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PolitikChina

Kritischer China-Dialog muss fortgesetzt werden

Winkekatze Maneki-neko
Dang Yuan
30. Mai 2022

Die Uiguren werden in China systematisch unterdrückt. Der UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet gelang zwar kein unabhängiger Blick, sie hält aber den Dialog offen, meint Dang Yuan.

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Chinesische Polizisten stehen Wache vor einem Gebäude
Der Westen muss den kritischen Dialog mit China fortsetzenBild: Mark Schiefelbein/AP/picture alliance

Machen wir uns nichts vor: Die Reise von Michelle Bachelet in Xinjiang war eine Show. In jener autonomen Westregion Chinas, wo Millionen Uiguren festgehalten und gefoltert werden, war zum ersten Mal seit 17 Jahren eine UN-Menschenrechtskommissarin zu Besuch.

Wie bei allen anderen Besuchen mit Symbolkraft war auch die Reise von Bachelet durchchoreographiert. Ein kritischer, unabhängiger Blick war ihr nicht möglich. Die Corona-Situation lasse den uneingeschränkten Zugang nicht zu, hieß es offiziell aus Peking.

Trotzdem ist Bachelet gereist. Sie selbst soll zu Diplomaten gesagt haben: "Ich bin eine erwachsene Frau. Ich kann zwischen den Zeilen lesen." Sie ist sich der politischen Sprengkraft der Reise bewusst gewesen, spätestens seit westliche Medien zeitgleich schockierende Beweisbilder über den Folterapparat in der Xinjiang Police Files veröffentlicht haben.

Die eigenen Erfahrungen als Folteropfer

Die Ex-Präsidentin von Chile war selbst Opfer von Diktatur und Gewalt. 1975 saß sie im Foltergefängnis unter Diktator Augusto Pinochet, bevor sie mit ihrer Mutter in die DDR floh. In Xinjiang traute ich es ihr zu, dass sie trotz sprachlicher Barriere, die Folteropfer in den Internierungsanlagen schnell erkannt hat. Es reicht oft ein tiefer Blick in ihre Augen.

Ein Monitor zeigt eine Pressekonferenz mit Michelle Bachelet und Xi Jinping
Bachelets China-Reise war gut durchchoreographiertBild: Carlos Garcia Rawlins/REUTERS

Bachelet wurde während ihres Aufenthalts mit politischen Hiobsbotschaften überhäuft. Mehr Relevanz haben indes ihre persönlichen Eindrücke vor Ort - was sie zwischen den offiziellen Terminen beobachtet hat. Ihr Bericht wird nun mit großer Spannung erwartet. Darin wird sie nicht die KP-Sprachjargons und verherrlichende Darstellungen der amtlichen Agentur Xinhua übernehmen. Als UN-Kommissarin muss sie die Autorität und das Ansehen der UN-Institution verteidigen. Aber sie will auch mit China im kritischen Dialog bleiben.

 Kritischen Dialog mit China fortsetzen

Zugegeben, ein Besuch der UN-Kommissarin wird die systematische Unterdrückung der Uiguren nicht über Nacht beenden. Er ist aber mindestens der Beginn einer unabhängigen Aufklärung. China hatte sich deswegen auf diesen UN-Besuch eingelassen, um Bachelet vor den Karren zu spannen, und hoffte auf einen Persilschein des Völkerbunds.

Die Kunst des politischen Balanceaktes von Bachelet liegt darin, sich nicht instrumentalisieren zu lassen und die Weisheit zu besitzen, das Machbare vom nicht Machbaren zu unterscheiden. Die Völkergemeinde kann nur Positives für das muslimische Volk in Xinjiang bewirken, wenn sie mit China im Dialog bleibt.

Die Uiguren sind nur ein Punkt auf der langen Anklageschrift. Die Tibeter möchten auch gerne ihren Glauben leben, die Hongkonger wollen demokratische Wahlen und überhaupt, die Menschen wollen kritisch und unabhängig denken und sich frei äußern dürfen, wenn sie mit der Regierung nicht immer einer Meinung sind.

Die wechselseitige Abhängigkeit in der Globalisierung ist kein Fluch, sondern eine Chance zur Veränderung. Sie eröffnet mehr Gesprächskanäle. Bachelet hat einen davon genutzt.

DW-Redakteur Dang Yuan schreibt zum Schutz für sich und seine Familie in China unter Pseudonym.