Euro-Krise auf Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Der Beitritt Venezuelas zu dem südamerikanischen Bündnis wurde erneut verschoben.

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Brasiliens Außenminister Antonio Patriota, links, Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff, Mitte, und Venezuelas Außenminister Nicolas Maduro.
Brasiliens Außenminister Antonio Patriota, links, Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff, Mitte, und Venezuelas Außenminister Nicolas Maduro.Bild: dapd

Seit fünf Jahren steht Venezuela vor der Tür des Mercosur. Doch auf dem Gipfeltreffen in Montevideo am vergangenen Dienstag (20.12.11) haben die Staatschefs von Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay sich nicht auf eine Vollmitgliedschaft für den Anwärter einigen können. Die Statuten des Mercosur legen fest, dass nur demokratisch regierte Länder in den gemeinsamen Markt des Südens aufgenommen werden. Über eine Erweiterung des Bündnisses müssen die Parlamente der Mitgliedsstaaten abstimmen. Die Zustimmung Paraguays steht noch aus. Aber die rechte Opposition, die die Mehrheit im Parlament in Asunción hat, hält Venezuela unter der sozialistischen Regierung von Präsidenten Hugo Chávez für undemokratisch und hat damit gedroht, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Fernando Lugo einzuleiten, falls er eine Änderung der Mercosur-Statuten anstreben und damit das Parlament umgehen wolle.

Für den Ölproduzenten Venezuela bleibt damit vorerst alles beim Alten: Gemeinsam mit Chile, Bolivien, Kolumbien und Peru wird es weiterhin eines der mit dem Mercosur assoziierten Länder sein, die sich zu einer Freihandelszone zusammengeschlossen haben. In den Genuss einer Zollunion kommen diese Länder jedoch nicht.

Spannungen und Stillstand

Mercosur Logo
Das Logo des Mercosur

Der Abbau von Handelsschranken innerhalb des Mercosur ist eines der Hauptmerkmale des südamerikanischen Wirtschaftsbündnisses, und gleichzeitig auch der Hauptstreitpunkt zwischen den vier Mitgliedsländern. So beklagt Uruguay, dass Argentinien und Brasilien den Export von Lebensmitteln, Autoteilen, Druck- und Textilerzeugnis systematisch durch Schutzzölle blockierten. Der Mercosur befinde sich an einem Tiefpunkt, hieß es im Vorfeld des Gipfels von Montevideo aus Regierungskreisen. Doch der uruguayische Präsident José Mujica sieht das Bündnis trotz seiner Probleme in besserer Verfassung als die EU. Die Situation in Europa sei „viel schlimmer“, so Mujica im kurz vor dem Gipfel anlässlich eines Besuch in Mexiko. „Wir haben Fehler begangen, aber nicht so schlimme wie die EU, wo gelogen und mit falschen Zahlen operiert wurde, bis die Länder plötzlich mit der Wahrheit konfrontiert worden sind“, so der Präsident von Uruguay, der im Oktober auf Besuch in Europa war und unter anderem in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel Gespräche geführt hatte.

Aus Sorge vor möglichen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise im Euroraum haben die Mercosur-Präsidenten beschlossen, dass jedes Land bis Ende 2014 Zölle auf bestimmte Warengruppen erheben darf, um die eigene Wirtschaft vor subventionierten Importen zu schützen. Die Länder fürchten, dass eine drohende Rezession in Europa und den USA dazu führen könnte, dass Waren, die auf diesen Märkten keine Abnehmer finden, die lateinamerikanischen Länder überschwemmen könnten. So hat Brasilien, die führende Wirtschaftsmacht der Region, jüngst Zölle auf Textil- und Autoersatzteile angekündigt, die nicht aus Mercosur-Ländern stammen.

Abkommen mit Palästinensern

Während die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen dem Mercosur und der EU seit über zehn Jahren auf Eis liegen, haben die vier Mitglieder der südamerikanischen Handelsgruppe auf dem Gipfel in Montevideo ein Freihandelsabkommen mit der palästinensischen Autonomiebehörde unterzeichnet. Es ist das erste Freihandelsabkommen der palästinensischen Autonomiebehörde außerhalb der arabischen Welt. Mit Israel besteht bereits ein entsprechendes Abkommen. Ein weiteres konkretes Ergebnis des Gipfeltreffens der Präsidentinnen von Argentinien und Brasilien und ihrer beiden Amtskollegen aus Uruguay und Paraguay ist der Beschluss, die Seehäfen der Mercosur-Länder für Schiffe zu sperren, die unter der Flagge der Falkland-Inseln fahren. Die Insel-Gruppe im südlichen Atlantik ist seit 1833 britisches Überseegebiet. Argentinien erhebt ebenfalls Anspruch auf das Gebiet. 1982 kam es zum Krieg um die Inseln, nachdem Argentinien die Falklands militärisch besetzt hatte. 255 Briten und 648 Argentinier verloren in den Kämpfen ihr Leben. Nach dem kurzen bewaffneten Konflikt übernahm die britische Armee wieder die Kontrolle über die Inseln. Den bereits angekündigten Beschluss zur Sperrung der Häfen hatte die britische Regierung bereits im Vorfeld als „potenziell beunruhigend“ bezeichnet.

Der Sitz des Mercusor in Montevideo, Uruguay
Der Sitz des Mercusor in Montevideo, UruguayBild: picture alliance/dpa Fotografia

Überschattet wurde der Gipfel vom Selbstmord des argentinischen Unterstaatssekretär für Außenhandel, Ivan Heyn. Der 34-jährige wurde am Dienstag tot in seinem Hotelzimmerin Montevideo gefunden, nachdem er bei mehreren Gesprächen nicht erschien. Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner zog sich daraufhin von den Gipfelgesprächen zurück und bat um ärztlichen Beistand. Das gemeinsame Gipfel-Abschlussfoto mit allen teilnehmenden Präsidenten wurde abgesagt.

Autorin: Mirjam Gehrke
Redaktion: Friedel Taube